Die jüngsten katastrophalen Ereignisse in Südostösterreich, Slowenien und Kroatien rückten die wachsende Herausforderung der Überschwemmungen und Hochwasserschäden einmal mehr in den Fokus der Medien. Wissenschafter_innen des National Hubs Biodiversität und Wasser (BiodiWa) erklären die Ursachen für diese Ereignisse. Sie skizzieren nachhaltige, naturbasierte Lösungswege, die präventiv Überschwemmungen entgegenwirken und sich zudem positiv auf die Klima- und Biodiversitätskrise auswirken und den Bodenverbrauch eindämmen.
Hochwasser sind natürliche Ereignisse, die in intakten Flusssystemen eine wichtige Funktion haben. Wird Feuchtlebensräumen und Flüssen ausreichend Raum gegeben, bewahren sie das Gleichgewicht, indem sie schwammartig Wasser aufnehmen und abgeben, wenn es nötig ist. So fließen Hochwasserwellen deutlich flacher und vor allem langsamer ab. Diese Dynamik ist essenziell für die Funktionalität der Ökosysteme, die Vielfalt der Lebensräume und die Artenvielfalt. Ein tiefgreifendes Prozessverständnis ist von entscheidender Bedeutung, um angemessene Schutz- und Präventionsstrategien für Mensch, Siedlungen und Infrastruktur zu entwickeln.
Menschliche Aktivitäten verschärfen Hochwasserrisiko
Die Expert_innen des BiodiWa machen vor allem vier Hauptauslöser verantwortlich: Gewässerregulierungen (1) wie Flussbegradigungen und Dämme verkürzen Fließgewässer, reduzieren die Breite von Fluss und Aue und deren Verbindung zueinander und verursachen so besonders rasche und hohe Pegelanstiege in flussabwärts gelegenen Gebieten. Die Bebauung überschwemmungsgefährdeter Flächen (2) erhöht das Schadensausmaß zusätzlich, zudem werden damit auch natürliche Wasserspeicher zerstört. Durch die Bodenversiegelung (3) kann Niederschlagswasser nicht mehr ausreichend versickern. Auch großflächige Abholzungen sowie unsachgemäße landwirtschaftliche Bodenbewirtschaftung verringern das natürliche Wasser-Rückhaltevermögen des Bodens. Wasser fließt schneller ab, es kommt zu Überflutungen, Bodenerosion und die Gefahr für Murenabgänge wird erhöht. Ausgelöst durch die Klimakrise (4) treten im Alpenraum jedoch vermehrt anhaltend starke flächendeckende oder sehr starke lokale Niederschläge auf.
Integrativer Ansatz notwendig
Expert_innen fordern einen integrativen Ansatz, um den Herausforderungen auf mehreren Ebenen zu begegnen: (1) verstärkte Maßnahmen zum passiven Hochwasserschutz, der auf naturbasierten Lösungen fußt und auch im Sinne des europäischen Renaturierungsgesetzes („Nature Restoration Law“) und der EU-Wasserrahmenrichtlinie erfolgt. Gesunde Fluss-Ökosysteme mit ihren Flussauen und Feuchtgebieten müssen wiederhergestellt werden bzw. – wo noch vorhanden – streng vor weiterer Verbauung geschützt werden. Natürliche Gewässer-Ökosysteme mit hoher Biodiversität wirken sich zudem positiv auf unser Klima aus, weil sie Kohlenstoff speichern und den Wasserhaushalt regulieren. Naturbasierte Lösungen zum Hochwasserschutz haben oftmals auch einen abschwächenden Effekt auf Dürreereignisse, die das andere Ende hydrologischer Extremereignisse widerspiegeln und, ebenfalls durch den Klimawandel ausgelöst, deutlich öfter auftreten. (2) Ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen sind von der Politik einzufordern. Die hinreichend bekannten zielführenden Schritte zur Reduktion der Treibhausgase müssen endlich konsequent umgesetzt werden. Damit wird auch die Häufigkeit des Auftretens von Extremwetter-Ereignissen reduziert.
Zudem muss (3) Raumplanung nachhaltig gedacht, Zuständigkeiten müssen neu evaluiert werden. Der Bodenversiegelung ist Einhalt zu gebieten. Aufgelassene verbaute Flächen müssen entsiegelt, renaturiert und Ökosysteme wiederhergestellt werden. Als rasch wirksame Maßnahmen zur Milderung der Hochwassergefahr müssen lokal auch zusätzliche Investitionen in (4) technische Hochwasserschutzmaßnahmen (Schutzdämme, Deiche, Rückhaltebecken etc.) getätigt werden. Technische Maßnahmen sollten aber auf den Schutz von Siedlungsräumen und wesentlicher Infrastruktur beschränkt bleiben. Flussauf- bzw. flussabwärts muss der Fokus auf Renaturierung und die Bereitstellung von Flächen für Wasserrückhalt zum passiven Hochwasserschutz gerichtet sein. Außerdem können Menschen durch Investitionen in fortschrittliche Frühwarnsysteme, die auch neue Modelle der Klimaerhitzung miteinbeziehen, rascher und detaillierter über potenzielle Gefahren informiert werden.
Über den National Hub Biodiversität und Wasser
Die Vernetzungsarbeit des National Hubs Biodiversität und Wasser und seine Interdisziplinarität mit notwendiger Expertise auf allen Ebenen unterstützt die Zusammenarbeit aller Interessensvertreter_innen, nämlich Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Mit Zugang zu Expert_innenwissen und einer breiten Informationsvermittlung trägt BiodiWa dazu bei, integratives Hochwassermanagement weiterzuentwickeln und nachhaltige Lösungen für die Hochwasserproblematik voranzutreiben.
Dieser Artikel entstand unter Mitwirkung folgender Expert_innen des National Hubs BiodiWa: Dipl.-Ing. Dr. Florian Borgwardt (BOKU Wien), Univ.-Prof. Dr. Thomas Hein (BOKU Wien), Dr. Robert Konecny (Umweltbundesamt Wien), em. Univ.-Prof. Dr. Roland Psenner (Eurac Bozen), Priv.-Doz.in Dr.in Gabriele Weigelhofer (WasserCluster Lunz); Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Helmut Habersack (BOKU Wien) und Dipl.-Ing. Dr. Günther Unfer (BOKU Wien).
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