Bei grenzüberschreitenden Konflikten ist für Unternehmen ist der Gang zu Gericht oft nicht die beste Lösung. Eine wichtige Alternative sind neben Mediationen nicht-staatliche Handels- und Investitionsschiedsgerichte, die oft schneller und effektiver eine Lösung herbeiführen. Die Universität für Weiterbildung Krems erforscht deren Grundlagen.
Von Alois Pumhösel
Das Feld internationaler Wirtschaftsbeziehungen ist voll von potenziellen Konfliktquellen. Unternehmen streiten über Liefermängel, Patentschutz und viele andere Vertragsverletzungen. Ganze Staaten können geklagt werden, wenn sie die Voraussetzungen für getätigte ausländische Investitionen verändern. Und es kann auch große interne Querelen geben, etwa wenn sich Unternehmensgesellschafter überwerfen.
Den Beteiligten steht immer frei, ihre Konflikte vor Gericht zu klären. Doch gerade in grenzüberschreitenden Beziehungen ist das mit einer Reihe von Unsicherheiten behaftet. Als Alternative haben sich Handels- und Investitionsschiedsgerichte etabliert, die Konflikte mitunter schneller, günstiger und verlässlicher aufarbeiten. Hier entscheiden unabhängige Schiedsrichter_innen auf Basis von Regelwerken, die gut etablierte nicht-staatliche Organisationen zur Verfügung stellen. Bei unternehmensinternen Konflikten oder vor der Anrufung eines Schiedsgerichts kann zudem auch eine Mediation versucht werden.
„Der Bereich der Schiedsgerichte hat in den vergangenen 20 Jahren enorm an Wichtigkeit gewonnen und ist ein bedeutendes Arbeitsfeld für viele Anwaltskanzleien geworden“, betont Gabriel Lentner, der sich am Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Universität für Weiterbildung Krems mit dem Thema beschäftigt. „Durch ihre starke Praxisorientiertheit bieten sie große Vorteile gegenüber staatlichen Gerichten.“ Im Energiesektor besteht etwa im Zuge des Ukrainekriegs ein großer Bedarf an dieser Art der Konfliktbeilegung. Ein zentraler Fragenkomplex: Welche Güter sind von den Russland-Sanktionen betroffen, welche nicht?
Lentners Schwerpunkt liegt im verwandten Bereich der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit. Diese Verfahren sollen Streitigkeiten zwischen Staaten und ausländischen Investor_innen schlichten. Eine wichtige Basis dafür ist das Washingtoner Übereinkommen (ICSID) von 1965, das auch die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Schiedssprüche in vielen Staaten regelt. „Ein klassischer Fall wäre hier eine staatliche Enteignung. Ein Unternehmen hat etwa in einen Staudamm im Zielland investiert und steht nach einer Verstaatlichung mit leeren Händen da“, gibt Lentner ein Beispiel. Auch die Zahl dieser Verfahren ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark gestiegen.
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„Durch ihre starke Praxisorientiertheit bieten Schiedsgerichte große Vorteile gegenüber staatlichen Gerichten.“
Gabriel M. Lentner
Grenzbereiche im Investitionsschutz
Damit ging auch eine Ausweitung der Anwendungsbereiche einher. „Eines meiner Forschungsthemen ist die Frage, inwieweit auch geistiges Eigentum wie Marken- oder Patentrechte unter Investitionsschutzabkommen fallen“, erklärt Lentner. In dem Bereich gibt es umstrittene Fälle, etwa wenn ein_e Anleger_in im Tabakbereich vor einem Investitionsschiedsgericht gegen Anti-Raucher-Maßnahmen, konkret strengere Vorschriften für Zigarretten-Aufmachungen, eines Landes klagt. „Bei einer Klage dieser Art gegen Uruguay wurde keine Verfehlung des Staates gesehen. Dennoch bedeutet die Möglichkeit dieser Klagen eine Gefahr für die staatliche Autonomie“, sagt der Rechtsexperte. „Es besteht die Gefahr, dass die Investitionsschutzverfahren, bei denen es oft um Hunderte Millionen Euro geht, auch missbräuchlich verwendet werden.“ Eine Debatte, wo Grenzen gezogen werden sollen, begleitet die Entwicklung.
Mit einer Perspektive auf die Schiedsgerichtsbarkeit, die tief in der Praxis verwurzelt ist, kann der Rechtsanwalt und Kanzleigründer Christian W. Konrad aufwarten, der sowohl als Parteienvertreter als auch als Schiedsrichter tätig ist. Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit in der Energie-, IT- und Bauwirtschaft in Zentral- und Osteuropa. „Renommee und Vertrauen spielen in diesem Metier eine große Rolle“, betont Konrad. „Deshalb ist vor der Übernahme eines Falls die Konfliktprüfung besonders wichtig.“ Keinesfalls darf als Schiedsrichter_in der Anschein erweckt werden, dass Naheverhältnisse mit einer der Parteien bestehen.
