Das Forschungsprojekt REGIOPARL lief von 2018-2022 und hat sich aus vergleichender Perspektive mit der Rolle regionaler Akteure im EU-Mehrebenensystem befasst. Ziel war dabei auch, einen Beitrag zur EU-Zukunftsdebatte aus der regionalen Perspektive zu leisten.
Forschungsdesign
Das komparativ ausgerichtete Forschungsdesign stützt sich zum einen auf klassische sozialwissenschaftliche Methoden der Datenerhebung und -analyse und entwickelt zum anderen in einer Serie von Workshops mit Abgeordneten regionaler Parlamente (so genannten Interventionen) Beiträge zur EU-Zukunftsdebatte aus der regionalen Perspektive. Die empirische Studie umfasst insgesamt 15 Regionen in sieben EU-Mitgliedsstaaten, die entlang a-priori definierter Kriterien systematisch ausgewählt wurden, um den variierenden institutionellen, politischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.
Forschungen zu regionalen Parlamenten und ihrer Rolle im EU-Mehrebenensystem haben zwar keine besonders lange Forschungstradition, können aber dennoch mittlerweile auf einen umfangreichen Literatur- und Forschungskorpus zurückgreifen (Swenden/Bolleyer 2014). Vor allem seit der Jahrtausendwende gibt es eine intensive Auseinandersetzung mit der Rolle regionaler Parlamente, nicht zuletzt angetrieben durch die Veränderungen die mit dem Vertrag von Lissabon für regionale Beteiligung im politischen System der EU in Kraft getreten sind (u.a. Abels/Eppler 2015; Bursens/Högenauer 2017; CoR 2013; Högenauer/Abels 2017; Tatham 2015). Besonders die Einflussmöglichkeiten regionaler Parlamente und Vertretungen im Zusammenhang mit dem Frühwarnmechanismus (EWS) wurden intensiv erforscht (Borońska-Hryniewiecka 2015; Fromage 2016; 2017). Der Regional Authority Index ist zu einer wichtigen Basis in der Forschung geworden, um regionale Einflusskanäle im EU-Mehrebenensystem aber auch weltweit zu vergleichen (Hooghe et.al. 2016).
Die bisherige Forschung konzentriert sich vor allem auf die institutionelle Ebene und untersucht regionale Parlamente und Vertretungen als korporative Akteure. Das Forschungsprojekt „Regionale Parlamente in Europa - REGIOPARL“ verknüpft diese institutionelle Ebene mit der individuellen Ebene der Abgeordneten und regionalen VertreterInnen. Zu eben dieser Zielgruppe gibt es bislang vergleichsweise wenig Forschung. Zumeist richten sich bestehende Befragungen an andere Politikebenen (etwa MEPs, nationale oder kommunale Abgeordnete), inkludieren auch andere Zielgruppen (Exekutive, regionale ‚Eliten‘, vgl. Bauer et al. 2009) oder erforschten intensiv die Rolle regionaler Vertretungen in Brüssel (u.a. Beyers et al. 2015; Donas/Beyers 2013; Studinger 2013, Tatham 2018).
