Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) segnete letzte Woche die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verlängerung der Brachenfreigabe für landwirtschaftliche Nutzung ab. Bereits im Mai dieses Jahres hatte die damalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger entsprechend der Verordnung 158/2022 (vom 15. April 2022) Österreichs Brachflächen für 2022 freigegeben. Der Österreichische Biodiversitätsrat sieht die Verlängerung der Freigabefrist der Brachen als sehr kritisch.
In Österreich handelt es sich dabei um 9.000 ha, deren Lage für eine Bearbeitung oft schwierig ist und deren Anbaufläche für Getreide sich – bei Nutzung von zwei Drittel der Flächen – um nur 0,81 Prozent (Schätzung der AMA für 2022 inkl. Mais) vergrößern würde. Der Beitrag zur Ernährungssicherheit wäre daher sehr gering.
Brachenfreigabe bedroht langfristige Ernährungssicherheit
Ein sorgfältiger und maßvoller Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist Kernelement von Strategien, die der Überwindung der globalen Herausforderungen, allen voran Biodiversitätsverlust und Klimawandel, dienen sollen. „Bis vor kurzem wurde deshalb auch die Stilllegung von Flächen als Brachen unterstützt. Brachen sind Lebensräume mit hoher Biodiversität in Agrarlandschaften, die beispielsweise Vögeln, Insekten oder Wildbienen Schutz anbieten“, erklärt Dr. Thomas Wrbka, Professor für Botanik und Landschaftsökologe an der Universität Wien und Mitglied im Leitungsteam des Österreichischen Biodiversitätsrates. Und Dr. Franz Essl, Professor für Ökologie, ebenfalls an der Universität Wien und im Leitungsteam des ÖBDR, ergänzt: „Eine landwirtschaftliche Nutzung der Brachen ist daher wie ein Eigentor: Sie zerstört den Lebensraum der Tiere und entzieht sich dabei selbst die wichtigen Bestäuber für Obst- und Gemüsearten. Die Brachenfreigabe ist daher eine Bedrohung für die langfristige Ernährungssicherheit – und sie verschärft dabei auch die Biodiversitätskrise.”
Der Österreichische Biodiversitätsrat fordert daher, dass keine Flächen aus dem ÖPUL (Österreichisches Agrar-Umweltprogramm) freigegeben werden und besteht – wie bereits in einer früheren Aussendung betont – weiterhin auf die folgenden zwei Möglichkeiten, einer eventuellen Ernährungsknappheit zu begegnen. Zum einen fließen laut einer Einschätzung der AMA fast 80 Prozent der heimischen Getreideernte in Tiernahrung und Industrie, und nur 19 Prozent werden direkt für die menschliche Ernährung genützt. Hier kann eine rasche Umlenkung von Nahrungsströmen erfolgen. Zweitens verliert Österreich jährlich 5.500 ha an produktiven Böden durch Bautätigkeit. Eine Einschränkung der Verbauung und Zersiedelung wird für einen deutlich größeren Beitrag zur Ernährungssicherheit sorgen.
Über den Österreichischen Biodiversitätsrat
Der Österreichische Biodiversitätsrat ist die unabhängige Stimme für Biodiversität in Österreich und übernimmt dabei die Vertretung des Netzwerks Biodiversität Österreich (300 teilnehmende Personen und Organisationen). Der Rat besteht aus 27 Forscher_innen und Expert_innen der Bereiche Biodiversität, Ökologie, Landschaftsplanung, Naturschutz, ökologische Ökonomik, Agrarökonomie und Politikwissenschaften. Im Mittelpunkt der Arbeit des ÖBDR stehen die 5 Kernforderungen zum Schutz der Biodiversität in Österreich.
Rückfragen
Univ.-Prof. Dr. Franz Essl
Österreichischer Biodiversitätsrat
Ass.-Prof. Dr. Thomas Wrbka
Österreichischer Biodiversitätsrat
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