Politische, rechtliche und sozio-ökonomische Rahmenbedingungen sowie der Beitrag der Hochschulen für die Entwicklung des Donauraums standen im Mittelpunkt der Diskussionen bei der Donaukonferenz am 29. November. Organisiert vom Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) und der Donau-Universität Krems unter Patronanz der ARGE Donauländer sowie mit Unterstützung des Landes Niederösterreich beleuchtete die Konferenz die Rolle von Ownership und Leadership für die Lösung anstehender Herausforderungen in der europäischen Makroregion. Es komme angesichts guter Voraussetzungen nun darauf an, die Entwicklung in die Hände der Akteure im Donauraum zu legen, resümierte Prof. Mihai Răzvan Ungureanu in seiner Keynote. Schlusspunkt der Donaukonferenz bildete die diesjährige Verleihung des „Dr. Erhard Busek SEEMO 2018 Award for Better Understanding in South East Europe“.
Ownership und Verantwortung seien Schlüsselelemente für den Fortschritt des Donauraums, betonte Mag. Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau-Universität Krems in seiner Begrüßung. Im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung seien die Hochschulen aufgerufen, den zahlreichen Herausforderungen wie etwa ökonomischen Disparitäten zu begegnen, vor denen der Donauraum nach wie vor stehe. Länder und Akteure des Donauraums seien gefordert, ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen.
Dr. Simon Ortner, Leiter der Abteilung Internationale und Europäische Angelegenheiten im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, der im Namen von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner begrüßte, hob die Rolle der EU-Donauraumstrategie in der Unterstützung von Zusammenarbeit und Entwicklung der Donauregion hervor. Dabei sei vor allem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit relevant, wie sie vom Land Niederösterreich rege praktiziert werde, so Ortner, der in der Einrichtung des Danube Strategy Points der EU-Donauraumstrategie in Wien einen wichtigen Schritt für die Implementierung des Action Plans sieht.
Stabilität durch Kooperation
Laut Dr. Erhard Busek, dem Vorsitzenden des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), gehe es heute insbesondere mit Blick auf den Konflikt Russland-Ukraine um die Herstellung von Stabilität im Donauraum, und zwar durch Kooperation. Dafür seien mehr Engagement und das Einbringen von Wissen nötig. Der Donauraum einschließlich des Balkans stelle die Verbindung zur Mittelmeerregion sowie zu Asien her. Für die Entwicklung dieser wichtigen europäischen Makroregion habe EU-Kommissar Johannes Hahn, so Busek, maßgeblich mit der Realisierung der EU-Donauraumstrategie beigetragen.
Dr. Karl Ennsfellner, Geschäftsführer der IMC Fachhochschule Krems, Kooperationspartner der Konferenz, verwies auf die vielen IMC-Kooperationen im Donauraum und betonte die Verantwortung der Hochschulen, Menschen aus vielen Nationen zusammen zu bringen.
Zukunft selbst bestimmen
In seiner Keynote-Speech zeichnete Univ.-Prof. Mihai Răzvan Ungureanu die Entwicklung des Donauraums anhand der wechselnden Bedeutungen der Donau nach. Der Fluss, der weltweit die meisten Länder durchfließe, sei sowohl Grenzfluss als auch ein verbindendes Element. Seit Alexander dem Großen spiele die Donau und damit der Donauraum als Verbindung Richtung Orient eine wichtige Rolle für Wirtschaft, Handel, Politik und Kultur. Auch beim Stabilitätsakt für Südosteuropa, für dessen Umsetzung Ungureanu, früherer Ministerpräsident und Außenminister von Rumänien in leitender Funktion verantwortlich zeichnete, sei der Fluss im Zentrum der Maßnahmen gestanden. Heute sei es vor dem Hintergrund der Europäischen Integration wichtig, die enge Nachbarschaft der Länder des Donauraums zu nützen. Für den Donauraum sei eine multinationale pragmatische Strategie und ein übergreifender politischer Konsens wichtig. Mit der Donauraumstrategie der EU, mit den Investitionen in Verkehr, Umwelt, Kultur, könne Prosperität aufgebaut werden. In Anspielung auf das lateinische Zitat „Hic Rhodus, hic salta“ komme es nun im Sinne des Ownership darauf an, selbst die Verantwortung für die Zukunft im Donauraum zu übernehmen. Die Voraussetzungen seien da, sie müssten nur genützt werden, Leadership werde dann folgen.
Zentrale Themen Rechtsstaatlichkeit und Identität
Die Teilnehmer der ersten Podiumsdiskussion waren Univ.-Prof. Tomislav Borić vom Institut für Unternehmensrecht und Internationales Wirtschaftsrecht der Universität Graz, Mag. Michael Girardi, Leiter der Abteilung VIII.1 Grundsatzangelegenheiten Integration des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres, Goran Svilanović, LL.M, ehemaliger Außenminister Jugoslawiens und Generalsekretär des Kooperationsrats für Südosteuropa sowie Mihai Ungureanu. Die Diskussion leitete Mag. Michael Laczynski vom Außenpolitikressort der Tageszeitung „Die Presse“.