Das REGIOPARL-Projekt möchte sich abseits formaler Kanäle und Möglichkeiten der Einflussnahme regionaler Abgeordneter und VertreterInnen auch den dahinterliegenden Strukturen von informellen Netzwerken und handlungsleitenden Einstellungsmustern widmen. Im Fokus steht somit die Rolle regionaler Akteure im europäischen Mehrebenensystem: ‚Wie bewerten regionale Akteure ihre eigene Rolle im EU-Mehrebenensystem?‘; ‚Wie gestalten diese Akteure konkret ihren Arbeitsalltag, wenn es darum geht die Region in der EU zu positionieren und vice versa?‘; ‚Welche anderen Formen der Mitgestaltung jenseits der derzeitig verfügbaren Kanäle und Instrumente wären denkbar?‘
Zur Bearbeitung der genannten Fragen bedient sich REGIOPARL einer Reihe von theoretischen Grundannahmen und methodologischen Vorgehen aus der Literatur zum Thema. Mittels Fallstudien wird zunächst der Möglichkeitsraum regionaler Parlamente und regionaler Vertretungen im EU-Mehrebenensystem erforscht. Neben dem institutionellen und politischen Möglichkeitsraum existiert aber auch ein Gestaltungsspielraum, der sich besonders auf der individuellen Ebene der regionalen Abgeordneten und VertreterInnen in einer subjektiven Ausgestaltung der eigenen Rolle äußert (Scully/Farell 2003). Dieses Rollenverständnis reflektiert etwa selbstgesetzte Aufgaben und Ziele, aber auch wahrgenommene externe Erwartungen (Saalfeld/Müller 1997) und führt mitunter zu Rollenambiguität wenn es gilt, konfligierende Ansprüche in der Rolle zu vereinen (Klingelhöfer 2017). So wird etwa die regionale Ebene oftmals als Bindeglied zwischen den BürgerInnen auf der einen, und politischen EntscheidungsträgerInnen der nationalen wie europäischen Ebene auf der anderen Seite gesehen. Ob und wie sie dieser Funktion im europäischen Mehrebenensystem tatsächlich gerecht werden kann und wie Abgeordnete und regionale VertreterInnen damit umgehen, ist ein wesentliches Forschungsinteresse von REGIOPARL.
Ein wichtiger potenzieller Einflussfaktor auf das eigene Rollenverständnis als regionale/r Abgeordnete/r oder VertreterIn stellen Einstellungen zum Europäischen Integrationsprozess und zur Rolle der Regionen darin dar. REGIOPARL widmet sich daher sowohl im Praxisteil (Interventionen und Workshops – Veranstaltungsreihe mit regionalen Parlamenten und Vertretungen), als auch im Forschungsteil der Erhebung, Diskussion und Reflexion dieser Einstellungsmuster. Eine zentrale Frage dabei ist, ob Regionalisierung stets auch mit Europäisierung einhergeht, d.h. ob die Forderung nach einer Stärkung der Regionen im europäischen Kontext mit einem Bekenntnis zum gesamteuropäischen Projekt verknüpft ist oder die EU lediglich als ‚Mittel zum Zweck‘ für eigene Autonomiebestrebungen gesehen wird. Fragen der europäischen Zukunftsdebatte werden daher sowohl im Praxis- und Veranstaltungsteil als auch mittels Fragebogen in den empirischen Erhebungen zentral thematisiert.
In Fallstudien werden Daten auf der Makro- bzw. Mesoebene erhoben, während sich die Untersuchungen mittels Befragungen und qualitativer Erhebung während der Veranstaltungen vor allem auf die Mikroebene der einzelnen TeilnehmerInnen konzentrieren. Die einzelnen Forschungs- und Praxisteile werden final in einem Mehrebenendesign miteinander verwoben, um ein umfassendes Bild des Forschungsthemas zu zeichnen.
Ausführliche Informationen zum Projekt finden Sie auf der Projektwebseite:
Details
Projektzeitraum | 01.01.2018 - 31.12.2022 |
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Fördergeber | Bundesländer (inkl. deren Stiftungen und Einrichtungen) |
Förderprogramm | Stiftung Forum Morgen |
Department | |
Projektverantwortung (Universität für Weiterbildung Krems) | Dr. Sarah Meyer |
Projektmitarbeit | |
Projektwebsite | https://www.regioparl.com/ |
Team
Literaturverzeichnis
Abels, Gabriele/Eppler, Annegret (2015): Subnational Parliaments in the EU Multi-Level Parliamentary System: Taking Stock of the Post-Lisbon Era. Innsbruck: StudienVerlag.
