Die Donau-Universität Krems befragte in Kooperation mit der Ärztekammer Österreich im Rahmen der Studie Telemed Monitor Österreich niedergelassene MedizinerInnen hinsichtlich ihrer Einstellung zur Telemedizin. Die Ergebnisse helfen Potentiale der Telemedizin zu fördern und bestehende Hindernisse zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu finden.
Die aktuelle Entwicklung der Infektionszahlen stellt gerade zur beginnenden Herbst- und Winterzeit erneut eine Herausforderung für die medizinische Versorgung dar. Was die PatientInnen von der telemedizinischen Betreuung halten, wurde bereits mehrfach erhoben. Rückblickend auf die Erfahrungen aus dem Frühjahr 2020 führte das Research Lab Society in Transition in Kooperation mit der Ärztekammer Österreich nun unter den niedergelassenen ÄrztInnen eine Befragung durch, wie akzeptiert Telemedizin in Österreich ist. Dieser erste Telemed Monitor befragte MedizinerInnen zu Potentialen und Herausforderungen der telemedizinischen Betreuung im niedergelassenen Bereich. „Die Telemedizin ist ein Zukunftsmodell, und die Bundeskurie niedergelassene Ärzte der Ärztekammer hat deshalb bereits seit Jahren den verstärkten und qualifizierten Einsatz telemedizinischer Leistungen auf der Agenda. Die Corona-Krise hat die Entwicklung der Telemedizin enorm beschleunigt. Jetzt geht es darum, für eine kontrollierte und qualitätsvolle Weiterentwicklung zu sorgen“, so Dr. Johannes Steinhart, 2. Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer.
Unterstützung in fordernden Zeiten
Telemedizin kann die medizinische Versorgung allgemein und insbesondere in schwierigen Zeiten wie der COVID-19-Pandemie unterstützen, so der Tenor der befragten MedizinerInnen. Konkret zeigen die Ergebnisse, dass 61 Prozent der Ärztinnen und Ärzte sehr großes oder großes Potential für die telemedizinische Versorgung von PatientInnen in fordernden Zeiten sehen, 57 Prozent erkennen dieses Potential auch im Normalbetrieb. Aus Sicht der MedizinerInnen wird die Akzeptanz von PatientInnen für die telemedizinische Betreuung via Telefon als sehr hoch (52 Prozent) oder hoch (32 Prozent) eingeschätzt. Demgegenüber findet die Akzeptanz der digitalen Betreuung via E-Mail, Chat oder Videogespräch durch PatientInnen deutlich weniger Zuspruch. Hier liegt die sehr hohe Akzeptanz nur bei 28 Prozent, bei 30 Prozent der Befragten ist sie hoch. Während der Pandemie wurde vorrangig das Telefon als Kommunikationsmittel mit PatientInnen herangezogen: 93 Prozent der ÄrztInnen kommunizierten per Telefon, fast die Hälfte (47 Prozent) per E-Mail und 15 Prozent per Video mit ihren PatientInnen.
Versorgungsverbesserung bei Qualität und Effizienz
Der Systemerhalt während der Pandemie bzw. Minimierung des Infektionsrisikos (77 Prozent) und die Versorgung von PatientInnen in größerer Entfernung (68 Prozent), besonders im ländlichen Raum, sowie die Verbesserung der Kommunikation mit KollegInnen (38 Prozent) sind nach Ansicht von MedizinerInnen jene drei Bereiche, in welchen sie das größte Potential für telemedizinische Leistungen in der Zukunft sehen.
Telemedizin nicht barrierefrei
Es wird häufig auf das Thema Barrierefreiheit bei telemedizinischen Leistungen hingewiesen, positiv wie negativ. Für Menschen mit Behinderungen ist die telemedizinische Betreuung von Vorteil, bei sprachlichen Barrieren, Hörproblemen und fehlenden technischen Mitteln auf PatientInnenseite hingegen ein Nachteil.
Acht von zehn MedizinerInnen sehen gerade hinsichtlich der Technikaffinität, vor allem bei älteren Personen, bzw. der unterschiedlichen Qualität der technischen Geräte große Barrieren. Barrieren beziehen sich aber nicht nur auf Hindernisse für PatientInnen, sondern stellen auch Herausforderungen für Ärztinnen und Ärzte dar. Hürden ergeben sich für sie insbesondere dadurch, dass die telemedizinische Form der Konsultation keinen direkten persönlichen Kontakt, keine persönliche Untersuchung beinhaltet und auch die Mimik und Gestik kaum oder anders wahrzunehmen sind.
Offene rechtliche Fragen
„Im Zuge der Digitalisierung in vielen Lebensbereichen geht es nicht nur um die Frage, ob telemedizinische Leistungen ausgebaut werden, sondern vor allem wie sie ausgebaut und angewendet werden können“, so Mag. Dr. Christina Hainzl, MSc, Leiterin des Research Lab Democracy and Society in Transition. MedizinerInnen halten die Entwicklung von Leitlinien und Standards, Qualitätssicherung und eine Diskussion zu den Grenzen dieser Betreuungsform für wichtig.
Drei große Herausforderungen machen die MedizinerInnen bei telemedizinischer Betreuung im administrativ-rechtlichen Bereich aus: Für rund drei Viertel (78 Prozent) bestehen ungelöste rechtliche Fragen, etwa im Bereich der Haftung. Schwierigkeiten bei den Modellen der Verrechnung nannten 60 Prozent und die Hälfte (51 Prozent) der Befragten bezeichnete die Einhaltung des Datenschutzes als Herausforderung.
Generell sind die Anwendungsmöglichkeiten telemedizinischer Konsultationen situationsabhängig. Auf welche Art und Weise MedizinerInnen telemedizinische Betreuung anbieten können, schwankt naturgemäß unter den Fachrichtungen. „Liegt die Zustimmung zum Einsatz der Telemedizin im Bereich Psychiatrie bei 71 Prozent, fällt der Wert bei der Kinder- und Jugendheilkunde auf 48 Prozent und auf 28 Prozent bei der Frauenheilkunde und Geburtshilfe“, so Studienautorin Isabella Juen, MA.
Über den Telemed Monitor
Der Telemed Monitor Österreich ist eine jährliche Studie, welche von der Donau-Universität Krems durchgeführt wird. Er versucht die Entwicklung telemedizinischer Leistungen nachzuzeichnen, durch die jährliche Wiederholung vergleichbare Daten zu generieren sowie aktuelle Fragestellungen aufzugreifen. Jedes Jahr wird es einen thematischen Schwerpunkt geben.