28.02.2025

Die Universität für Weiterbildung Krems koordiniert seit über fünf Jahren in der von Erdbeben zerstörten Stadt Accumoli eine Wiederaufbauschule. Auf Initiative des von der italienischen Regierung bestellten Kommissars für das Erdbeben 2016 Guido Castelli und dem österreichischen Botschafter in Rom Dr. Martin Eichtinger wurden am 26. Februar am Sitz der italienischen Premierministerin (Palazzo Chigi) in Rom von Univ.-Prof. Dr. Christian Hanus, wissenschaftlicher Leiter des Research Lab für Nachhaltiges Baukulturelles Erbe der Universität für Weiterbildung Krems, die Projekte der Wiederaufbauschule vorgestellt. Der gesamtheitliche Ansatz für den Wiederaufbau, die Rekonstruktion der baulichen Strukturen mitsamt der ökonomischen, sozialen und kulturellen Wiederbelebung wurde dabei von Wiederaufbaukommissar Castelli als wesentlicher Beitrag der Wiedergeburt des Ortes hervorgehoben. Die erarbeiteten Konzepte und Lösungen bilden eine gute Grundlage für den nun erhofften beschleunigten Aufbau des komplett zerstörten historischen Ortes.

Seit seiner Zerstörung durch eine Erdbebenserie von 2016 bis 2017 steht der mittelitalienische Ort Accumoli im Fokus des Teams rund um Univ.-Prof. Dipl. Arch. ETH Dr. Christian Hanus. Nach dem gesamtheitlichen Ansatz, den Ort gemeinsam mit der Bevölkerung und unter Beteiligung von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen und Fachgebieten in seiner Struktur so zu rekonstruieren, wie er vor der Zerstörung gewesen ist, hat das Lab zahlreiche Projekte ins Leben gerufen, die den Wiederaufbau vorbereiten. Im Mittelpunkt steht die Wiederaufbauschule Accumoli. Dort befassen sich neben der Universität Krems eine Reihe von Universitäten und Forschungsinstitutionen in ihren Lehr- und Forschungstätigkeiten mit Fragestellungen des gesamtheitlichen Wiederaufbaus. Für die Entwicklung von Lehrmethoden und didaktischen Instrumenten zur Bewältigung der komplexen Aufgabe des Wiederaufbaus zerstörter historischer Zentren koordinierte das Research Lab das EU-geförderte Erasmus+ Projekt „Complex Participatory Reconstruction of Urban Structures“. Weitere Projekte, wie die internationale Orchesterakademie „Accademia Vicino di Accumoli“ oder die Projekte „Accumoli 2030“ oder „Accumoli e le sue Radici“, haben das kulturelle Erbe der Gemeinde und der Region belebt und ihr immaterielles Erbe dokumentiert.

Grundlagen für beschleunigten Wiederaufbau geschaffen

Mit Unterstützung des österreichischen Botschafters in Rom, Dr. Martin Eichtinger, ist es nun gelungen, Accumoli als Referenzprojekt im Rahmen der Wiederaufbauinitiative der italienischen Regierung zu verankern. Der für den Wiederaufbau ernannte Kommissar, Senator Guido Castelli, bezeichnete die Initiative der Universität für Weiterbildung Krems als wesentlichen Beitrag zur Wiedergeburt von Accumoli. Der Fall Accumoli sei, so Castelli, eines der wichtigsten und bedeutendsten Beispiele für Projekt Laboratorio Appennino Centrale als innovatives Modell für die Wiederbelebung von Binnengebieten. Castelli appellierte, den mittels Sonderverordnung vorgesehenen einheitlichen Wiederaufbau des historischen Zentrums von Accumoli nun voranzutreiben.

Der Botschafter der Republik Österreich in Italien, Dr. Martin Eichtinger bezeichnete die Wiederaufbauprojekte in Accumoli als konkretes Beispiel für europäische Zusammenarbeit im Geiste der Solidarität. Sie seien ein Beweis dafür, wie man durch einen ständigen Dialog zwischen den Institutionen und der Einbeziehung der lokalen Gemeinschaften eine hoffnungsvolle Zukunft fördern könne. 

Der Leiter des Research Lab, Christian Hanus verwies bei seiner Präsentation auf die Komplexität des Wiederaufbaus zerstörter historischer Zentren. Sie stellten eine ganz besondere Herausforderung dar, die von verschiedenen Disziplinen koordiniert werden müssten. Der Fokus liege nicht nur auf dem Wiederaufbau von Gebäudestrukturen, sondern auch auf der Wiederbelebung des sozialen und kulturellen Lebens sowie der wirtschaftlichen Strukturen. Hanus dankte den beteiligten lokalen, regionalen und nationalen Behörden für die Zusammenarbeit sowie Botschafter Eichtinger und Kommissar Castelli für die Unterstützung. Seinen Dank richtete er auch an der Präsentation weiters anwesende, für den Wiederaufbau zuständige Rätin der Region Latium, Manuela Rinaldi und an den Bürgermeister von Accumoli, Mauro Tolomei.

Am Tag vor der Präsentation in Rom wurde das Projekt „Complex Participatory Reconstruction of Urban Structures“ in Accumoli mit einer Tagung unter Teilnahme von Wiederaufbaukommissar Castelli und Botschafter Eichtinger abgeschlossen. Beide konnten sich vor Ort ein Bild von den Aktivitäten der Wiederaufbauschule Accumoli und der aktuellen Situation machen. Nebst der Präsentation und Demonstration der entwickelten Methoden und Instrumente für den Partizipativen Wiederaufbau erfolgte auch erstmals die Vorführung des im Rahmen des Projekts „heritage ROSS“ entwickelten Multisensor-Roboterplattform für die Dokumentation und Überwachung kulturellen Erbes vor Ort. Botschafter Eichtinger begrüßte die internationale Zusammenarbeit der „besten und willigsten Köpfe“ zur Linderung des erlittenen Leidens und zur Ergreifung von Maßnahmen für den Fall zukünftiger Katastrophen.

 

Scuola di Ricostruzione fördert ganzheitlichen Wiederaufbau

Die Universität für Weiterbildung Krems leitet und koordiniert die Aktivitäten der Projektpartner aus Italien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn in der „Scuola di Ricostruzione“ (Schule für Wiederaufbau), die in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, den lokalen Planern und der betroffenen Bevölkerung betrieben wird. Die Stadt Accumoli hat den Partnerinstitutionen dafür ein neu errichtetes Mehrzweckgebäude auf einer Anhöhe oberhalb des zerstörten Ortskerns zur Verfügung gestellt. Ziel dieser interdisziplinären Zusammenarbeit ist es, langfristige Lehr- und Forschungsprojekte zu entwickeln und umzusetzen, die sich neben der bebensicheren Rekonstruktion der historischen Gebäude auch auf die nachhaltige Wiederbelebung der ökonomischen, sozialen, kulturellen und religiösen Strukturen konzentrieren. Zuletzt unterzeichneten die Gemeinde Accumoli und die Universität Krems im August 2024 eine Kooperationsvereinbarung, die den regelmäßigen Erfahrungs- und Wissensaustausch, die Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung von Projekten zum ganzheitlichen Wiederaufbau der erdbebengeschädigten Gebiete einschließlich ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen sowie die Weitergabe des erworbenen Wissens an die am Wiederaufbau Beteiligten vorsieht.

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