Gleich in seinem Eingangsstatement verwies Borić auf die Bedeutung von rechtsstaatlichen Prinzipien für ein Land, besonders wenn dieses zuvor kommunistisch geprägt war. Bedingt durch das Primat der Politik über das Recht habe es im Kommunismus keine Kultur der politischen oder wirtschaftlichen Mitwirkung des Individuums gegeben. Girardi ging auf die Identität der österreichischen Gesellschaft und die Herausforderungen durch die Migration ein, wobei er den „Nationalen Aktionsplan Integration“ der Regierung umriss. Auch bei Svilanović war Identität ein wichtiges Thema, das er mit aktuellen Zahlen des Balkan-Barometers unterfütterte. Bei diesen jährlichen Befragungen werden unter anderem die Zufriedenheit der Bevölkerung, ihre Zukunftserwartungen und ihre Einstellung zur EU erhoben. Daraus gehe hervor, dass eine europäische Identität am Balkan erst schwach ausgeprägt sei. Dass die Jugend die Grundfreiheiten der EU unreflektiert als „gottgegeben“ ansehe, sieht Ungureanu als Gefahr. Vier Schichten der Identität machte er aus: Kulturelle Identität, vermittelt durch Familie, Schulen, Sprache und Geschichte, die politische Identität, Verbundenheit zum Staat und der EU, die sozial-pragmatische Identität, die sich nach dem persönlichen Vorteil richtet, sowie die psychologische Identität, wo auch der Druck durch die Gemeinschaft eine Rolle spiele.
Problem Brain Drain
Im zweiten Panel, das von Adelheid Wölfl, Südosteuropa-Korrespondentin der Tageszeitung „Der Standard“, moderiert wurde, ging es vorwiegend um den Beitrag der Universitäten angesichts aktueller Herausforderungen. Attila Pausits, Assistenzprofessor und Zentrumsleiter am Department für Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement an der Donau-Universität Krems, verwies auf die steigende Bedeutung des Wissenstransfers und der gezielten Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse für aktuelle Herausforderungen des Donauraums. Diesbezüglich ließen sich internationale Trends beobachten, wonach Regierungen auch Universitäten in die Verantwortung nehmen und als beratende Instanz einbeziehen würden. Milica Pavkov Hrvojević, Vize-Dekanin der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Novi Sad, verwies ebenfalls auf den erforderlichen Beitrag von Hochschulbildung und Universitäten zur Lösung von aktuellen Problemen im Donauraum, wie beispielsweise die Entwicklung eines Frühwarnsystems bei Überschwemmungen. Als ernsthaftes Problem der Region bezeichnete sie Brain Drain und betonte die Notwendigkeit, dauerhaft bessere Lebensbedingungen zu schaffen.
Zusammenarbeit erforderlich
In die gleiche Kerbe schlug auch Bernhard Wolfslehner, Leiter des Regionalbüros des Europäischen Forstinstituts für Zentral-Osteuropa (EFICEEC), der wiederum im Ausbau der Privatwirtschaft sowie im unternehmerischen Denken Lösungspotenzial sah. Jaroslava Szüdi vom slowakischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Sport, stellte die vielfältigen Tätigkeiten auf slowakischer Seite im Rahmen der Priority Area (PA) 7 der EU-Strategie für den Donauraum vor. Die wirtschaftliche Prosperität der Donauregion zu fördern und die Digitalisierung voranzubringen, gehöre zu den zentralen Zielen.
In der gemeinsamen Diskussion stimmten alle PanelistInnen darin überein, dass grenzüberschreitende Kooperationen für die Weiterentwicklung der Region wesentlich sind. Allerdings erweisen sich unzureichende Förderungsmöglichkeiten auf universitärer Seite als Problem. Ein Lösungspotenzial scheint dagegen in der verstärkten Einbindung des privaten Sektors und in weiterer Folge in der Anziehung internationaler Investoren zu liegen. In diesem Zusammenhang machte jedoch Szüdi auf unzureichende Sprachkenntnisse in der Slowakei aufmerksam, worauf es bildungspolitisch zu reagieren gilt. Die Konferenz insgesamt verdeutlichte die Notwendigkeit der Zusammenarbeit des politischen, wirtschaftlichen, sozialen sowie zivilgesellschaftlichen Bereichs.
Preis für publizistische Leistungen
Erstmals im Rahmen der Donau-Konferenz wurde der seit 2002 bestehende „Dr. Erhard Busek SEEMO 2018 Award for Better Understanding in South East Europe“ an Remzi Lanj, den Gründer und Direktor des Albanian Media Institute verliehen. Der von Erhard Busek gesponserte Preis richtet sich an JournalistInnen, VerlegerInnen und die Medienbranche, die einen publizistischen Beitrag für bessere Verständigung und die Beendigung von Rassismus und ethnischer Diskriminierung geleistet haben.
Die Tagesmoderation gestaltete Mag. Georg Krauchenberg, IDM. Ermöglicht wurde die Donaukonferenz durch die Unterstützung des Landes Niederösterreich. Die Universität für Bodenkultur fungierte als weiterer Ko-Organisator der Konferenz.
Rückfragen
Mag.Dr. Silvia Nadjivan
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