Bei der rechtswissenschaftlichen Bewertung von „Smart Farming“ geht es primär darum, die juristischen Herausforderungen der Nutzung von landwirtschaftlichen Daten auszumachen. Handlungsempfehlungen sollen die Digitalisierung im Agrarbereich fördern.
Von Christian Scherl
Traktoren, die mit Sensoren ausgestattet sind, über die beim Bewirtschaften des Ackers gleich die Bodenverhältnisse ermittelt werden oder Chips, mit denen sich die Körpertemperaturen der Nutztiere messen lassen – in der Landwirtschaft hat Digitalisierung große Potenziale. Allerdings ist bei vielen ausführenden Personen das Thema Digitalisierung noch mit Vorbehalten und einer gewissen Unsicherheit behaftet. Im Zuge des Digitalen Aktionsplans Austria im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen und in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, sollte daher das Strategieprojekt ‚Smart Farming‘ ein Bewusstsein für die zahllosen Anwendungsmöglichkeiten der Digitalisierung in der Landwirtschaft schaffen und gleichzeitig wichtiges Fachwissen an Stakeholder liefern. Einen Teil dieses Strategieprozesses bildet die rechtswissenschaftliche Bewertung von Smart Farming. „Wichtig ist, dass die Digitalisierung in der Landwirtschaft ankommt – nicht nur bei den Landwirten, sondern u. a. auch bei Behörden, die für gewisse Abwicklungen verantwortlichen sind, als auch bei schulischen Betrieben, die für die Ausbildung zuständig sind“, erklärt Benjamin Kraudinger. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Geistiges Eigentum, Medien- und Innovationsrecht, als auch juristischer Mitarbeiter in einer renommierten Wiener Wirtschaftsrechtskanzlei.
Wem gehören die Daten?
Wenn in einer digitalisierten Landwirtschaft Sensoren und Maschinen unzählige Informationen über die Umwelt sammeln, stellen sich rechtliche Fragen rund um die Erzeugung, Sammlung, Verarbeitung und Verwertung dieser landwirtschaftlich relevanten Daten. Wem gehören sie? Wer hat Zugangsrechte und wer darf diese Daten verwerten? Das Problem beginnt bereits bei der Beurteilung, wem Daten überhaupt zugeordnet werden können. „Dateneigentum im eigentlichen Sinne, gibt es juristisch gesehen nicht“, sagt Kraudinger. „Also muss man sich über Rechte von Personen an Daten andere Gedanken machen.“ Nämlich: welche vertraglichen Beziehungen gibt es etwa zwischen der Person, die Daten bereitstellt, und der Person, die Daten verarbeitet. „Genauso gilt es zu klären, ob es andere Schutzkriterien gibt, die Daten besonders kritisch machen, sodass eine Verarbeitung oder Nutzung für eine Landwirtschaft nicht ohne Lizenz oder Zustimmung möglich ist.“ Insbesondere die Bereiche des Datenschutz-, Urheber- und Wettbewerbsrechts können hier von Bedeutung sein.
Neue Spielregeln
Für Landwirte kann es erfolgsentscheidend sein, ob sie schützenswerte Rechte an den Informationen besitzen, ob sie alleine über diese Informationen verfügen dürfen oder ob auch andere Beteiligte Zugriffsrechte besitzen, wie z. B. das Unternehmen, bei dem die Informationen abgespeichert werden. Eine wichtige Rolle kommt hier dem sogenannten ‚Data Act‘ zu – eine neue europäische Verordnung, mit der ein Datenzugriffsrecht auch für nicht-personenbezogene Daten normiert wird. „Allerdings ist es auf vernetzte Produkte und verbundene Dienste begrenzt.“ Trotz dieser Einschränkung hat die Verordnung für die Landwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung große Bedeutung: „Kauft sich ein Bauer von einem Anbieter von Landwirtschaftsgeräten einen Smart-Traktor, der Informationen über den technischen Zustand der Maschine drahtlos an den Hersteller übermittelt, hat der Bauer ein Recht, ebenfalls auf diese Infos zuzugreifen“, so der Rechtsexperte. „Das kann durchaus relevant sein, etwa bei Wartungen, wenn sich aus den Infos ableiten lässt, wann eine Reparatur oder ein Ersatzteil notwendig ist. Der Hersteller besitzt somit keine Informationshoheit mehr und der Nutzer des Traktors hat das Recht, die Informationen zu verwenden, um eventuell günstigere Alternativanbieter für das Service zu beauftragen.“
Eigene Roadmap
In klassischen Industriezweigen verfügen große Industrieunternehmen oft über eine eigene Innovations-Roadmap. Das fehlt in der Landwirtschaft, weil es sich vorwiegend um kleinere Betriebe handelt. „Das war für uns ein Hauptgrund, warum wir in unserer Studie nicht nur den rechtlichen Rahmen von Smart Farming aufarbeiten, sondern daraus auch Handlungsempfehlungen ableiten.“ Die insgesamt fünf Handlungsempfehlungen gehen von einfach umsetzbaren Kommunikationsmaßnahmen bis hin zu rechtspolitischen Vorschlägen. Die Schulung und Bildung des betroffenen Personenkreises stellt dabei einen ersten Schritt dar. „Wichtig ist, alle Beteiligten für den richtigen Umgang mit Daten zu sensibilisieren“, sagt Kraudinger. Auch die Förderung von Transparenz ist der Studie ein Anliegen. So könnten Standardverträge eine faire Benchmark bilden und festlegen, welche Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Daten und dem Zugang zu Infos bestehen sollen. Schließlich sollte auch eine juristische Diskussion zum Umgang mit Daten angestoßen werden: „Daten werden wirtschaftlich immer wertvoller. Aufgrund dieser Entwicklung vorschnell ein ‚Dateneigentum‘ zu schaffen, ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Vielmehr sollte ein ausgereiftes ‚Datenvertragsrecht‘ die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen.“
Literatur:
Appl, C.; Homar, P.; Kraudinger, B. (2023). Digitaler Aktionsplan Smart Farming – Rechtswissenschaftliche Bewertung. BMF, BMF, Wien
BENJAMIN KRAUDINGER
Mag. Benjamin Kraudinger, BSc ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Geistiges Eigentum, Medien- und Innovationsrecht der Universität für Weiterbildung Krems und arbeitet daneben auch für die Rechtsanwaltskanzlei Dorda. Er befasst sich u.a. mit den rechtlichen Aspekten digitaler technologischer Entwicklungen.
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