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„40 lignes au hasard“: François Morellet (1926 – 2016), einer der wichtigsten Vertreter zufallsbasierter Kunst, arbeitete mit Zufallszahlen aus der unendlichen Zahlenfolge Pi oder dem Telefonbuch von Paris.
Emergenz: Die Herausbildung neuer Eigenschaften findet sich in zahlreichen Wissenschaftsdisziplinen, u. a. in der Betriebswirtschaftslehre als nicht beabsichtigte Handlungen. Umstritten ist dort, ob im Sinne der ‚unsichtbaren Hand‘ von Adam Smith viele emergente Handlungen zu Gleichgewicht oder Destruktion führen.
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„Essbild“, Dieter Hacker: Von dem aus Schokoladenlinsen in einem Raster bestehenden Kunstwerk dürfen die Betrachter_innen auch naschen. Sie verändern zufällig – oder doch mit System ordnend? – damit das Werk immer wieder.
Ein deterministisches Chaos besagt: Systemverhalten ist unvorhersagbar, obwohl es durch bekannte Abläufe vorherbestimmt ist. Der Mathematiker Henri Poincaré beispielsweise entdeckte die hyperbolischen Strukturen der Planeten, die eine langfristige Verfolgung ihrer Bahnen praktisch unmöglich machen, da sie auf großen Zeitskalen chaotisch verlaufen.
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„One: Number 31“, Jackson Pollock (1912 – 1956). Der US-amerikanische Maler begründete das Action Painting, bei dem er die Farben quasi zufällig auf die Leinwand auftropfte. Der abstrakte Expressionist schuf damit zahlreiche vor allem großformatige Werke.
Stochastische Prozesse berücksichtigen die Unsicherheiten von Eingangsparametern, das sind beispielsweise in Energieprozessmodellen zukünftige Strompreise oder die fluktuierende Einspeisung von Windenergieanlagen. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung dieser Zufallsvariablen wird statistisch aus historischen oder simulierten Daten gewonnen.
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by permission of the Matthew Marks Gallery, New York, which represents the artists. Copyright Peter Fischli and David Weiss.
„Der Lauf der Dinge“ (Kunstfilm), Peter Fischli, David Weiss (1946 – 2012): Der Film zeigt eine Rube-Goldberg-Anordnung, die einen an sich zwecklosen Ablauf absichtlich in zahlreichen unnötigen und komplizierten Einzelschritten ausführt, quasi inszenierter Scheinzufall.
Der Schmetterlingseffekt (Chaostheorie) tritt in nichtlinearen dynamischen, deterministischen Systemen auf. Es ist nicht vorhersehbar, wie sich beliebig kleine Änderungen der Anfangsbedingungen des Systems langfristig auf seine Entwicklung auswirken. Bekannte Metapher dazu: Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auslösen?
„Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt.“ Der aufstrebende Aktionskünstler Kuno von Hilgers sammelte 100 Zitate zum Thema Zufall und ließ einen Zufallsgenerator jene auswählen, die er auf Papier brachte, darunter Albert Einsteins Bemerkung zum Verhältnis Zufall – Gott.
Eine dissipative oder ‚zerstreuende‘ Struktur bezeichnet das Phänomen sich selbst organisierender, dynamischer, geordneter Strukturen in nichtlinearen Systemen fern dem thermodynamischen Gleichgewicht. Die Übergänge von Unordnung zu Ordnung erfolgen sprunghaft. Beispiele sind Wolken, Flüsse oder Wirbelstürme innerhalb der Geosphäre als gleichgewichtsfernes energieumsetzendes System.
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„Rorschach“, Andy Warhol (1928 – 1987). In den 1980er Jahren entstand eine Reihe von Bildern nach Art des umstrittenen Rorschach-Tests, einem projektiven Testverfahren der psychologischen Diagnostik. Was sie darin sehen, interpretieren die Betrachtenden selbst.
Serendipity: Entdeckungen in der Grundlagenforschung sind nicht vollends planbar, der Zufall spielt die entscheidende Rolle, prominentes Beispiel ist Penicillin. Der Soziologe Robert Merton führte dafür den Begriff der Serendipität in die Wissenschaftsforschung ein. Neben dem Glück des Zufalls sind Forschergeist, Intuition und Freiraum erforderlich.
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Gerhard Richter 2022 (0241)
„1024 Farben“, Gerhard Richter. Mithilfe der Farben Rot, Blau, Gelb und Grün entstehen Zwischentöne auf der Basis zufälliger Mischungen. Im Werk „4900 Farben“ erweiterte Richter den Zufall durch Wiederholungen der Farbkästchen.
Quantenverschränkung: Ein ganzes Quantensystem zu erforschen erfordert hohen rechnerischen Aufwand. Beliebige Zustände der Teilchenverschränkung lassen sich leichter analysieren, wenn zufällig gewählte Veränderungen einzelner Teile des Systems wiederholt gemessen werden.
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Hans Hinz - ARTOTHEK / Bildrecht GmbH
„Swampangel“, Max Ernst (1891 – 1976): Der deutsche Surrealist und Dadaist nutzte den Zufall, um seine „Angst“ vor der weißen Leinwand und dem ersten Pinselstrich zu überbrücken. Er verstand es meisterhaft, den zufälligen Verlauf von Farbspuren in bizarre Landschaften zu verwandeln.
Der Tipping Point (Kipppunkt) stammt ursprünglich aus der Psychologie und findet sich heute in der Klimaforschung ebenso wie in der Netzwerkökonomie, dort als kritische Masse, ab der sich Information oder Sozialverhalten massenhaft und unaufhaltsam verbreiten. Schwer vorhersagbar ist der Zeitpunkt des Kippens.
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Wmpearl, Jean Arp (Hans Arp), c. 1930, Tate Modern
„Collagen nach den Gesetzen des Zufalls geordnet“, Hans Arp (1886 – 1966): Zufall ist im Werk des deutsch-französischen Dadaismus-Mitbegründers Arp als eine die Natur regierende, vom Menschen nicht manipulierbare Ordnung zu verstehen.
Die Selbstorganisation eines sozialen Systems, etwa ein Arbeitsteam, ist hinsichtlich entstehender Struktur und Dynamik ergebnisoffen und nicht zielorientiert. Welche Strukturen und anerkannten Praktiken entstehen, ist situationsabhängig, ungewiss und zufällig. Selbstorganisation ist dort relevant, wo es keine vorab bekannte Lösung gibt, wie bei Innovation oder Gefahr.
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„Zufall existiert nicht“, Ben Vautier. Markenzeichen des schweizerischfranzösischen Künstlers, von 1962 – 70 führender Vertreter der Fluxus- Bewegung, sind mit greller pastoser Farbe in Schreibschrift auf das Objekt aufgetragene Anweisungen und Erklärungen.
Der Zufall ist für die biologische Evolution bestimmend. Die Biologie verwendet aber lieber den Begriff Kontingenz. Danach hängt eine zukünftige Entwicklung unter anderem von einem bestimmten Ereignis in der Vergangenheit ab, das selbst nicht zwangsläufig auftreten musste. Würde sich also die Evolution von Organismen exakt gleich wiederholen?