Eine hochkarätig besetzte ExpertInnenrunde diskutierte am 16. November an der Donau-Universität Krems Herausforderungen und Ansätze der Umsetzung der EU-Donauraumstrategie (EUSDR) auf regionaler und lokaler Ebene. Die vom Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) sowie von der Donau-Universität Krems, unter Patronanz der ARGE Donauländer und mit Unterstützung des Landes Niederösterreich organisierte Tagung stellte die Ziele der Strategie aktuellen Entwicklungen in Europa gegenüber und präsentierte Umsetzungskonzepte.
"In Vielfalt geeint", an dieses Motto Europas erinnerte Mag. Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau-Universität Krems und Präsident der Donaurektorenkonferenz (DRC), bei seiner Begrüßung der heuer sechsten EUSDR-Konferenz. Der Mehrwert der Diversität von Kulturen und Ansätzen, so Faulhammer, werde erst in der Zusammenarbeit spürbar. Der Donauraum mit seinen vielen Kulturen sei dabei ein geeigneter Ort und Möglichkeitsraum, die Idee Europas zu verwirklichen. Die Universitäten, so Faulhammer, leisten in der Umsetzung der EU-Donauraumstrategie gerne proaktiv ihren Beitrag.
Dr. Erhard Busek, Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM), plädierte dafür, nicht nur Vorschläge zu machen und diese ständig zu wiederholen, sondern sich tatsächlich auch die Wirkung von politischem Handeln anzuschauen. "The river is uniting: Es geht darum, zukünftig ein größeres gegenseitiges Verständnis voneinander zu etablieren", so Busek.
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Neben Fakten auch Werte für Politikentscheidung wichtig
Charlina Vitcheva, MA, Stellvertretende Generaldirektorin der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC), Brüssel, forderte angesichts aktueller Herausforderungen bei der Umsetzung von EUSDR-Zielen, zukünftig multidisziplinär zu forschen, und zwar entgegen der derzeit voranschreitenden Spezialisierung. Für politische Entscheidungen seien nicht mehr nur Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse relevant, sondern zunehmend auch Werte und Emotionen, so Vitcheva.
Aktualisierung der Agenda gefordert
Herausforderungen und Lösungsansätze in der Realisierung der EU-Donauraumstrategie beherrschten die Diskussion im ersten Panel. Mag. Konstantin Bekos, Regionalmanager der Außenwirtschaft Austria der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), lenkte das Augenmerk auf die wichtige Koordinierung regionalpolitischer Instrumente. So habe die WKO die Internationalisierung des dualen Ausbildungssystems vor allem in Südosteuropa vorangetrieben. Mag. Roland Hanak, MAS, vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Leiter der Stabstelle für Bilaterale arbeitsmarktpolitische Zusammenarbeit und Koordinator der Priority Area 9 der Donauraumstrategie, betonte die Notwendigkeit, die Themenschwerpunkte der EUSDR-Strategie noch einmal zu überarbeiten, Themen wie Landwirtschaft und Migration seien nicht auf der Agenda.
Regionale Zusammenarbeit als dritter Weg
Prof. Dr. Franz-Lothar Altmann, assoziierter Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Bukarest und Vorstandsmitglied der Südosteuropa-Gesellschaft (SOG) in München, leitete mit seiner Keynote das zweite Panel zu den aktuell erforderlichen Konzepten und Planungshorizonten ein. Altmann thematisierte dabei die nötige Überwindung des derzeit vorherrschenden Unbehagens in Europa. Drei Lösungsansätze seien dabei laut Altmann möglich: erstens den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk dies fordert, wobei dies nicht praktikabel erscheine, zweitens große Reformen in allen Bereichen zu setzen, wie der französische Staatspräsident Emanuel Macron dies vorschlage, was laut Altmann noch unrealistischer sei, oder drittens, auf verstärkte regionale, grenzüberschreitende und themenbezogene Zusammenarbeit, wie mit der EUSDR zu setzen. So könne das Gefühl der Sinnhaftigkeit bei den Bürgern erzeugt werden; eine Stärkung der EU aus den unteren Ebenen wäre möglich.
