Die Herausforderungen der Migrations- und Integrationsprozesse in Herkunfts- und Transitländern standen im Zentrum des DialogForums 2018 an der Donau-Universität Krems. Abwanderungsgründe, Migrationserfahrungen sowie Rückkehrabsichten von MigrantInnen seien dabei zentrale Aspekte, so das Resümee der ExpertInnen aus Wissenschaft, Politik und Praxis. Das DialogForum, das bereits zum zehnten Mal vom Department für Migration und Globalisierung veranstaltet wird, positioniert sich als Vernetzungsplattform für Migrations- und IntegrationsakteurInnen.
Rund 710 Millionen Menschen weltweit möchten in den kommenden fünf Jahren dauerhaft auswandern, knapp 48 Millionen planen diesen Schritt im kommenden Jahr. Das entspricht laut einer Studie von 2016 (Gallup World Poll) knapp 15 Prozent der Weltbevölkerung. Das Gelingen von Integration liegt somit nicht ausschließlich in der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung der Aufnahmeländer, sondern hängt stark von den Abwanderungsgründen, Migrationserfahrungen und Rückkehrabsichten der MigrantInnen ab.
Unerfüllte Migrationswünsche
Tatsächlich wandert das Gros der Menschen weltweit mit Migrationstendenzen jedoch nie aus. Dadurch entstehe eine große Diskrepanz zwischen der globalen Nachfrage nach Migrationsmöglichkeiten und der restriktiven Einwanderungspolitik der gewünschten Zielländer. „Unerfüllte Migrationsabsichten können die menschliche, wirtschaftliche und politische Entwicklung der Herkunftsgesellschaft beeinflussen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Mathias Czaika, Leiter des Departments für Migration und Globalisierung der Donau-Universität Krems.
Weniger FluchtmigrantInnen
Rund um die instabilen Gebiete in Syrien kommt es allerdings zu einer hohen Verdichtung: „Derzeit konzentrieren sich 63% der Flüchtlinge weltweit auf östliche und südliche Regionen des Mittelmeeres“, betont Univ.-Prof. Dawn Chatty von der Universität Oxford. Die Anzahl der FluchtmigrantInnen auf dem Weg nach Europa habe jedoch in den letzten zwei Jahren rapide abgenommen. Chatty warnt daher, weiterhin von einer „Flüchtlingskrise“ zu sprechen. Eine wichtige Rolle spiele die Türkei auch in der Funktion als Transitland für MigrantInnen aus Syrien, Afghanistan, Irak, Pakistan und Myanmar, sagt Univ.-Prof. Ahmet İçduygu von der Koç Universität. Man solle Transitländer wie die Türkei nicht als "Sicherheitsventil" oder als "tickende Bombe" für Europa betrachten, sondern an „globalen Lösungen für fragile Staaten arbeiten“, meint İçduygu.
Falsches Bild von Afrika
Ass.-Prof. Oliver Bakewell von der Universität Manchester warnt vor einem falschen Bild von afrikanischer Migration: In Afrika „findet mehr Migration innerhalb des Landes, als nach Europa, statt“, so Bakewell. Die Diskussion zur afrikanischen Integration sei zu sehr von Europa und Nordamerika dominiert. Darum fordere er einen verstärkten „Fokus auf Migration innerhalb von Afrika“.
Tatsächlich wandern weniger als 15% der afrikanischen MigrantInnen nach Europa aus, folgt auch FH-Prof. Belachew Gebrewold vom Management Center Innsbruck dieser Argumentation. Zudem sei nicht Armut der Hauptgrund für Auswanderung, sondern „veränderte Umweltfaktoren“, sagt Gebrewold.
Wenige Frauen mit Pflichtschulabschluss
Neben der internationalen Perspektive wurde im zweiten Teil des DialogForums der Fokus auf die Integration innerhalb Österreichs gelegt. Zwischen 2014 und 2017 wurden hier rund 67.200 positive Asylbescheide ausgestellt, davon waren 45% weibliche Migrantinnen. „Es ist alarmierend, dass 86% der weiblichen Konventionsflüchtlinge und 75% der subsidiären Schutzberechtigen höchstens einen Pflichtschulabschluss haben“, hebt Univ.-Prof. Gudrun Biffl von der Donau-Universität Krems hervor. Dies betreffe vor allem Frauen aus Afghanistan und Somalia, die sich oft auf dem Weg in die Isolation befinden. Biffl fordert daher, dass AkteurInnen im Flüchtlingskontakt „mit den Fluchterfahrungen der Frauen betraut und für die damit verbundenen Implikationen sensibilisiert sind“.
Mehrsprachige Jugendliche
Ein thematischer Schwerpunkt des DialogForums 2018 wurde auch SchülerInnen mit Migrationshintergrund gewidmet, deren Anteil in Österreich zunehmend steige. Darum „berichten LehrerInnen von einem wachsenden Bedarf an beruflicher Fortbildung“, sagt Dr. Lucie Cerna, Analystin für Bildung und Qualifikation bei der OECD in Paris. Zudem sollten „Anreize für LehrerInnen geschaffen werden“, um in multikulturellen Schulen zu arbeiten. Bei SchülerInnen solle die Mehrsprachigkeit als Chance und nicht als Bedrohung gesehen werden, meint Dr. Barbara Herzog-Punzenberger von der Johannes Kepler Universität Linz. „Zweisprachige SchülerInnen, die in beiden Sprachen unterrichtet werden, erlangen oft bessere Ergebnisse im Vergleich zum einsprachigen Unterricht“, sagt Herzog-Punzenberger.
Blog-Relaunch: Unpacking Migration
Anlässlich des zehnten DialogForums wurde der Blog „Unpacking Migration“ veröffentlicht, der Perspektiven aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Regierung, internationalen Organisationen und PraktikerInnen zu aktuellen Migrationsthemen
für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen soll.
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