25.10.2017

Unter dem Titel "Current and Future Societal Challenges: Understanding Complexity" fand am 23. Oktober 2017 die Auftaktveranstaltung der neuen Research Summit Series der Donau-Universität Krems statt. Ziel dieser Veranstaltungsserie ist es, den interdisziplinären Austausch von Top-ForscherInnen zu aktuellen Themen anzuregen und gleichzeitig in einen Dialog mit der Öffentlichkeit zu treten. Univ.-Prof. Francine Grodstein von der Harvard School of Public Health und Dr. David Garcia vom Complexity Science Hub Vienna verwiesen auf die Chancen durch Big Data, aber auch auf die Gefahren von Fehlkausalitäten.

Im Zentrum des Vortrags von Francine Grodstein stand die Frage, inwieweit Optimismus die Gesundheit von Menschen beeinflusst. Die Forschungsleiterin und Direktorin der Langzeit-Kohortenstudie "Nurses' Health Study" zeigte anhand zahlreicher empirischer Studien auf, dass optimistische Menschen im Durchschnitt gesünder sind und länger leben. Gleichzeitig problematisierte die Forscherin diese Kausalität: Führt Optimismus wirklich zu mehr Gesundheit? Ist es nicht vielmehr die Gesundheit, die uns eine optimistische Lebensführung ermöglicht? Denkbar sei auch ein dritter Faktor, beispielsweise eine genetische Disposition, durch den eine Scheinkausalität entstehe. Diese Zusammenhänge gelte es kritisch zu untersuchen, so die Forscherin an der Harvard School of Public Health. Die Messung ebenso wie die Erforschung dieser Zusammenhänge sei jedoch von hoher Komplexität

 

Daten aus Sozialen Medien

Ein vielversprechendes Feld, das jedoch noch "in den Kinderschuhen stecke", sei auch die Einbeziehung von Daten aus Sozialen Medien wie Facebook und Twitter, um das Verhalten von Menschen und ihre Einstellungen zu messen. Erste Ergebnisse zeigen beispielsweise, sagte Francine Grodstein, dass Menschen, die sich auf Twitter positiver äußerten, eine geringere Wahrscheinlichkeit für Herzerkrankungen hätten

Die digitalen Spuren von Emotionen in den Sozialen Medien stellten auch das Thema des Vortrages von Dr. David Gracia vom Complexity Science Hub Vienna sowie der Medizinischen Universität Wien dar. David Garcia sah in der Anwendung von Computational Social Science, mit der sozialwissenschaftliche Theorien mithilfe von digitalen Daten quantitativ überprüft werden können, eine große Chance zum Verständnis von komplexen Phänomen. Gerade soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter würden Daten für Lang- und Echtzeit-Analysen liefern und auch geografische oder andere Referenzierungen zulassen.

Dadurch könne man beispielsweise positive Äußerungen bzw. Einstellungen auch über die Tages- und Jahreszeiten hinweg beobachten, was bei anderen sozialwissenschaftlichen Methoden schwierig oder gar unmöglich ist. Die Wirkmächtigkeit dieser Methode zeigte David Garcia am Beispiel eines Forschungsprojektes zu kollektiven Emotionen nach den Pariser Terroranschlägen von 2015. Gleichzeitig wies er jedoch auch auf die Schwächen und blinden Flecken der Computational Social Science hin, denen man durch einen Mix an Methoden und Datenquellen nur teilweise begegnen können.

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Komplexität aus verschiedenen Blickwinkeln

In der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Univ.-Prof. Dr. Gerald Steiner, dem Dekan der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung der Donau-Universität Krems, moderiert wurde, wurde das Thema Komplexität nochmals aus den Blickwinkeln der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen heraus betrachtet.

Univ.-Prof. Dr. Eva Scherenhammer, Professorin für Epidemiologie an der Medizinischen Universität Wien, sieht aktuell einen Wendepunkt in der Wissenschaft erreicht, da es durch die Menge an zur Verfügung stehenden Daten neue methodische Wege und eine intensivere Zusammenarbeit brauche.

Univ.-Prof. Dr. Mathias Czaika, der Leiter des Departments für Migration und Globalisierung an der Donau-Universität Krems, führte insbesondere Migration als Paradebeispiel für ein komplexes und multidimensionales Phänomen an. Um dieses analytisch bewältigen zu können, seien Spezialisierungen und Subdisziplinen – beispielsweise zu Migration und Umwelt – entstanden. Nun sei es jedoch an der Zeit, diese vermehrt wieder zusammenzuführen, um die Interaktion der einzelnen Bereiche besser zu verstehen.

 

Ende der Vereinfachungstendenzen

Auch Univ.-Prof. Dr. Viktoria Weber, Vizerektorin der Donau-Universität Krems und Professorin für Angewandte Biochemie, prognostizierte angesichts der Fülle an vorhandenen Daten das Ende der Vereinfachungstendenzen in der Wissenschaft. Es sei ein Level erreicht, auf dem viele der etablierten Methoden alleine nicht mehr funktionieren. Viktoria Weber sieht daher, wie die anderen DiskutantInnen, die Zusammenarbeit in inter- und transdisziplinären Kontexten in Verbindung mit Grundlagen- und Anwendungsforschung als besonders zentral an.

Wesentlich für eine derartige Zusammenarbeit seien auch Veranstaltungsreihen wie die Research Summit Series der Donau-Universität Krems, betonte die Vizerektorin auch anlässlich der Eröffnung. Die neu gegründete Forschungsreihe versteht sich einerseits als Plattform des Austausches von qualitativ hochwertigen und innovativen Forschungsansätzen, anderseits als ein Dialogangebot an die Öffentlichkeit, um über aktuelle und relevante gesellschaftliche Themen zu diskutieren.

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