17.09.2019

Das Thema „Making Digital Heritage Multisensory. Strategies and Political Impact“ war Ausgangspunkt für zwei Keynotes und eine Podiumsdiskussion in der dritten Ausgabe der Research Summit Series. Die Ausführungen von Prof. Sarah Kenderdine, École polytechnique fédérale de Lausanne, und Prof. Hiroshi Ishii, MIT Media Lab, wie Ungreifbares digital bzw. wie Digitales greifbar werden kann, illustrierten ihre unterschiedlichen Zugänge.

In seinen Begrüßungsworten unterstrich Mag. Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau-Universität Krems, dass das digitale Zeitalter trotz aller Zukunfts­gewandtheit auch Implikationen für den Umgang mit der Vergangenheit in Form des digitalen Erbes umfasst.

Univ.-Prof. Dr. Oliver Grau, Leiter des Departments für Bildwissenschaften der Donau-Universität Krems, gab in seiner Einleitung einen geschichtlichen Überblick über den Themenkomplex „Interfaces – Visualizations“. Dabei spannte er einen Bogen von den Panoramen des 18. Jahrhunderts über die Fresken von Pompei bis hin zur digitalen Kunst auf den rund hundert darauf spezialisierten Festivals, die jedoch immer noch kaum in die Museen und Archive gelangt und vor dem Verlust steht.

Transformation der Physis in digitale Welten

Prof. Dr. Sarah Kenderdine wandelte kurzfristig ihren ursprünglich geplanten Vortrag „Experimental Museology: Sculpting Cultural Data“ zu „Making Intangible Digital“ um. Damit zeigte sie auf, wie ihre künstlerische Forschungstätigkeit das Gegenstück zu den Arbeiten des zweiten Keynote-Speakers, Prof. Dr. Hiroshi Ishii, darstellt. In ihren Projekten setzt sich Sarah Kenderdine zumeist mit dem Kulturerbe auseinander und nützt jüngste Technologien um dem Publikum neue Zugänge zu historischen Kunstwerken oder Themen zu bieten. In ihrem Werkkorpus thematisiert sie etwa 1000 Jahre Olympische Spiele, die Architektur Kyotos, Angkor Wat und hinduistische Mythologie ebenso wie historische Kung Fu-Kampftechniken oder die Höhlenmalerei der australischen Ureinwohner. Dabei verwendet sie aufwendige 360-Grad-Projektionen ebenso wie im Fall von Kung Fu Bewegungserfassung, Motion-over-time-Analysen, 3D-Rekonstruktionen und immersive Videos. Das Nachstellen der Kung Fu-Praktiken ist für Kenderdine auch ein Prozess des kritischen Denkens, unter anderem über Fragen der Authentizität und Urheberschaft.

Making Digital Tangible – Haptik ins digitale Zeitalter überführen

Die Keynote von Prof. Dr. Hiroshi Ishii bildete gleichsam die andere Seite der Medaille zu den Ausführungen Kenderdines. Sein Lebenswerk kreist um die Frage, wie die augenzentrierte digitale Welt auch über die Hände erfahrbar wird. Ein wichtiger Schritt bei dieser Auseinandersetzung war die Konzeption der Tangible Bits, mit denen sich Ishii von 1995 bis 2010 beschäftigte. Ein wichtiger Denkanstoß dazu war der Abakus, der für ihn eine greifbare Manifestation abstrakter arithmetischer Prinzipien darstellt. Bei seinen Projekten greift Ishii bevorzugt auf niederschwellige Objekte und Interaktionsmodalitäten zurück. Projekte wie I/O Brush, Urp: Urban Planning Workbench oder SandScape verbinden auf intuitive Weise greifbare Objekte mit computergestützten Modellen. Die nächste Phase bildeten „Radical Atoms“, wo Information die Limitationen ihrer Pixelumgebung abstreift und das Element der Bewegung hinzutritt. In seinem Vortrag unterstrich Ishii auch die Bedeutung der Transdisziplinarität, die alte Paradigmen durch das Überkommen der einzelnen Disziplinen überwindet.

ExpertInnen im Dialog

 Für die anschließende Diskussion wurde das Podium um Prof. Dr. Ryszard Kluszczyński, Universität Łodź, Polen, Ass.-Prof. Dr. Morten Søndergaard, Aalborg Universität, Dänemark, und Univ.-Prof. Dr. Oliver Grau, Department für Bildwissenschaften der Donau-Universität Krems, erweitert. Hier wurden weitere Facetten des Themas angesprochen, vom Wesen des (digitalen) Erbes über den partizipativ-spielerischen Zugang im Werk Kenderdines bis hin zur kritischen Distanz, die durch diesen Zugang infrage gestellt würde. Walter Benjamins Aura-Begriff, der in seinem Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ ausgeführt wird, wurde im Kontext digitaler Kunst behandelt. Die Frage, ob ein digitales Replikat die Aura eines Werkes beschädigt oder eventuell sogar stärken kann, wurde kontrovers diskutiert. Søndergaard verwies darauf, dass das Zerstören der Aura neue Zugänge zum Werk ermöglichen kann, während Kluszczyński den Ursprung der Aura rein im Motiv sah und nicht im vermittelnden Medium. Von der Veranstaltung ging der einmütige Appell aus, notwendige Schritte zu ermöglichen, um das digitale Kulturerbe angemessen in Archiven zu dokumentieren und in unseren Sammlungen auszustellen und zu erhalten, was durch eine bessere Vernetzung der Gedächtnisinstitutionen geschehen könnte. Auch das Publikum konnte sich in die von Wendy Coones, M.Ed. vom Department für Bildwissenschaften, moderierte Diskussion einbringen. Diese Möglichkeit stand via E-Mail und Social Media auch den Interessierten offen, die den Research Summit im Live-Stream verfolgten. 

Über die Research Summit Series

Die Konferenzreihe Research Summit Series wird abwechselnd von den drei Fakultäten und den Departments der Donau-Universität Krems veranstaltet. Hier diskutieren international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über gesellschaftliche Herausforderungen und aktuelle Fragen unserer Zeit. Diesmal wurde die Veranstaltung von der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur und dem Department für Bildwissenschaften organisiert.

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