Aus dem breit gefächerten thematischen Querschnitt ragten drei Themenfelder beim 48. ESAO-Kongress besonders hervor: Organunterstützung und extrakorporale Therapien, die Bedeutung von Organoiden für die Forschung, sowie das Thema Herzunterstützung. Erkenntnisse aus der COVID19-Therapie ergänzten die Themenpalette. Verbindendes und damit entscheidendes Element für den Fortschritt bei künstlichen Organen, so Tenor des Kongresses, ist die Bioverträglichkeit der eingesetzten Materialien.
Der 48. ESAO-Kongress, der die gesamte Palette an Themen der Organunterstützung und des Organersatzes, beginnend mit extrakorporalen Therapien über extrakorporale Lebenserhaltungsmaßnahmen bis hin zu künstlichen Organen abbildete, wurde von rund 300 Expert_innen aus Europa und Übersee besucht. Eine wichtige Rolle innerhalb der Society spielt die Young-ESAO. Die Unterorganisation der Nachwuchswissenschafter_innen, die zu künstlichen Organen und extrakorporalen Therapien forschen, gab der wissenschaftlichen Arbeit und dem Austausch von PhD-Studierenden, Post-Docs und Junior Researchern breiten Raum gleich am ersten Tag des Kongresses. So nahmen an der Young-ESAO auch mehrere Teilnehmende des PhD-Studiums Regenerative Medizin der Universität für Weiterbildung Krems teil.
Der ESAO-Jahreskongress fand nach 2007 zum zweiten Mal in Krems statt, und dies sehr kurzfristig, da die Universität für Weiterbildung Krems als derzeitiger Sitz der ESAO zusammen mit der Fachhochschule IMC Krems für den Austragungsort Moskau eingesprungen ist. Univ.-Prof.in Dr.in Viktoria Weber, Leiterin des Departments für Biomedizinische Forschung, Vizerektorin für Forschung und nachhaltige Entwicklung sowie derzeit Präsidentin der ESAO: „Krems als Austragungsort war auch als Wertschätzung der Forschung an der Universität zu werten.“ Diese war beim Kongress durch Wissenschafter_innen aus den Departments für Biomedizinische Forschung sowie Gesundheitswissenschaften, Medizin und Forschung vertreten.
Extrakorporale Blutreinigung
Eines der zentralen Themen des Kongresses bildete der wissenschaftliche Fortschritt bei der Entwicklung von blutverträglichen Biomaterialien. Für die extrakorporale Nieren- und Leberersatztherapie ist die sogenannte Apherese (Blutreinigung) ein essentielles Verfahren und neben Membranen (Dialyse) sind Sorbentien, die bestimmte Schadstoffe adsorbieren und aus dem Blutkreislauf entfernen können, von Interesse. Millionen von Menschen sind auf extrakorporale Therapien angewiesen, weltweit leiden etwas über 800 Mio. Menschen an chronischen Nierenschäden, Tendenz steigend. In Österreich gibt es rund 6000 Dialysepatient_innen, wobei die jährlichen Kosten pro Patient_in bei 50.000 Euro liegen.
Die Entwicklung blutverträglicher Materialien und die Forschung zu Wechselwirkungen an der Grenzfläche von Blut und Biomaterialien war daher nicht nur eines der zentralen und sämtliche Aspekte verbindendes Themen des Kongresses, sondern ist auch ein Forschungsschwerpunkt des Departments für Biomedizinische Forschung der Universität für Weiterbildung Krems, das zu den führenden Institutionen auf diesem Gebiet zählt. Professor Claudio Ronco, Intensivmediziner aus Vicenza und einer der führenden Experten auf dem Gebiet extrakorporaler Therapien, stellte dazu in seinem Plenarvortrag neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Adsorptionstechnologien vor.
Der Dekan der Fakultät für Medizin und Gesundheit und Leiter des Departments für Biomedizinische Forschung sowie Gesundheitswissenschaften, Medizin und Forschung an der Universität Krems, Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, beleuchtete zusätzlich neue Entwicklungen zum Thema „Blood Products“, einem damit eng verbundenen Forschungsfeld von großer klinischer Relevanz.