Univ.-Prof. Dr. Mathias Czaika, Professor für Migration und Integration an der Donau-Universität Krems, beleuchtete in seinem Vortrag die Migrationsprozesse im Donauraum und verwies auf die Herausforderung an die Politik und damit die Donauraumstrategie, dass Osteuropa als einzige Großregion auf der Welt Bevölkerung verloren habe. Dr. Gorazd Justinek, Geschäftsführer am Centre for European Perspective (CEP) in Ljubljana, verwies auf den Umstand, dass viele Benefizien der EU-Mitgliedschaft wie Reisefreiheit und preislich günstige Telekommunikation unter der Bevölkerung als selbstverständlich wahrgenommen werden, was allerdings von gegenwärtigen Problemen wie steigende Terrorgefahr, divergierende nationale Migrationspolitiken bis hin zum EU-Ausstieg des Vereinigten Königreiches herausgefordert werde. Er appellierte, entschieden für ein gemeinsames Europa einzustehen.
Als eine Möglichkeit, das Bewusstsein für ein gemeinsames kulturelles Erbe und folglich für ein gemeinsames Europa zu stärken, präsentierte die Referentin für Europäische und internationale Kulturpolitik im Bundeskanzleramt (BKA), Mag. Elisabeth Pacher, das vom BKA geleitete, laufende Interreg-Projekt "Kulturplattform Donauraum". In Kooperation mit weiteren acht Partnerländern geht es darum, verborgenes Kulturerbe sichtbar zu machen, neue Tourismusrouten zu generieren und schließlich ein kulturpolitisches Netzwerk innerhalb der 14 EUSDR-Länder zu schaffen.
Stärkung der europäischen Idee
Aktuelle Entwicklungen in Europa und weltweit stellen die EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR) und auch die EU selbst vor zahlreiche Herausforderungen. Neben Migration, Überschuldung, wachsenden Rechtspopulismen und -extremismen sowie den ökologischen Herausforderungen treffen für den Donauraum die nach wie vor bestehenden ökonomischen Ungleichgewichte innerhalb Europas besonders zu. Um gegen die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angesprochene Poly-Krise anzukommen, braucht es gebündeltes Vorgehen nicht nur auf vielen sektoralen Feldern – von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur bis zur Bildung – , sondern auch durch unterschiedliche zivilgesellschaftliche, wirtschaftliche und behördliche Akteure auf lokaler, regionaler, nationaler und globaler Ebene.
Vor dem Hintergrund zahlreicher krisenhafter Entwicklungen in Europa fragte die sechste Donauraumkonferenz nach den notwendigen Voraussetzungen zur Stärkung der europäischen Idee im Donauraum und davon ausgehend in ganz Europa. Weiters auf der Agenda stand die Frage nach den erforderlichen kooperativen Maßnahmen, Initiativen und Netzwerken zur Schaffung neuer Perspektiven für den Donauraum als Musterbeispiel für ein gemeinsames Europa.
Die Tagesmoderation übernahm Dr. Simon Ortner, Generalsekretariat ARGE Donauländer, der in Vertretung von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner die TagungsbesucherInnen begrüßte. Als Moderator des ersten Panels konnte Mag. Wieland Schneider, Redakteur für den Bereich Ausland bei „Die Presse“ gewonnen werden. Das zweite Panel wurde von Frau Mag. Adelheid Wölfl, Korrespondentin für Südosteuropa für die Tageszeitung „Der Standard“ moderiert.
Über die EUSDR
Im Dezember 2010 von der Europäischen Kommission und im April 2011 vom Europäischen Rat angenommen, dient die EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR) der Abstimmung gemeinsamer, in Priority Areas gebündelte Themen der 14 Teilnehmerstaaten, dazu zählen unter anderem Umweltschutz sowie die Stärkung des Raums durch Nutzung gemeinsamer Wachstumspotenziale.
Rückfragen
- s.nadjivan@idm.at
- (+43 1) 319 72 58-24
- Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM)