Vom EU-Streit um Flüchtlingsschiffe und Frontex über Manöver an Österreichs Grenzen bis hin zum Bundestrojaner: Auf europäischer wie auch auf nationaler und persönlicher Ebene ist die Gesellschaft mit Fragestellungen konfrontiert, die in einem Spannungsverhältnis zu Freiheit(srechten), Demokratie und Transparenz stehen und Konsequenzen bis in den höchstpersönlichen Lebensbereich von Einzelpersonen haben. Beim Faculty Talk „Die Zäune hoch, die Grenzen dicht“ wurden am 15. Jänner verschiedene Perspektiven des komplexen Sicherheitsbegriffs thematisiert und eine kritische Annäherung versucht.
„Sicherheit ist kein neutraler Begriff und kein objektiv erreichbarer Zustand“, betonte Politikwissenschafterin Univ.-Prof. Dr. Saskia Stachowitsch, Professorin für Internationale Politik an der Universität Wien und wissenschaftliche Direktorin des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (oiip), vorweg. Im Wandel der gesellschaftspolitischen Herausforderungen sei Sicherheit vielmehr einem ständigen Konstruktionsprozess unterworfen und bilde somit eine ideale Legitimation für Politikstrategien und davon abgeleitete Maßnahmen.
Beispiel EU-Grenzschutz
Mit Blick auf den EU-Grenzschutz hätten beispielsweise Risikoanalysen, wie sie von der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache „Frontex“ erstellt werden, einen massiven Einfluss auf die Migrationspolitik und ihre demokratische Kontrolle, so Politikwissenschafterin Stachowitsch. Sie befürchtet verstärkte Überwachung und eine restriktive Grenzpolitik, wenn mit Migration die Gefährdung europäischer Werte durch „ungemanagte Massen“ in Verbindung gebracht werde. Diese führe aber wiederum zu kurzfristig verstärkten Migrationsneigungen ähnlich einer „Torschlusspanik“, ergänzte Univ.-Prof. Dr. Mathias Czaika, Leiter des Departments für Migration und Globalisierung an der Donau-Universität Krems. Die größte Schwierigkeit liege in der politischen und medialen Simplifizierung von Migration: „Bedrohungen aus Migrationsbewegungen werden betont, die Chancen aber außer Acht gelassen.“
Auflösung der Grenzen durch Digitalisierung
Die Subjektivität des Themas wird für Ass.-Prof. Mag. Dr. Walter Seböck, MSc MBA, Zentrumsleiter für Infrastrukturelle Sicherheit an der Donau-Universität Krems spätestens dann deutlich, wenn die Technologie in den Fokus rückt: Spielt der Grenzbegriff auf territorialer Ebene (noch) eine wesentliche Rolle, ist er aus technologischer Sicht kaum mehr relevant. Seböck stellte fest, dass durch die Aufbereitung und vor allem Verknüpfung von Daten eine vollständige Überwachung, ungeachtet von Grenzen und Mauern, möglich sei. China beispielsweise sei auf dem besten Weg dorthin. Existenzielle Bedrohungen wie (spontane) Terrorakte ließen sich aber dennoch nicht aufhalten.
Trend: Externalisierung
Gerade bei einem so heiklen Thema wie Sicherheit lässt sich laut Politologin Stachowitsch zudem ein Trend erkennen, dessen Auswirkungen auf die einzelnen Staaten noch nicht in vollem Umfang nachvollziehbar seien, nämlich „Externalisierung“. Durch die Auslagerung von Sicherheitsagenden an Drittländer oder private Anbieter würden Akteure auf den Plan treten, so Seböck, die ein kommerzielles Interesse an Sicherheit hätten und beeinflussen wollten, wie Bedrohungen wahrgenommen werden.
Evidenzbasierten Diskurs führen
Daraus ergibt sich ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Rolle der Wissenschaft. Es sei eine zentrale Aufgabe, die Deutungshoheit zu erlangen und Fakten bereitzustellen, um den Diskurs von einer populistischen auf eine Sachebene zu heben und die Objektivität zu fördern. Wissenschaft müsse evidenzbasiert agieren, um den Sicherheitsbegriff genau zu hinterfragen und der Konstruktion bzw. Imagination von Begrifflichkeiten entgegenzuwirken. Denn „Sicherheit betrifft uns alle“, so die einhellige Meinung der ExpertInnen.
Die Faculty Talks werden von der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung der Donau-Universität Krems veranstaltet und richten sich an Vortragende, AbsolventInnen und Studierende ebenso wie an die interessierte Öffentlichkeit.
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