In der Wirtschaft werden derzeit die Auswirkungen des Klimawandels noch dramatisch unterschätzt, warnte Ass.-Prof. Dr. Sanjay Patnaik (George Washington University) im Rahmen eines Faculty Talks an der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung der Donau-Universität Krems. Druck käme derzeit speziell vonseiten der InvestorInnen, die ein Risikomanagement in Bezug auf den Klimawandel forcieren. Das EU-System des CO2-Emissionshandels habe, nachdem einige „Kinderkrankheiten“ überwunden wurden, generell gut funktioniert, sei jedoch nicht überall gleich einsetzbar.
Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt rapide an. Das Landeis zieht sich viel schneller zurück, als es die meisten WissenschafterInnen vorausgesagt haben. Und der Anstieg des Meeresniveaus wird zahlreiche Regionen dramatisch treffen. „Der Klimawandel wird alle Bereiche massiv beeinflussen und auch einen starken Einfluss auf viele Firmen haben“, fasste Sanjay Patnaik die alarmierenden Befunde zum Klimawandel im Rahmen des Faculty Talks der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung zusammen.
Politischer Wille vorhanden
Mit Ausnahme der USA, wo der Klimawandel noch immer von vielen geleugnet wird, sei der Wille vorhanden, etwas dagegen zu tun: „Das zeigte sich gerade auch bei der Pariser Klimakonferenz – der politische Wille war da, quer über die Ländergrenzen hinweg“, schilderte Patnaik, selbst auch der Teilnehmer der Klimakonferenz. Allerdings seien rasche Gegenmaßnahmen wichtig, so der Professor für Strategisches Management an der George Washington University, auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit: „Wenn wir jetzt handeln, kommt es uns billiger als in zehn oder fünfzehn Jahren.“
Als Folge des Pariser Abkommens würden immer mehr Länder Regulierungen für den CO2-Ausstoß implementieren: Die Regulierungssysteme setzen auf den Handel mit CO2-Emissionszertifikaten, auf eine CO2-Steuer oder eine Mischung der beiden Instrumente.
EU als Pionierin
Die EU könne dabei als Pionierin gelten: „Es ist beachtlich, dass trotz des Widerstandes von großen Industrieunternehmen und Lobbygruppen sehr rasch und wirklich erfolgreich ein Preis auf CO2 in Europa eingeführt wurde“, betonte der Wirtschaftswissenschafter. In relativ kurzer Zeit wurde ein multinationales System aufgebaut, das etwa 11.000 Fabriken umfasst, die für rund 45 Prozent der CO2-Ausstoßes der EU verantwortlich sind. Dabei ging man jedoch auch Kompromisse ein, beispielsweise konnten anfangs die Länder jeweils Zertifikate vergeben, „da hat dann jedes Land sein eigenes Süppchen gekocht“, so Patnaik. Einige Firmen hätten den Handel mit CO2-Zertifikaten auch dazu benutzt, ihre Bilanzen aufzupolieren: „Vor allem multinationale Firmen, Energiefirmen und Finanzfirmen haben den Markt besser verstanden und dadurch profitiert“, erklärte er.
Kinderkrankheiten überstanden
In der jetzigen dritten Phase des EU-Programms seien diese „Kinderkrankheiten“ nun jedoch großteils überstanden. Bis sich die Zertifikate vom Preisverfall infolge der Wirtschaftskrise erholen würden, könne es jedoch noch einige Zeit dauern. Ein minimaler Preis für CO2-Zertifikate, wie er in Kalifornien eingeführt wurde, könnte der Unsicherheit über zukünftige Preisentwicklungen entgegenwirken, so Patnaik. Generell zeigte er in Forschungsprojekten auf, dass auf den CO2-Märkten rege gehandelt wird: „Die Märkte funktionieren also ganz gut.“
Allerdings benötige man für Emissionshandels-Systeme ein gut entwickeltes Verwaltungssystem – in Entwicklungsländern sei daher eine CO2-Steuer möglicherweise zielführender. Ein interessanter Testfall sei derzeit China: „Wenn die Einführung einer CO2-Regulierung funktioniert, dann wäre es ein großer Schritt für die Welt.“
Klimawandel als Risiken-Multiplikator
In der Wirtschaft sei würden die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen noch drastisch unterschätzt, warnte Patnaik. Druck käme derzeit auch vonseiten der InvestorInnen: Diese würden zunehmend Risikomanagement für den Klimawandel fordern.
Und Risiken gebe es dabei genügend – durch Hurrikans, Dürren, Überschwemmungen –, zerstörte Produktionsstandorte oder unterbrochene Transportwege, aber auch durch die Kosten der CO2-Regulierung, durch zunehmende Konflikte oder Kriege sowie durch große Migrationsbewegungen: Der Klimawandel sei gewissermaßen ein Risiken-Multiplikator. „Firmen müssen das Risikomanagement viel ernster nehmen, als sie das jetzt tun.“ Es gehe darum, aktiv nach Klimarisiken zu suchen und diese in die Unternehmensstrategie einzubauen. „Damit können Unternehmen einerseits aktiv Risiken reduzieren und andererseits neue Möglichkeiten finden, um zu profitieren“, erklärte der Wirtschaftswissenschafter.
Neben Risikomanagement sei die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen zentral, wie auch Univ.-Prof. Dr. Barbara Brenner, Leiterin des Departments für Wirtschafts- und Managementwissenschaften, in ihrer Einführung ausführte: „In allen Bereichen steigt die Komplexität – um zukunftsfähig zu sein und Veränderungen mit gestalten zu können, benötigen Unternehmen die Fähigkeit zur Veränderung, zur Anpassung.“
In der anschließenden regen Publikumsdiskussion wurde unter anderem hinterfragt, inwieweit Risikomanagement bei solch unabwägbaren Risken wie dem Klimawandel möglich sei. Eine Möglichkeit sei Scenario Planning, so Patnaik: „Ich weiß zwar nicht genau, wohin sich die Temperatur entwickeln wird, aber ich kann für verschiedene Szenarien Pläne entwickeln.“
Das Klimaziel von 1,5 Grad Erwärmung sei bereits nicht mehr zu erreichen, eine Stabilisierung auf rund 2,0 bis 3 Grad wahrscheinlich. „Vor diesem Hintergrund müssen wir auch Geo-Engineering diskutieren ¬– und dazu forschen“, forderte der Professor für Strategisches Management von der George Washington University.
Von Niedrigzins bis Klimawandel
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Faculty Talk der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung werden in Form von Kamingesprächen aktuelle Trends und Umbrüche in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik diskutiert. Bisherige Themen umfassten die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank sowie „Was entscheidet Wahlen? Themen versus Infotainment“ mit Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier und Politikjournalist Martin Thür, MSc.
Rückfragen
Mag. Dr. Heidemarie Weinhäupl
Tags