Im Rahmen der Übergabe des umfangreichen Archivs und der Bibliothek des Gründungsdirektors des UNESCO-Welterbezentrums und des späteren UNESCO Assistant Director-General, Prof. Dr. Bernd von Droste zu Hülshoff, fand am 10. September 2024 an der Universität für Weiterbildung Krems (UWK) ein Symposium statt, zu dem Experten und Expertinnen wie auch seine früheren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Referaten beitrugen. Gemäß den Arbeitsfeldern und Themen, die der promovierte Forstmann Bernd von Droste in seiner Jahrzehnte-langen Arbeit an Universitäten und bei der UNESCO initiierte und maßgeblich mitbestimmte, erstreckten sich die Beiträge gleichermaßen auf das Natur-, wie auch Kulturerbe, wobei besonderes Augenmerk auf Kultur-Natur verbindende Aspekte gelegt wurde: Gewissermaßen als best-practise-Beispiel für die Wichtigkeit einer harmonischen Natur-Kulturbeziehung diente die Umgebung des Tagungsortes im Campus Krems, der ja selbst inmitten der Welterbestätte Kulturlandschaft Wachau liegt.
Nach der Eröffnung des Symposiums durch den Dekan der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur an der UWK, Univ.-Prof. Dr. Stefan Oppl, bot Dr. Natarajan Ishwaran (früherer Leiter der Naturerbe-Abteilung im UNESCO-Welterbezentrum, danach Direktor bei der UNESCO für ökologische Wissenschaften) mit UNESCO Sites and Climate Change einen Überblick, wie der Klimawandel Kultur- und Natur-Stätten beeinflusst, die unter dem Schutz der UNESCO stehen (z.B. als Welterbe oder als Biosphärenparks). Die enge Verzahnung zwischen Klima(wandel) und Schutz des Kulturguts demonstrierte er am Beispiel des UNESCO Welterbes von Angkor Wat in Kambodscha, Die weltbekannten Tempel verdanken ihre Stabilität einer Sandschicht, die durch das Grundwasser gesättigt wird und somit tragfähig bleibt. Die Änderung des Wasserhaushaltes hätte Auswirkungen auf den Zusammenhalt dieses Kulturerbes. Aber auch traditionelle Landwirtschaftstechniken, die zum Naturerbe zählen, unterliegen durch geänderte Temperatur-, Wind- und Niederschlagsbedingungen einem Wandel.
Mag. Peter A. Rumpolt (Wien) skizierte einen Überblick über den Einfluss der Alpenkonvention auf den Schutz des Alpengebietes (Großschutzgebiet(e im) Alpenraum – UNESCO-Biosphärenparks und die Alpenkonvention). Das internationale Abkommen setzt Schutzstandards, indem es Rahmenbedingungen vorgibt, die auf nationaler Ebene umzusetzen und auszugestalten sind. Er demonstrierte, dass im Alpenraum eine hohe Dichte von Schutzgebieten unterschiedlicher Strukturen ist. Die Koordination dieser (Groß)Schutzgebiete, die auf Akteure wie UNESCO, EU, Europarat, IUCN, Bund und Länder zurückgehen und unterschiedlichen Ziele dienen, bleibt herausfordernd.
Mit Der Ötscher als Magnet: Naturschutz und Tourismus im Naturpark vermittelte DI Florian Schublach (Geschäftsführer Naturpark Ötscher-Tormäuer) die „4-Säulen-Philosophie: Schutz, Bildung, Regionalentwicklung, Erholung“ für den Naturpark Ötscher-Tormäuer. Zudem wird eine ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt, die den Schutz der Natur, Bildung für ökologische Zusammenhänge, die Stärkung der lokalen Wirtschaft und eine naturverträgliche Erholung umfasst. Damit soll sichergestellt werden, dass diese fragile alpine Kulturlandschaft nicht zum Opfer ihres eigenen Erfolges (im Sinne hoher Besucherzahlen) wird, sondern nicht nur Generationen von Einheimischen, sondern auch den Besucher_innen auf nachhaltiger Grundlage erhalten bleibt.
Univ.-Prof. Dr. Hans-Peter Lang referierte über die Entstehung des Wildnisgebietes Dürrenstein-Lassingtal. Dieses für den Alpenraum einzigartige Wildnisgebiet (UICN-Kategorie 1) mit dem 400 ha großen Rothwald ist seit 2017 UNESCO-Weltnaturerbe. Dieses Schutzgebiet stellt das Beispiel von Generationen-übergreifenden Pflegebemühungen dar, wo die Natur – ohne menschlichen Eingriff – sich seit über hundert Jahren ungehindert entfalten kann. Sein Beitrag demonstrierte aber auch, dass es zur Durchsetzung des Naturschutzes Persönlichkeiten bedarf, die überzeugende Alternativmodelle zu forstlichen Betriebskostenrechnungen zur passenden Zeit entwickeln und vermitteln können.