Intensive Verfahren
Der Prozess, der in enger Absprache zwischen Schiedsrichter_in und Parteien gestaltet wird, ist oft auf einen schnellen Schiedsspruch ausgerichtet. „Nach einer Vorbereitungsphase, bei der Schriftsätze und Gutachten ausgetauscht werden, kommt es zur Verhandlung, die für alle Beteiligten sehr intensiv ist“, sagt Konrad. „Nicht selten arbeitet man als Schiedsrichter mit den Parteienvertretern wochenlang täglich gute 12 Stunden an der Beweisaufnahme.“ Doch nicht immer geht alles glatt. „Schiedsverfahren sind ein großes Geschäft geworden. Viele Kanzleien drängen in den Markt und nicht alle arbeiten mit demselben Anspruch an Professionalität“, bedauert Konrad. Gleichzeitig sind auch die Schiedssprüche immer nur so gut wie ihre Umsetzung, der trotz einer einzigartigen völkerrechtlichen Grundlage in manchen Ländern zu wünschen übrig lässt. Konrad würde sich deshalb in diesen Ländern bessere Schulungen und Fortbildungen bei staatlichen Gerichten wünschen, die mit der Anerkennung und Vollstreckung konfrontiert sind.
Bezüglich der Investitionsschiedsgerichte hebt Konrad den enormen Nutzen hervor, den auch problematische Einzelfälle und Missbrauchsversuche kaum schmälern würden. „Das Instrument hat dazu geführt, dass sich Staaten international nicht mehr in einem rechtsfreien Raum bewegen, sondern Pflichten wahrnehmen müssen“, betont der Anwalt. „Das ist eine wesentliche Weiterentwicklung gegenüber einer früheren Kanonenboot-Diplomatie, in der nur das Recht des Stärkeren galt.“
Für viele Konflikte in internationalen Wirtschaftsbeziehungen ist es sinnvoll, vor der Einberufung eines Schiedsgerichts eine Mediation zumindest zu versuchen. Dabei begleiten Mediator_innen die Konfliktparteien hin zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung. Die Wiener Anwältin Marie-Agnes Arlt ist Expertin für diese Form der Streitbeilegung, wobei besonders oft Streitigkeiten zwischen Gesellschafter_innen eines Unternehmens bei ihr landen. „Mediation wird in vielen Fällen vor einem Schiedsgerichts- oder Gerichtsverfahren gewählt“, sagt Arlt. „Gleichzeitig kann sie aber auch noch bei einem bereits laufenden Gerichtsverfahren eine Alternative sein oder sogar helfen, punktuelle Fragestellungen innerhalb eines Verfahrens zu klären.“
Ergebnisoffener Prozess
Der Mediationsprozess ist dabei stark von der_dem gewählten Mediator_in abhängig. „Ich muss dem Prozess eine klare Struktur geben: Die Interessen der beteiligten Parteien sowie Kriterien, die zu einer Einigung führen können, werden herausgearbeitet, bevor Optionen für eine Lösung entwickelt werden können“, berichtet Arlt aus der Praxis. „Die Konfliktparteien erhöhen die Chance auf eine Lösung, wenn sie mit größtmöglicher Ergebnisoffenheit in den Prozess gehen.“ Gleichzeitig müssten die Parteien darauf achten, welche und in welchem Rahmen vertrauliche Informationen preisgegeben werden, um bei einem Scheitern keine Nachteile zu haben.
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„Investitionsschiedsgerichte haben dazu geführt, dass sich Staaten international nicht mehr in einem rechtsfreien Raum bewegen, sondern Pflichten wahrnehmen müssen.“
Christian W. Konrad
Das Spektrum möglicher Lösungen ist dafür größer als bei Gericht oder Schiedsgericht. „Ich hatte etwa einen Fall über eine nicht bezahlte Verbindlichkeit, wobei die überraschende Lösung darin bestand, dass der Schuldner den Betrag nicht an den Gläubiger, sondern als Spende an eine Hilfsorganisation bezahlte“, veranschaulicht Arlt. In einem internationalen Kontext ist für die Mediatorin besonders wichtig, den jeweiligen kulturellen Hintergrund zu berücksichtigen. „Verschiedene Kulturen haben auch unterschiedliche Arten zu kommunizieren und divergierende Vorstellungen von respektvollem Verhalten. Darüber muss man Bescheid wissen.“
Die Bedeutung von Schiedsgerichten und Mediationen zeigt, wie wichtig in einer zunehmend eng verflochtenen Weltwirtschaft, die von immer neuen Krisen unter Druck gesetzt wird, gut organisierte Formate zur Streitbeilegung sind. „Der Bereich entwickelt sich rapide und ist stark von den Bedürfnissen der Praxis getrieben“, sagt Rechtsforscher Lentner. „Eine der wichtigsten Herausforderung dabei: Forschung und Fortbildung brauchen die nötigen Ressourcen, um mit der Entwicklung mithalten zu können.“
GABRIEL M. LENTNER
Ass.-Prof. Dr. Gabriel M. Lentner ist stv. Leiter des Departments für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Universität für Weiterbildung Krems, wo er den Fachbereich „Internationales Recht und Alternative Streitbeilegung" leitet. Lentner forscht und lehrt u.a. zum Internationalen Recht, insb. Investitionsschutzrecht, Schiedsgerichtsbarkeit und Streitbeilegung.
CHRISTIAN W. KONRAD
Dr. Christian W. Konrad ist Gründer und Managing Partner von Konrad Partners. Er ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkten in den Bereichen internationale Schiedsgerichtsbarkeit, internationale Prozessführung und Völkerrecht.
MARIE-AGNES ARLT
Dr.in Marie-Agnes Arlt, LL.M. (NYU) ist Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin sowie (Mit-)Gründerin von a2o.legal und arlt.solutions. Die Vortragende an der Universität für Weiterbildung Krems hat sich mit arlt.solutions zudem auf Wege der Alternative Dispute Resolution, insbesondere Wirtschaftsmediation und Corporate Dispute Management, spezialisiert.
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