Eigentlich wollte Jan Christoph Purrucker BWL, Informatik oder Jura studieren. Heute ist er Oberarzt, Notfallmediziner und Schlaganfallexperte in Heidelberg. Eine Arbeit, die er im Klinikalltag und in der Forschung mit viel Herz und Motivation ausübt.

Von Christina Badelt

Die Entscheidung, eine medizinische Laufbahn einzuschlagen, hat Jan Purrucker einem glücklichen Umstand auf einer seiner Reisen als junger Mann zu verdanken: „Während eines China-Aufenthalts begleitete unsere Gruppe ein Medizinstudent, der in einem Krankenhaus in der Nähe meines Heimatortes bei Hamburg seinen Zivildienst abgeleistet hat. Auf der 30-stündigen Zugreise erzählte er viel Spannendes und Positives, sodass ich mich auch für die Stelle in der internistischen Notaufnahme dieser Klinik entschied, obwohl es sicher viele andere und deutlich entspanntere Zivildienststellen gegeben hätte.“ Nach einer harten ersten Zeit war er nach dem Jahr dennoch überzeugt, das Richtige gefunden zu haben, und der Entschluss, Medizin zu studieren, stand fest. Sein Weg führte ihn dabei im Rahmen eines ERASMUS-Aufenthalts nach Valencia, dann weiter zur Facharztweiterbildung nach Heidelberg, erzählt der heute 37-Jährige. „Von Beginn an hat mich die Tatsache fasziniert, dass man in diesem Beruf immer naturwissenschaftliche, soziale und gesellschaftliche, aber auch geisteswissenschaftliche Perspektiven im Auge haben sollte.“

Im Alter von 34 Jahren beschloss Jan Purrucker, an der Donau-Universität Krems berufsbegleitend den „European Master in Stroke Medicine“ zu absolvieren. Eine entscheidende Lernerfahrung, schildert er: „Im Medizinstudium hört man zwar Vorlesungen über Schlaganfälle, doch es kann passieren, dass man durchs gesamte Studium kommt, ohne jemals bei einer akuten Schlaganfallversorgung dabei gewesen zu sein – oder tiefer in die Hintergründe der Behandlung einzusteigen. Im ärztlichen Alltag erlernt man dann schnell den ‚State of the Art‘ der Schlaganfallbehandlung, aber dennoch bleiben Zusammenhänge offen, denn man kann auch von Dingen lernen, die in der Vergangenheit bereits vergeblich getestet wurden.“ Für Krems habe sich Purrucker entschieden, weil die Weiterbildung dort weltweit einmalig sei. „Nirgendwo sonst kommen so viele Koryphäen der Schlaganfallmedizin als Lehrende zusammen.“ Das Weiterbildungsstudium hat es dem Neurologen außerdem ermöglicht, sich mit Kollegen aus der ganzen Welt auszutauschen und die zahlreichen Studien und Behandlungsansätze intensiv zu diskutieren. „Wir pflegen nach wie vor eine virtuelle Gruppe, in der wir spannende Einzelfälle besprechen. Inzwischen bin ich auch in einer Position, in der ich selber Entscheidungen treffen kann und muss. Ich bin froh über das zusätzliche Wissen, das mich im Alltag leitet.“

„Nirgendwo sonst als in Krems kommen so viele Koryphäen der Schlaganfallmedizin als Lehrende zusammen.“

Jan Christoph Purrucker

"Optimierungsbedarf bei Nachbetreuung"

Heidelberg war und ist weltweit eines der führenden Zentren in der Entwicklung und Anwendung von Therapien in der Schlaganfallmedizin. Obwohl es große Fortschritte in der Therapie gibt, bleibt insbesondere bei Hirnblutungen das Repertoire an Akuttherapien limitiert und die Prognose ist schlecht. Eine der Motivationen für den Mediziner, dazu zu forschen: „In der präklinischen Versorgung von Schlaganfallpatienten, etwa in der optimierten und digitalisierten Zuweisung zu Akutkliniken, gibt es noch viele offene Fragen und Optimierungsmöglichkeiten.“ Aktuell ist Jan Purrucker als habilitierter Oberarzt an einer der Neurologischen Universitätsklinik angegliederten Schlaganfallstation tätig. Große Herausforderungen ergeben sich laut dem Experten im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Arbeiten und einer patientengerechten Diagnostik. „Die Arbeit an einem peripheren Standort hat den Vorteil, dass man Patienten von der Notaufnahme über die Akuttherapie bis hin zur ersten stationären Rehabilitation begleiten kann.“ Aufgrund der demographischen Entwicklung ist eine Zunahme von Schlaganfällen durch das höhere durchschnittliche Lebensalter der Bevölkerung und das damit gehäufte Auftreten von klassischen Risikofaktoren zu erwarten, prognostiziert der Notfallmediziner. „Sowohl für junge als auch für alte Menschen ist die Nachbetreuung von Schlaganfällen aber unzureichend organisiert. Insbesondere soziale und psychische Aspekte finden keine finanzielle und somit auch keine reale Abbildung in der klinischen Schlaganfallnachsorge, wenn man von einzelnen guten Rehakliniken absieht.“ Auf dem europäischen Schlaganfallkongress im Mai 2019 wurde dazu eine wichtige Arbeit aus Innsbruck vorgestellt, schildert Jan Purrucker weiter: „Die Untersuchungen zeigen, dass durch eine einfache und kostengünstige spezialisierte Schlaganfall-Nachsorgevisite drei Monate nach einem Infarkt nicht nur das Wiederholungsrisiko gesenkt wird, sondern auch die Lebensqualität steigt.“

Neben dem ärztlichen (Notfall-)Alltag sind Zeit mit seiner Familie und in der Natur für den jungen Oberarzt ein idealer Ausgleich. Beruflich sieht er sich in den kommenden Jahren weiterhin im Akutbereich: „Ich möchte forschen und helfen, die Versorgung in der Praxis weiter zu optimieren. Wir sind auf einem guten Weg, aber es gibt noch viel zu tun.“


JAN CHRISTOPH PURRUCKER
PD Dr. med. Jan Christoph Purrucker, MSc habilitierte sich an der Medizinischen Fakultät in Heidelberg, nachdem er an der Saarland­Universität in Homburg (Deutschland) und an der Universität von Valencia (Spanien) Medizin studierte. Der Facharzt für Neurologie und Notfallmedizin an der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg absolvierte von 2016 bis 2018 den „European Master in Stroke Medicine“ an der Donau-­Universität Krems.

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