Wie steht es um die Reaktionsfähigkeit makroregionaler Strategien wie der EU Strategie für den Donauraum (EUSDR) in Krisenzeiten? Wie reagieren die Donauländer auf Gefahren und Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine? Und wie kann grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Fragen des Klimaschutzes und der Energiewende gelingen? Zum elften Mal kamen auf Einladung des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) und der Universität für Weiterbildung Krems Vertreter_innen aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Kultur zusammen, um über die Macht und Ohnmacht von Regionen zu debattieren.
Die Donau verbindet, kann aber auch trennen. Je krisenreicher die Zeiten, desto weiter drohen die Nachbarn entlang des internationalen Stroms auseinanderzudriften. Umso wichtiger sind grenzübergreifende Kooperationen und offene Gespräche zwischen den verschiedenen Akteur_innen. Diese Beobachtung teilten die internationalen Sprecher_innen der Donaukonferenz 2022, welche vom IDM und der Universität für Weiterbildung Krems unter der Schirmherrschaft der ARGE Donauländer, mit freundlicher Unterstützung des Landes Niederösterreich und in Kooperation mit dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) sowie weiteren Partnerinstitutionen (Universität für Bodenkultur Wien, IMC Fachhochschule Krems sowie das Europa-Forum Wachau) durchgeführt wurde.
Eröffnet wurde die diesjährige Konferenz mit dem Titel „Growing together or drifting apart?“, in Vertretung für Sektionsleiter Thomas Oberreiter, durch Botschafter Harald Stranzl vom BMEIA. Dieser betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit auf Makroebene im Donauraum in einer neuen geopolitischen Situation, und Veranstaltungen wie der Donaukonferenz, welche den Wandel und die Herausforderungen im Donauraum sichtbar machen und dazu einladen, zu relevanten Fragen in einen Austausch zu treten. Landesrat Martin Eichtinger hob in seiner Videobotschaft die Schlüsselrolle der Zusammenarbeit zwischen den Ländern entlang der Donau für den Frieden in Europa hervor. Auch Friedrich Faulhammer, der in seiner Doppelfunktion als neuer IDM-Vorsitzender und Rektor der Universität für Weiterbildung Krems die Gäste begrüßte, betonte, dass in dieser vielfältigen Region, die von der Donau und ihren Nebenflüssen geprägt ist und verschiedene Religionen, historische Erfahrungen, Ethnien und Traditionen miteinander verbindet, sehr viel Potential Europas liegt.
Regionale Kooperation gegen den Krieg
Die Donaukonferenz 2022 stand im Zeichen der vielfältigen Folgen des Ukrainekriegs für die gesamte Donauregion. Mit der Politikwissenschaftlerin Nadija Afanasieva, Direktorin des Ukrainischen Instituts für Internationale Politik (UIIP) in Kyjiw und Olga Pindyuk, Ökonomin am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsforschung (WIIW) teilten zwei ausgewiesene Ukraine-Expertinnen ihre Einschätzung zu den politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen des Krieges. Zur weiteren Annäherung in Richtung EU-Beitritt der Ukraine sagte Afanasieva: „Endlich haben alle in der Region verstanden, dass wir zusammen daran arbeiten müssen. Wenn wir weiter auseinanderdriften, wird die Ukraine von der Landkarte verschwinden und weitere Länder werden folgen.“ In der ersten Diskussionsrunde, die von IDM-Geschäftsführer Sebastian Schäffer moderiert wurde, debattierten neben Afanasieva auch die beiden Nationalen Koordinatoren der EUSDR, Michal Blaško für die Slowakei und Harald Stranzl für Österreich über die Potenziale und Einschränkungen von mittel- bis langfristig angelegte Strategien wie der EUSDR, wenn es darum geht auf Ereignisse mit kurzfristigem Handlungsbedarf zu reagieren. Aktuell hat Slowenien den Vorsitz inne, im November 2023 übernimmt diesen dann Österreich. Teresa Stummer hob in ihrer Funktion als Vertreterin der ARGE Donauländer die Möglichkeiten der Kulturdiplomatie hervor, die oft als Türenöffner für weitere Projekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit dient. In diesem Sinne bildete auch die Tanzeinlage zweier junger Tänzer_innen, die Stücke des moldauischen Choreografen Mihail Sosnovschi vorführten, eine abwechslungsreiche Ergänzung zu den Diskussionen am Podium.
Sektoren übergreifende Diskussionen notwendig
Die zweite Diskussionsrunde, moderiert von IDM-Forscherin Daniela Apaydin, legte den Fokus auf das verbindende Element Donau, anhand dessen Expert_innen aus unterschiedlichen Sektoren drängende Fragen der Energie, Ökologie, Demokratie und Wirtschaft diskutierten. Wie kann Europa von russischem Gas unabhängig werden und gleichzeitig klimaschädliches Handeln verhindern? Wie sieht die Zukunft der Wasserkraft aus, angesichts nicht behobener Schäden vergangener Infrastrukturprojekte? Und wie können regionale Akteur_innen auch in komplexen Krisensituationen mitbestimmen und Veränderung bewirken? Darüber debattierten neben Olga Pindyuk, die Umwelthistorikerin Gertrud Haidvogl (BOKU), auch Artur Lorkowski, Direktor der Energy Community und die Demokratie- und Regionalforscherin Sarah Meyer (Universität für Weiterbildung Krems). Letztere gab zur Rolle subnationaler Akteur_innen im Mehrebenensystem der EU zu bedenken, dass der Donauraum nicht nur über starke Interessens- und Meinungsvielfalt verfüge, sondern Regionen auch unterschiedlich starke Ausprägungen von Autonomie und Handlungsspielräumen besäßen. Lorkowski gab Einblicke in die Integration des europäischen Energiemarktes und in Herausforderungen der Energiewende. Haidvogl, die mehr Kooperation zwischen den Disziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Gesellschaft einforderte, teilte ihre Einschätzungen zu den ökologischen Bedrohungen im Donaubecken mit und wies darauf hin, dass gerade die an der Donau angrenzenden Länder wechselseitige Verantwortung wahrnehmen müssen. Pindyuk gab einen Einblick in die ökonomischen Herausforderungen der Ukraine. Aus ihrer Sicht habe die “Ukraine das Potenzial, einer der wichtigsten Energieexporteure Europas“ zu werden.
Rückfragen
Dr. Daniela Apaydin
Institut für den Donauraum und Mitteleuropa – IDM, Hahngasse 6/1/24, 1090 Wien
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