Papier gilt zwar bis heute als eines der beständigsten Speichermedien, dennoch ist dessen Haltbarkeit von zahlreichen Risiken wie Schimmel oder Tintenfraß bedroht. Als besondere Gefahr erweist sich die produktionsbedingte Übersäuerung des Papiers, die dieses splittrig werden lässt, so dass es mit der Zeit sprichwörtlich in der Hand zerfällt. Der Lösung dieses Problems widmete sich ein Forschungsprojekt der Donau-Universität Krems in Kooperation mit der Karl-Franzens-Universität Graz, in dem ein spezielles Verfahren entwickelt und zur Marktreife gebracht wurde, um das historische Schriftgut in Archiven und Bibliotheken einfach und effizient zu entsäuern und somit vor dessen Verfall zu bewahren.
Vor allem Schriftstücke, die in der Zeit zwischen 1800 und 1950 entstanden sind, weisen ein hohes Zerfallsrisiko auf, da das verwendete Papier im Laufe der Zeit einen hohen Säuregehalt entwickelt hat. Allein für Österreich schätzt man die betroffenen Dokumente auf einen Umfang von 500 Kilometer Archivregal; auf Europa hochgerechnet sind mindestens 15.000 Kilometer an Schriftstücken betroffen. Diese Zahlen veranschaulichen, dass dieses schlechte Papier europaweit Verbreitung gefunden hatte. Der Umstand, dass das Papier auch unter guten Lagerungsbedingungen heute weiter zerfällt und somit zahllose geschichtlich wertvolle Dokumente bedroht sind, verdeutlicht die Dringlichkeit des Problems, und die Notwendigkeit, dass Rettungsmaßnahmen effizient gestalten sein müssen, um große Mengen auf einfache Art und Weise behandeln zu können. Eine solche Methode der Entsäuerung wurde nun von der Donau-Universität Krems in Kooperation mit der Karl-Franzens-Universität Graz entwickelt. Im Mittelpunkt des Projektes "NanoKult" (Vorgängerprojekt DEACIMIC FFG-Projekt) steht ein Verfahren, bei dem mit Hilfe von Nanopartikeln Entsäuerungsprozesse vorgenommen werden, die sich als besonders schonend für die Kulturgüter erwiesen haben und bei dem durch die Erzeugung von alkalischen Reserven weitere Säuerungsprozesse verhindert werden. "Wie in der Medizin wird der Erfolg nicht nur über das Behandlungsergebnis definiert, sondern auch über die Vermeidung von Nebenwirkungen. Mit dem NanoKult-Verfahren können wir nun das Papier nachhaltig entsäuern, ohne dabei nachteilige Auswirkungen auf das Archivgut in Kauf nehmen zu müssen", so der Chemiker Ao. Univ.-Prof. Dr. Volker Ribitsch von der Karl-Franzens-Universität Graz.
Durch laufende Tests zur Marktreife
Um die Sicherheit für die behandelten Kulturgüter zu gewährleisten, wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Tests durchgeführt. Dabei wurde in einem ersten Schritt nicht auf Originale zurückgegriffen, sondern über einen Prozess der künstlichen Alterung Archivgut quasi im Labor erzeugt. "Die Prüfungen haben deutlich gezeigt, dass NanoKult nur positive und keine negativen Auswirkungen beispielsweise auf die Festigkeit des Papiers oder die Farbe der Schrift hat. Vielmehr lassen sich neben der Entsäuerung weitere positive Nebeneffekte hinsichtlich der Auswirkung z.B. auf Mikroorganismen beobachten", so Mag. dr hab. Patricia Engel vom European Research Centre for Book and Paper Conservation-Restoration an der Donau-Universität Krems. Das Verfahren, welches unlängst mit einem science2business Award in Wien ausgezeichnet wurde, ist nun soweit gediehen, dass in der in Graz befindlichen Anlage ca. 150 kg Bücher bzw. Archivgut gleichzeitig behandelt werden können. Der Entsäuerungsprozess an sich dauert nur 30 Minuten; nach einer Trockenzeit von drei Stunden können die Kulturgüter wieder abgeholt und in ihre jeweiligen Institutionen zurückgebracht werden. "Bibliotheken und Archive können sich jederzeit bei uns melden, wenn sie Interesse an diesem Verfahren haben", so Patrica Engel.
Weitere Projekte
Motiviert durch den Erfolg bei der Entwicklung von NanoKult will sich das Projektteam in Zukunft weiteren Gefahren widmen, denen Archivgut und Bücher ausgesetzt sind. Vor allem dem Problem Tintenfraß, bei dem eisenhaltige Tinte durch chemische Reaktionen das Papier angreift, möchte man in Zukunft verstärkte Aufmerksamkeit widmen. Damit soll ein weiteres Risiko für historische Dokumente und Zeugnisse kontrollierbar werden, damit das historische Erbe auch für zukünftige Generationen gesichert wird.
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