Herman van Hooff (früher UNESCO Welterbezentrum und Direktor a.D. UNESCO-Büro Havanna) präsentierte einen wichtigen Pfeiler des Welterbe-Programms (Monitoring and reporting mechanism under the World Heritage Convention). Er zeichnete nach, wie mit dem Anwachsen der Welterbeliste die begleitende Kontrolle des Erhaltungszustandes der Welterbestätten eine immer größere Bedeutung einnimmt, wobei unterschiedliche Zugänge zu Schutzinstrumenten auf Grund kultureller Diversität zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig verdeutlichte er, dass eine Reihe von Monitoring- und Berichtspraktiken im Naturschutz-Management ihren Ursprung hatte und beim Denkmalschutz auf globaler Ebene zu Paradigmenwechsel führte.
Dr. Christina Cameron (Professor Emeritus, Canada Research Chair on Built Heritage, University of Montreal) hob in ihrer Videobotschaft "A half-century of World Heritage Practice: The Influence of Bernd von Droste" die Geschichte des Welterbeprogramms seit den frühen 1970er Jahren hervor. 1972 – im Jahr der Beschlussfassung des Welterbeabkommens – war überhaupt noch nicht klar, „wohin die Reise gehen wird“: es konnte weder der heutige zahlenmäßige Umfang der Welterbeliste (mit September 2024 sind 1223 Stätten in 168 Ländern eingeschrieben) noch der Einfluss auf Schutz-, Management- und Vermittlungsinstrumente vorausgeahnt werden. Das starke Anwachsen der Liste forderte auch die UNESCO heraus, adäquate Arbeitsbedingungen zu schaffen, um den Ansprüchen des Welterbeabkommens gerecht zu werden. Wie bereits erwähnt, ging 1992 die Initiative zur Einrichtung des „UNESCO Welterbezentrums“ auf Bernd von Droste zurück, der 18 Jahre lang als dessen Direktor diente.
Inge Hödl, MA (Welterbemanagement Kulturlandschaft Wachau) skizzierte in ihrem Beitrag (Stadt – Land – Natur – Dimensionen des Erbe-Erhalts in der Kulturlandschaft Wachau) die Vielzahl an Ansätzen, Initiativen und Lösungen, um in einer Kulturlandschaft, die seit über 20 Jahren den Welterbetitel trägt, die unterschiedlichen Interessen untereinander abzustimmen und um einen wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Ausgleich zu erzielen. Allerdings setzen das rechtliche Spektrum, die Verwaltungspraxis wie auch die politische Realität den Ansprüchen auf eine nachhaltige Entwicklung einer so großen Welterbestätte oftmals deutliche Grenzen.
Mit der Frage: Wie belebt man römisches Welterbe? Carnuntum als Teil des Welterbe Donaulimes befasste sich Dr. Markus Wachter (Geschäftsführer Römerstadt Carnuntum). Carnuntum weist eine 140-jährige Ausgrabungs- und Forschungsgeschichte auf, seit 2021 zählt es auch zur Welterbestätte Donaulimes. Carnuntum ist daher mit mehreren Herausforderungen konfrontiert: einerseits gilt es, eine für den Laien „monotone“ archäologische Stätte spannend zu vermitteln, andererseits sind den strengen Vorgaben für eine Welterbestätte (z.B. „Echtheit“ und „Unversehrtheit“ als Voraussetzungen für den außergewöhnlich universellen Wert) zu entsprechen, da andernfalls die Eintragung in die „rote Liste“ drohen könnte. Darüber hinaus besteht hohes touristisches Potential, regt doch die Rekonstruktion eines römischen Stadtviertels zum Besuch an. Dieses Angebot, in die römische Vergangenheit der Region spielerisch einzutauchen wird auch von vielen Schulklassen in Anspruch genommen.
Prof. Dr. Akemi Kaneshiro-Hauptmann (Präfektur Universität Toyama/Japan) referierte über das staatlich organisierte japanische Kulturerbelabel „Japan Heritage“. (Japan Heritage und Welterbe in Japan – für zukunftsfähige Stadtplanung, Tourismus und Identitätsbildung). Dieses Programm manifestiert ein breiteres Kulturerbe-Verständnis als jenes des Welterbes, das es nicht nur bauliche Anlagen enthält, sondern Kulturerbe mit starken immateriellen Aspekten (wie z.B. auch Nahrungskultur und kulinarisches Erbe) berücksichtigt. Hinter jeder Eintragung steht dabei ein Narrativ, das das Phänomen vermitteln soll. Ist auch die Kulturerbe-Definition weit gefasst, so ist das Aufnahmeverfahren genau geregelt. Vermittlungsaspekte und Tourismusförderung zeichnen dieses Programm aus, das in Japan aber noch nicht an die Bekanntheit der dortigen Welterbestätten heranreicht.
Das Symposium klang mit der Präsentation und Übergabe der reichhaltigen Sammlung von Bernd von Droste aus. Die Sammlung umfasst seine Bibliothek und sein privates Archiv aus seiner beruflichen Schaffensperiode. Bibliothek und Archiv wurden im Jiří Toman Zentrum an der UWK aufgestellt und werden für die katalogmäßige Erfassung vorbereitet. Die Archivalien werden digitalisiert, um sie der Forschung über Welterbe-, Biodiversitäts- und UNESCO zugänglich machen zu können.
Peter Strasser
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