Erkenntnisse zur Lösung des COVID19-Puzzles
Prof. Marcin Osuchowski, Leiter der Intensivmedizin-Forschung am Ludwig-Boltzmann-Institut für Traumatologie in Wien, machte das COVID19-Puzzle zum Gegenstand seines Plenarvortrags. Bei vielen schweren COVID19-Verläufen ist bisher die extrakorporale Therapie der künstlichen Beatmung zum Einsatz gekommen. Durch begleitende Forschung wurde dabei klar: Die oftmals festgestellten Blutgerinnungsaktivierungen unterscheiden sich von jenen bei einer Sepsis. Während dabei die Gerinnungsaktivierung eine hohe Anzahl an Blutplättchen verbraucht, weist eine Gerinnungsaktivierung infolge COVID eine starke Beteiligung des Gefäßendothels auf, so Viktoria Weber in Erläuterung dieser neuesten Erkenntnisse.
Die Grenzen der Organoide
Dem hohen Bedarf an Organen versucht die medizintechnische Forschung unter anderem mittels „Tissue Engineering“, dem eine eigene Session gewidmet war, zu begegnen. Ziel ist es, Gewebe oder ganze Organe im Labor zu züchten. Trotz Fortschritten in der Forschung sind künstlich gezüchtete Organe jedoch noch weit vom klinischen Einsatz entfernt, wie das Symposium zu „Bioartificial Organs“ im Rahmen des Kongresses deutlich machte. Denn eine Reihe von Fragen, insbesondere die Sicherstellung einer adäquaten Bildung von Blutgefäßen zur Versorgung der Organe, sind derzeit noch ungelöst. Das zeigten mehrere Vorträge des ESAO-Kongresses. Dagegen werden Organoide, wenige Millimeter große, organähnliche Mikrostrukturen, die mit Methoden der Zellkultur artifiziell erzeugt werden können, bereits verstärkt in der Forschung eingesetzt. Sie besitzen großes Potenzial für die Erforschung von Krankheiten, für die Entwicklung und Testung neuer Medikamente, sowie für die Untersuchung der Organentwicklung. Viele Fragestellungen können damit oftmals sogar besser untersucht werden als im Tierversuch. Es geht dabei weniger um disruptive Durchbrüche, als vielmehr um kontinuierliche Innovation.
Noch spielen Spenderorgane aber die dominierende Rolle beim Organersatz. Wie der Kongress zeigte, wird hier die Bearbeitung von Spenderorganen zur Verbesserung ihrer Transplantierfähigkeit nach deren Entnahme immer relevanter, so etwa der Vortrag von Prof. Paulo Martins von der University of Massachusetts.
Herzgesundheit und 60 Jahre Kunstherzforschung
Ebenfalls durch die COVID-19-Pandemie weiter sehr aktuell ist neben der künstlichen Beatmung das Thema Herzgesundheit und Kunstherz, insbesondere die technologischen Fortschritte, die hier in den vergangenen Jahrzehnten erreicht werden konnten. Dementsprechend war die Kardiologie beim Kongress stark vertreten. Univ.-Prof. Dr. Heinrich Schima von der Medizinischen Universität Wien gab dazu einen Rückblick auf 60 Jahre Forschung zu künstlicher Unterstützung des Herzens sowie zu der Entwicklung im Bereich Herztransplantation und Kunstherz. Österreich kann hier auf eine lange Tradition und Spitzenforschung verweisen.
Weber resümierend: „Der Kongress hat Fortschritte, aktuelle Erkenntnisse und offene Fragen im Feld der künstlichen Organe gezeigt und Richtungen der Entwicklung gewiesen. Klar ist, und das wurde deutlich, dass es immer noch Grenzen der bioartifiziellen Organunterstützung gibt.“ Denn, so Weber, ein solches System könne nie so gut wie ein natürliches Organ sein. Da sei die wissenschaftliche Entwicklung vom klinischen Einsatz noch weit entfernt. Wichtig sei daher die laufende Verbesserung von extrakorporalen Therapien und hier vor allem die Beforschung der Blutverträglichkeit aller eingesetzten Materialien als zentrales Element.
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