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In Coronazeiten hat sich unsere Art zu lernen fundamental verändert. In der Pandemie stellten Universitäten und andere Bildungsinstitutionen auf Online-Unterricht um. Welche Chancen das bietet und welche Trends es im Speziellen gibt, darum ging es in der Keynote von Betty Vandenbosch. Vandenbosch ist Chief Content Officer bei Coursera, einem Unternehmen, das sich auf die Bereitstellung von Online-Weiterbildung spezialisiert hat. In ihrem Vortrag zeigt sie Daten, wonach 80 Prozent der Länder weltweit vor der Pandemie noch gar keine digitalen Methoden genutzt hätten. Nun ist das Online-Learning angekommen – und wenn es nach Vandenbosch geht, wird es auch dauerhaft bleiben. “Was mit einer schnellen, gezwungenen Adaption begonnen hat, wird zu einer großen digitalen Transformation der höheren Bildung führen”, ist sie sich sicher. 

Die Studierenden befürworten die Entwicklung hin zur digitalen Lehre, zeigen Zahlen aus dem Magazin Times Higher Education. 85 Prozent bekundeten in einer Umfrage ihr Interesse an Video-Vorträgen. Vandenbosch geht sogar so weit zu sagen, “dass digitale Lektionen die neuen Textbücher sein werden.” Ihre große Stärke sei, dass sie maximale Flexibilität bieten. Nicht nur können Studierende sie quasi überall und wann sie wollen ansehen – sie können sie auch so oft sie wollen abspielen. Sie würden sich zudem ideal für den Einsatz im sogenannten “flipped classroom” eignen: Der Stoff muss nicht während des Präsenzunterrichts durchgekaut werden, sondern die Studierenden können ihn sich schon zu Hause ansehen. So bleibt vor Ort mehr Zeit für Reflexion und Diskussion. Mittels Lernanalysen könnten Lehrende untersuchen, wie effektiv die Videos sind – und sie gegebenenfalls adaptieren, sodass sie einen noch größeren Nutzen für die Studierenden haben. 

Vandenbosch spricht in ihrem Vortrag auch über die größten Trends des Online-Lernens. Insgesamt macht sie vier aus: Blended Learning, Fokus auf berufliche Einsetzbarkeit, einen gerechteren Zugang zu Inhalten und die verstärkte Zusammenarbeit von Institutionen. Blended Learning, bei dem die Präsenzlehre mit der Online-Lehre verbunden wird, werde immer wichtiger, betont sie. Neun von zehn Hochschulen in Europa würden bereits Blended Learning anbieten oder ein entsprechendes Angebot planen. Mit Beginn der Pandemie hätten viele begonnen, einander ihre Inhalte zur Verfügung zu stellen. “Dadurch war es beispielsweise möglich, dass ein Londoner Student Kurse an einer Uni in Amsterdam belegt.” 

Mehr denn je sei es in der digitalen Weiterbildung wichtig, Fähigkeiten zu vermitteln, die am Arbeitsmarkt gebraucht werden. Immerhin würden bis 2025 mehr als 85 Millionen Arbeitsplätze durch die Automatisierung wegfallen, wie der WEF Future of Jobs Report zeige. Jobs weltweit würden sich verändern, die Zukunft am Arbeitsmarkt “sei ganz klar digital”. Unter den Berufen, nach denen in den nächsten fünf Jahren noch stärker nachgefragt werde, seien Data Analysts und Scientists, Spezialisten für Machine Learning und Big Data Specialists. Aber auch ganz neue Jobs könnten entstehen. 

Online Learning eigne sich jedenfalls gut, um digitale Fähigkeiten zu vermitteln. Zudem mache es Inhalte für mehr Menschen erreichbar. Auf Coursera kann beispielsweise ein Kurs für Google IT Support belegt werden, der Zugang zu Einstiegsjobs im digitalen Bereich gewährt. Er richtet sich vor allem an Studierende ohne Matura und ohne Berufserfahrung in diesem Bereich. Die Nachfrage danach sei groß: Bisher hätten 600.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer den mehrmonatigen Kurs belegt. “Programme wie diese erlauben es jedem und jeder, sich neue Fähigkeiten online anzueignen, zu sehr geringen Kosten.” Für Vandenbosch ist es durchaus denkbar, dass ein Weiterbildungsprogramm einen Menschen sein Arbeitsleben lang begleitet: Er lässt sich für einen Einstiegsjob ausbilden, spezialisiert sich, erwirbt Zertifikate und irgendwann vielleicht sogar einen akademischen Abschluss.

Ein weiterer Vorteil der Online-Lehre sei, dass Menschen weltweit erreicht werden können. Bei Coursera bemerke man, dass im vergangenen Jahr die Teilnahme an Kursen in Schwellenländern besonders zugenommen hat. Außerdem zu beobachten sei, dass sich immer mehr Frauen online weiterbilden. Dabei steige ihr Interesse an den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT), was für Vandenbosch erfreulich ist, weil dort die Zukunftschancen liegen würden. 

Als einen letzten Trend macht Vandenbosch die stärkere Kooperation zwischen Universitäten, Unternehmen, Organisationen und Regierungen aus. Vandenbosch nennt als Beispiel das New York State Department of Labor, das Menschen, die kürzlich ihren Job verloren hatten, einen kostenlosen Zugang zu Online-Kursen anbot. Danach wurden sie von einem Netzwerk an lokale Arbeitgeber vermittelt. Ebenfalls beteiligt an der Kooperation war die örtliche Universität.

Vandenbosch ist überzeugt: Da Online-Lernen flexibel und niederschwellig ist, könne es zu einem gerechteren Zugang zu Bildung und schließlich auch zu einer gerechteren Welt beitragen.

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