Bauer, Michael W./Pitschel, Diana/Studinger, Philipp (2009): Regional Perceptions of the subnational Dimension of Multilevel Governance. Insights from a Comparative Survey Project. In: Committee of the Regions (Hrsg.) (2009): The Cahiers of the Committee of the Regions. Volume I - 2009. Towards Multi-Level Governance in Europe?. Brussels: CoR, 81-85.
Beyers, Jan/Donas, Tom/Fraussen, Bert (2015): No Place Like Home? Explaining Venue Selection of
Regional Offices in Brussels. Journal of European Public Policy, 22(5), 589–608.
Borońska-Hryniewiecka, Karolina (2015): Differential Europeanization? Explaining the Impact of the Early Warning System on Subnational Parliaments in Europe. European Political Science Review, 9(2), 255–278.
Borońska-Hryniewiecka, Karolina (2017): Regional Parliamentary Empowerment in EU
Affairs. Building an Analytical Framework. The Journal of Legislative Studies, 23, 1–18.
Bursens, Peter/Högenauer, Anna-Lena (2017): Regional Parliaments in the EU Multilevel Parliamentary System. The Journal of Legislative Studies, 23(2), 127–143.
CoR (2013): The Subsidiarity Early Warning System of the Lisbon Treaty – the role of regional parliaments with legislative powers and other subnational authorities. Online verfügbar unter: https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/e3818ca2-e63f-4de1-b1eb-5a662fe86667, letzter Zugriff: 31.07.2019.
Donas, Tom/ Beyers, Jan (2013): How Regions Assemble in Brussels: The Organizational Form of
Territorial Representation in the European Union. Publius: The Journal of Federalism, 43( 4), 527–550.
Fromage, Diane (2016): Regional Parliaments and the Early Warning System: An Assessment Six Years after the Entry into Force of the Lisbon Treaty. SSRN Electronic Journal.
Fromage, Diane (2017): Regional Parliaments and the Early Warning System: An Assessment and Some Suggestions for Reform. In: Jonsson Cornell, Anna /Goldoni, Marco (Hrsg.) (2017): National and Regional Parliaments in the EU-Legislative Procedure Post-Lisbon. The Impact of the Early Warning Mechanism. Portland Oregon [US]/Oxford [UK]: Hart Publishing.
Hooghe, Liesbet/Marks, Gary/ Schakel, Arjan/Osterkatz, Sandra Chapman/Niedzwiecki, Sara/ Shair-Rosenfield, Sarah (2016): Measuring Regional Authority: A Postfunctionalist Theory of Governance. Volume I. Oxford: Oxford University Press, 687pp.
Högenauer, Anna-Lena/Abels, Gabriele (2017): Conclusion: Regional Parliaments – A Distinct Role in the EU?. The Journal of Legislative Studies, 23(2), 260–273.
Klingelhöfer, Tristan (2017): Politische Rollenbilder. In: Tausendpfund, Markus/Vetter, Angelika (Hrsg.) (2017): Politische Einstellungen von Kommunalpolitikern. Springer: Wiesbaden, 257-294.
Saalfeld, Thomas/Müller, Wolfgang (1997): Roles in legislative studies: a theoretical introduction. The Journal of Legislative Studies, 3(1), 1-16.
Scully, Roger/Farell, David (2003): MEPs as Representatives: Individual and Institutional Roles. Journal of Common Market Studies, 41(2), 269–288.
Studinger, Philipp. 2013. Wettrennen der Regionen nach Brüssel. Springer: Wiesbaden.
Swenden, Wilfried/Bolleyer, Nicole (2014): Regional Mobilization in the „New Europe“. A research Agenda. Regional and Federal Studies, 24(3), 249-262.
Tatham, Michaël (2015): Regional Voices in the European Union: Subnational Influence in Multilevel Politics. International Studies Quarterly, 59(2), 387–400.
Tatham, Michaël (2018): The Rise of Regional Influence in the EU – From Soft Policy Lobbying to Hard Vetoing. JCMS Journal of Common Market Studies, 56(3), 672-686.