Im Auftrag der WHO erstellte ein Team des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation, Leitung Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner, MPH, einen Rapid Review zur Frage, ob Quarantänemaßnahmen – alleine oder in Kombination mit anderen Public-Health-Maßnahmen – bei der Eindämmung des neuen Coronavirus helfen.
Häusliche Quarantäne wird in vielen Ländern, darunter auch Österreich, für all jene vorgeschrieben, die engen Kontakt mit einer infizierten Person hatten oder die aus Risikogebieten einreisen. Quarantäne kann aber auch ganze Städte oder Regionen umfassen, beispielsweise wie seit Februar in Norditalien. Der aktuelle Rapid Review suchte nach Evidenz für die Wirksamkeit solcher Quarantäne-Maßnahmen, die darauf abzielen, den Ausbruch zu kontrollieren.
Mehr als 2000 Studien wurden gesichtet, von denen schlussendlich 29 als relevant eingestuft und für den Review ausgewertet wurden. Zehn davon befassten sich direkt mit COVID-19, die anderen Studien lieferten indirekte Evidenz zu SARS und MERS – Krankheiten, die von nahe verwandten Coronaviren ausgelöst werden.
Quarantäne als notwendige Maßnahme
Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass Quarantäne eine wichtige Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus-Ausbruchs ist – die Anzahl an Neuinfektionen und Todesfällen kann merklich reduziert werden. Ergebnisse zeigen, dass Quarantäne effektiver war und weniger kostete, je früher sie startete. Alleinige Quarantäne von Personen, die Kontakt mit Infizierten hatten, würde aber wahrscheinlich nicht ausreichen, um den Ausbruch von COVID-19 einzudämmen. Die Kombination mit anderen Maßnahmen wie Soziale Distanzierung oder Schulschließungen zeigte größere Effekte als Quarantäne alleine. Bei der individuellen Quarantäne für Rückkehrende aus Risikogebieten fand der Review vergleichsweise geringe Effekte.
Relevanz der Ausgangsdaten
Die Evidenzbasis für diese Schussfolgerungen ist keinesfalls unumstößlich: Alle zehn Studien, die sich direkt auf COVID-19 beziehen, sind mathematische Modellierungen des Pandemieverlaufs. Solche Modelle basieren auf Annahmen beispielsweise zu Übertragungsraten, Inkubationszeiten oder Krankheitsverläufen. Diese Annahmen beruhen auf dem aktuellen Wissensstand über SARS-CoV-2, beziehungsweise COVID-19, der laufend erweitert wird. Darum sind die Annahmen mit einem hohen Maß von Unsicherheit verbunden.
Konsistente Daten und weitere Beobachtung
„Da es noch keine Beobachtungsstudien zu Quarantäne bei COVID-19 gab, mussten wir auf mathematische Modellierungen und indirekte Evidenz von SARS- und MERS-Ausbrüchen zurückgreifen“, erklärt die Erstautorin Dr. Barbara Nußbaumer-Streit, MSc BSc. „Trotz dieser Unsicherheit sind die Ergebnisse aller Studien in unserem Review konsistent und weisen auf einen günstigen Effekt von Quarantäne-Maßnahmen hin. Jetzt ist es entscheidend, die Krankheitsdynamik von COVID-19 so schnell wie möglich genauer zu erforschen, um Modellrechnungen zu aktualisieren und die Auswirkungen von Maßnahmen besser abschätzen zu können. Langfristig braucht es gut durchgeführte Beobachtungsstudien, die die Wirksamkeit von Quarantäne und anderen Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 bewerten“, betont Nußbaumer-Streit.
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