Wie teilen sich in Zukunft Lehrkräfte und Künstliche Intelligenz die Aufgaben? Im Zentrum für Digitalisierung im lebensbegleitenden Lernen gibt es gegenwärtig gleich mehrere Aktivitäten, die KI im Fokus von Lernen und Lehren betrachten und die Potenzial aufzeigen.

Von Christian Scherl

Je komplexer Lerninhalte in einem Studiengang werden, desto stärker sind Lehrkräfte gefordert, den Stoff möglichst verständlich an die Kursteilnehmenden zu vermitteln. Mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz kann der Wirkungsgrad der Lernmethoden optimiert werden, indem die KI zum Beispiel den Lerntransfer überprüft. In einer Kooperation mit dem Know Center in Graz setzt die Universität für Weiterbildung Krems auf Artificial Intelligence Conversational Agents, also Chatbots, die als virtueller Assistent den Lernenden und Lehrenden Feedback geben und Reflexionsprozesse anregen. „Zum Beispiel kann der Chatbot abfragen, welche Lerninhalte von den Studierenden bereits im Arbeitsprozess integriert werden, bzw. kann er anregen, gewisse Lernstoffe einzusetzen“, erklärt Tobias Ley, Leiter des Zentrums für Digitalisierung im lebensbegleitenden Lernen. Entwickelt werden die Chatbots vom Know Center, das zu den führenden europäischen Innovations- und Spitzenforschungszentrum für vertrauenswürdige KI und Data Science zählt. Das Team versucht, das Intelligenzniveau der Chatbots kontinuierlich zu steigern. „Mit jedem Gespräch können die Chatbots dazulernen. Angedacht ist, dass sie sich bei den jeweiligen Gesprächspartnern die Inhalte merken, damit tiefsinnige Reflexionen entstehen können“, sagt Ley. Der Chatbot fragt im Vorfeld die Transferabsichten der Studierenden ab und kontrolliert danach den tatsächlich erfolgten Transfer. „Die Praxis zeigt, dass es häufig Barrieren gibt, die eine geplante Umsetzung erschweren. Diese Hürden sollen durch die KI-Assistenz abgebaut werden.“ Auch die Lehrkräfte erhalten durch die Chatbot-Konversationen wertvolle Erkenntnisse. Einerseits lässt sich bei jedem einzelnen Kursteilnehmenden überprüfen, ob eine individuelle Intervention notwendig ist, andererseits zeigt sich die allgemeine Effizienz der Lehrmethode.

Optimales Lerndesign

In einem Projekt mit der Universität Valladolid in Spanien untersucht die Kremser Universität, wie durch die Assistenz von Künstlicher Intelligenz Lehrenden die Gestaltung des Unterrichts erleichtert werden kann. Basis bildet die Plattform Graasp, die digitale Bildung fördert. „Sie wird in vielen europäischen Ländern genutzt, um Lehrern bei der Gestaltung von Lernaktivitäten zu unterstützen“, erklärt Gerti Pishtari, der bei diesem Projekt im Team von Tobias Ley mitarbeitet. „Beim Lerndesign werden Ziele definiert und Lernaktivitäten entworfen, die optimalerweise zu diesen Zielen führen sollen. Verfügen die Lehrkräfte nicht über die erforderlichen Schulungen, verfehlen die Aktivitäten häufig die Ziele. Mit KI-Unterstützung lassen sich die Inhalte analysieren. Sie gibt Feedback, ob der eingeschlagene Weg zum Erfolg führt oder nicht.“ Vor allem unerfahrene Lehrer profitieren von dieser Innovation. „Unsere Aufgabe ist nun, Algorithmen zu liefern, die automatisch die Lerninhalte analysieren und Treffer zu den Zielen herstellen können", sagt Pishtari.

Nächster Schritt wäre, dieses Tool nicht nur beim Lehrdesign einzusetzen, sondern auch direkt im Unterricht. Hierfür hat sich ein Konsortium aus führenden europäischen Forschungseinrichtungen gebildet, um die Auswirkungen von KI auf den Lehrberuf zu analysieren. Dazu kooperiert die UWK unter anderem mit Universitäten in Tallinn (Estland), Oulu (Finnland), London (England), Radboud (Niederlande) und Bochum (Deutschland), um die Auswirkungen von KI auf den Lehrberuf zu analysieren. Ein Forschungsantrag ist für 2024 geplant.

Es braucht Vertrauen

Mit einigen dieser Partner hat die UWK bereits Kooperationserfahrung. So versucht man zum Beispiel mit der Tallinn University und der University College London die besten hybriden Lehrer-KI-Modelle zu identifizieren. „Wir forschen, welche Aufgaben der Lehrkräfte zukünftig von KI übernommen werden können und wie man ein optimales Zusammenspiel von Mensch und KI erzielt“, sagt Ley. Bei Gruppenarbeiten stehen z. B. meist nicht genug Lehrkräfte zur Verfügung, damit alle Gruppen durchgehend betreut werden können. Hier kann die KI Abhilfe schaffen, indem sie die Gruppen ‚überwacht‘ und bei auftretenden Schwierigkeiten den Lehrer darauf aufmerksam macht. Neben Inhalt und Konversation können auch aufgrund von Mimik oder Körperhaltung Aufmerksamkeitsdefizite festgestellt werden. „Es braucht noch Entwicklungszeit, damit es zu keinen Fehlinterpretationen kommt“, wirft Ley ein. Nicht minder herausfordernd ist es, dass die Lehrkräfte mehr Vertrauen in KI im Unterricht fassen. Das Projekt „Human-Centered Development and Deployment of AI“, bei dem die UWK ebenfalls mit dem Know Center kooperiert, soll die Vertrauenswürdigkeit von KI steigern, indem Mittel untersucht werden, um sowohl die menschenfreundliche Entwicklung von KI als auch den menschenfreundlichen Einsatz von KI zu gewährleisten. Denn neben Datenschutz, Transparenz und Fairness tragen menschliche und pädagogische Faktoren zu Vertrauen bei, werden aber in der Entwicklung von KI derzeit noch eher vernachlässigt.

 

Die Projekte

Basis der genannten Projekte sind verschiedene Forschungskooperationen des Zentrums für Digitalisierung im Lebensbegleitenden Lernen an der Universität für Weiterbildung Krems zur „Rolle von Lehrkräften und KI“ mit den Universitäten Tallinn (Estland), Valladolid (Spanien), Oulu (Finnland), Radboud (Niederlande), Bochum (Deutschland) und London (Großbritannien).“

Zum Forschungsprojekt „Human-Centered Development and Deployment of AI“:
Laufzeit: 2023-2026
Förderungsgeber: FFG

Partner: Know-Center


TOBIAS LEY
Univ.-Prof. Dr. Tobias Ley hält die Universitätsprofessur für Weiterbildungsprozesse in digital gestützten Lehr- und Lernräumen an der Universität für Weiterbildung Krems. Dort fungiert er als Leiter des Zentrums für Digitalisierung im lebensbegleitenden Lernen.

GERTI PISHTARI
Gerti Pishtari, PhD forscht am Zentrum für Digitalisierung im lebensbegleitenden Lernen, Department für Weiterbildungsforschung und Bildungstechnologien der Universität für Weiterbildung Krems.

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