Zwangsarbeit war Teil des nationalsozialistischen Machtsystems, in fast jedem Ort bestanden lagerähnliche Unterkünfte für Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter_innen. Im Projekt „NS-Volksgemeinschaft und Lager“ forschen die Universität für Weiterbildung Krems und das Institut für jüdische Geschichte Österreichs, St. Pölten, in einem dreijährigen Projekt zu diesen vergessenen NS-Lagern in Niederösterreich. Bei dieser Suche nach Erinnerungsstücken wird auch auf die Unterstützung durch Citizen Scientists gezählt. Der Auftakt-Workshop wird am 20. Jänner 2023 an der Universität für Weiterbildung Krems stattfinden.
Die Neuerrichtung des Kremser Hafens, der Bau des Blechwalzwerkes „Schmidhütte“ und der dazugehörigen Werksiedlung in Lerchenfeld sind markante Beispiele der regen Bautätigkeit während der NS-Zeit in Krems. Für die Errichtung dieser Anlagen, die heute noch bestehen, wurden zivile Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt. Die meisten wurden aus dem Lager STALAG XVII B Krems-Gneixendorf für diese Arbeiten herangezogen, einem der größten Lager im gesamten Dritten Reich. Untergebracht waren Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter_innen aber nicht nur am riesigen Lagergelände, sondern oft auch in Sammelunterkünften direkt bei ihren jeweiligen Arbeitgebern. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges und der Einberufung von Männern in die Wehrmacht wurden immer mehr Zwangsarbeiter_innen und Kriegsgefangene in Fabriken, Mittel- und Kleinbetrieben sowie in der Landwirtschaft eingesetzt. Es kann davon ausgegangen werden, dass in beinahe jedem Ort eine lagerähnliche Unterkunft vorhanden war, in der Menschen untergebracht waren, die während der NS-Zeit Zwangsarbeit verrichten mussten.
Spärliche Datenlage
Im Projekt „NS-Volksgemeinschaft und Lager“ forschen die Universität für Weiterbildung Krems und das Institut für jüdische Geschichte Österreichs, St. Pölten, in einem dreijährigen Projekt zu diesen vergessenen NS-Lagern in Niederösterreich und laden Interessierte dazu ein, sich gemeinsam mit dem Forschungsteam auf Spurensuche zu begeben. „Es ist nicht einfach, die Geschichte dieser Lager zu rekonstruieren“, so Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Edith Blaschitz, Historikerin der Universität für Weiterbildung Krems, die für die Forschung im Bezirk Krems zuständig ist: „Es gibt nur noch wenige Zeitzeug_innen, und Dokumente sind über viele internationale Archive zerstreut. Wir hoffen, dass in den Familien noch Briefe, Fotos, Objekte oder Erinnerungen vorhanden sind, die über die Zwangsarbeit hier im Bezirk Krems Auskunft geben.“
Rückgriff auf kollektives Gedächtnis
Am 20. Jänner 2023 startet in Kooperation mit dem museumkrems, dem Stadtarchiv, der Stadtbücherei und Mediathek Krems sowie der Topothek Krems die Workshop-Serie „NS-Lager im Bezirk Krems“. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich auf die Suche nach Hinterlassenschaften der NS-Lager und der Internierten zu begeben. Gefundene Objekte, Fotos oder Dokumente werden analysiert und können in die Topothek aufgenommen und dem Stadtarchiv oder dem museumkrems übergeben werden. „Wir hoffen auf interessante Informationen, Erzählungen und Objekte bzw. Dokumente und Fotos, die wir dann in unsere Sammlungen aufnehmen können. So ergeben sich neue Perspektiven auf die Kremser Zeitgeschichte, die wir auch im museumkrems zeigen wollen“, so MMag. Gregor Kremser, PhD, Leiter des Kulturamts Krems und des museumkrems.
Gute Erfahrungen mit Freiwilligen
„Seit mehreren Jahren sammeln wir wertvolle Erfahrungen mit einem exzellenten Freiwilligenteam in unseren städtischen Kultureinrichtungen. Daher unterstützen wir mit Überzeugung die gemeinsame Spurensuche und sind mit dem museumkrems, dem Stadtarchiv und der Stadtbücherei gerne Partner des Forschungsprojekts“, sagt Doris Denk, BA, Leiterin des Bereichs Bildung, Kultur und Tourismus der Stadt Krems. Im Rahmen der Workshops finden für Citizen Scientists zudem geführte Touren zu ausgewählten ehemaligen Lagerorten statt, deren derzeitiger Zustand fotografisch dokumentiert und anschließend analysiert wird. „Gegenwärtige Fotografien treffen auf historische Dokumente. Das Zusammenwirken ermöglicht andere Blickwinkel und Betrachtungsweisen“, so Karin Böhm, die die Workshops als Fotografin begleiten wird.
Workshop: NS-Lager im Bezirk Krems
Termin: 20. Jänner 2023
Beginn: 18:00 Uhr
Ort: Universität für Weiterbildung Krems, Seminarraum SE C 2.01 (Neubau)
Anmeldung: per Mail an daniela.wagner@donau-uni.ac.at oder unter 02732/893-2553