13.11.2019

Die Volkskrankheit Demenz wird durch die demographischen Veränderungen weiter zunehmen, werden doch 2050 bereits 57 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt sein. Der Hauptredner des ersten Konferenztages, Professor Barry Reisberg, erklärte bei der Eröffnung: „Menschen, die mit subjektiven Gedächtnisbeschwerden zum Arzt kommen, sollen ernst genommen werden. Wir müssen dringend über Strategien nachdenken, die den Beginn einer Demenz hinauszögern und Personen motivieren, sich frühzeitig zu melden.“

Am 5. November 2019 wurde die erste Kremser Demenzkonferenz an der Donau-Universität Krems von Univ.-Prof. Dr. Stefanie Auer, Leiterin des Zentrums für Demenzstudien, Univ.-Prof. Dr. Viktoria Weber, Vizerektorin für Forschung, und Univ.-Prof. Dr. Michael Brainin, Leiter des Departments für klinische Neurowissenschaften und Präventionsmedizin, eröffnet. Zudem begrüßten Marc Wortman, vormals Geschäftsführer von Alzheimer’s Disease International (ADI) als Mit-Organisator der Konferenz, sowie Frau Mag. Christiane Teschl-Hofmeister, Landesrätin der niederösterreichischen Landesregierung, die TeilnehmerInnen und Vortragenden.

In der Willkommensrede sprach Prof. Dr. Peter Dal Bianco, Facharzt für Neurologie & Psychiatrie und amtierender Präsident der „Österreichischen Alzheimer Gesellschaft“ (ÖAG), über Präventivmaßnahmen und Lebensstilveränderungen. Eine flächendeckende Anwendung von Präventionsmaßnahmen könnte die Zahl der Betroffenen signifikant reduzieren. Laut dem Experten würde ein positiver Lebensstil mit Bewegung, gesunder Ernährung, intellektueller Beschäftigung und sozialen Kontakten eine protektive Maßnahme gegen Demenz darstellen.

Univ.-Prof. Dr. Barry Reisberg, MD, Psychiater und Professor an der New York Universität, sprach in seiner Rede über die ersten Phasen der Alzheimer Krankheit. Nach seinem Stadienkonzept verläuft die Krankheit in sieben Stadien. Seine Untersuchungen zeigen, dass die ersten drei Stadien ca. 22 Jahre dauern. Im ersten Stadium zeigen die untersuchten Personen noch keine kognitiven Einschränkungen. Im zweiten Stadium, das durchschnittlich 15 Jahre dauert, leiden die Personen unter subjektiv berichteten Veränderungen der Gedächtnisleistungen, die in heutigen Leistungstest kaum auffällig werden, so der Demenzexperte. Die Personen vergessen Namen oder verlegen Alltagsgegenstände. In diesem Stadium ist ein normales Leben noch gut möglich und Personen sind weder im sozialen Umfeld noch in Arbeitssituationen eingeschränkt. Das dritte Stadium kennzeichnet eine „leichte kognitive Einschränkung“. Diese dauere durchschnittlich sieben Jahre und zeichne sich durch eine Verschlechterung der Leistung bei der Arbeit und im sozialen Umfeld aus. Personen vergessen Namen und leiden unter Lücken im Langzeitgedächtnis, so Reisberg. Es sei dringend nötig, Präventionsstrategien zur Verhinderung einer Demenz breit auszurollen. Aus diesem Grund ist eine frühe Erkennung der Krankheit von größter Bedeutung.

Bewusstseinsbildung, Ausbildung und AAL-Technologien

Am zweiten Tag beleuchteten internationale ExpertInnen in Vorträgen und Workshops die Themen Bewusstseinsbildung, Sensibilisierung, Ausbildung, AAL-Technologien und Risikofaktoren. Unter anderem referierte Dr. Bruno Dubois, Professor für Neurologie am Universitätskrankenhaus Salpêtrière, Sorbonne Universität in Paris, über die rechtzeitige Erkennung von Alzheimer und Univ.-Prof. Dr. Tobias Hartmann von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken sprach über Ernährungsformen zur Demenzbehandlung. Klar wurde in seinem Vortrag vor allem, dass eine Ernährungsumstellung keine schnellen Ergebnisse liefere – Effekte brauchen ihre Zeit.

Helga Rohra, die seit Jahren schon mit einer Demenz lebt, hat in ihrer Rede dringend dazu aufgefordert, Betroffene selbst stets in die Entwicklung von Betreuungskonzepten einzubeziehen. Denn nur Personen, die diese Krankheit durchleben, wüssten, was für sie gut ist. 

Doc. MUDr. Iva Holmerová, PhD, von der Karls-Universität Prag, erklärte in ihrem Vortrag, wie wichtig es sei, Pflegeeinrichtungen inhaltlich weiterzuentwickeln. In Zukunft würde man mehr institutionelle Begleitung, Tagesambulanzen und Einrichtungen für Rehabilitation benötigen. Neue Strategien und Konzepte zur Ausbildung der Pflegeteams seien dringend nötig, so die Demenzexpertin.

Zusammenarbeit zwischen ost-und westeuropäischen Ländern fördern

Der Vormittag des dritten Tages widmete sich der Frage, wie man die Zusammenarbeit zwischen ost- und westeuropäischen Ländern unterstützen kann. Internationale ExpertInnen diskutierten dabei über neue Kooperationen und Forschungsprojekte, welche den Austausch zwischen den Ländern vertiefen.

Debby Gerritsen, PhD, Professorin an der Radboud Universität in den Niederlanden, thematisierte in ihrer Keynote Konzepte zur gesellschaftlichen Stärkung und Ermutigung von Menschen mit Demenz. Das Wohlbefinden von Personen hänge von adäquaten Begleitungskonzepten und Therapien sowie einem gut ausgebildeten Umfeld ab. Gerritsen wies in ihrem Vortrag darauf hin, wie wichtig es sei, dass man Menschen, die mit einer Demenz leben, entsprechend ihren Fähigkeiten eine Wahl von Möglichkeiten ließe. Zusätzlich sollte man die Identität der Person unterstützen, soziale Interaktion fördern und Betroffenen eine Aufgabe geben, bei der sie sich nützlich fühlen. 

Vernetzung von Informationen herstellen

„Ich freue mich sehr, dass die Veranstaltung einen so großen Anklang gefunden hat. Unser Ziel ist es, eine Plattform für Betroffene und ihre Familien, WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen zur Verfügung zu stellen, auf der wir gemeinsam nach guten Zukunftslösungen suchen können. Ich glaube, der Anfang ist uns gelungen“, so die Organisatorin des Kongresses Univ.-Prof. Dr. Stefanie Auer. Eine zweite Kremser Demenzkonferenz ist bereits für nächstes Jahr geplant.

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