26. März 1999 – Vor 25 Jahren wurde das zweite Zusatzprotokoll zum Haager Abkommen von 1954 beschlossen und damit der Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten verstärkt
Am 26. März 1999 setzten Vertreter von 27 Staaten bei der Konferenz in Den Haag ihre Unterschriften unter das „Zweite Protokoll zum Haager Abkommen von 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten“ und erklärten somit den Text für verbindlich. Mit diesem feierlichen Akt bewies die Niederlande erneut ihr ernsthaftes Engagement, humanitäre Standards bei Kriegen einzuführen: Ziemlich genau 55 Jahre zuvor (14. Mai 1954) wurde dort das Haager Abkommen zum Schutz von Kulturgut verabschiedet, hundert Jahre zuvor, 1899, fand in dieser Stadt die erste Haager Friedenskonferenz statt: Vertreter von 26 Staaten kamen damals über die Grundzüge des Humanitätsrechts im Kriege überein und verabschiedeten die „Haager Landkriegsordnung“, die die Behandlung der Zivilbevölkerung, von Spionen, Kriegsgefangenen, Kranken und Verwundeten im Krieg regelte. Diese grundlegenden Bestimmungen sind heute noch gültig.
War also die Respektierung des Kulturgutes bei bewaffneten Konflikten im Abkommen von 1954 grundsätzlich geregelt, so zeigten vor allem die in den Balkankriegen verübten Gräuel die Grenzen und Schwachstellen des Haager Abkommens auf: Der Beschuss von Dubrovnik im Dezember 1991 (die Altstadt war zu diesem Zeitpunkt bereits Welterbe) und die Zerstörung der Brücke von Mostar 1993 (sie wurde nach dem Wiederaufbau 2005 in die Welterbeliste aufgenommen) wurden nicht nur weltweit mit Schrecken wahrgenommen, sondern vom „Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien“ in Den Haag als Kriegsverbrechen mit Gefängnisstrafen geahndet. Zudem bot das Ende des kalten Krieges neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit in einem Klima des Vertrauens: das Protokoll von 1999 setzte den Anfang von insgesamt vier Kulturerbe-Abkommen, die im Rahmen der UNESCO bis 2005 verabschiedet wurden.
Im zweiten Protokoll wurden eine Reihe von neuen Regelungen eingeführt, wie die Definition der „militärischen Notwendigkeit“, die einen Angriff auf Kulturgut rechtfertigen könnte, der „verstärkte Schutz“ für Welterbestätten sowie individuelle Straftatbestände; es wurden aber auch ein Fond zur Finanzierung von Schutzmaßnahmen und ein zwischenstaatliches Komitee zur Koordination dieser Aktivitäten geschaffen.
2004 trat das Protokoll in Kraft; bislang sind 88 Staaten (von rund 200 Staaten weltweit) dem Abkommen beigetreten.
Österreich (das 2002 den Text ratifizierte) trug zum Gelingen des Protokolls bei: zeigte es beim Abkommen von 1954 und bei der 1972 Welterbekonvention noch jahrelange Zurückhaltung (zum 1954 Abkommen trat es erst 1964 bei, beim Welterbe dauerte es gar 20 Jahre – 1992 – bis die Ratifikation erfolgte), so lud Österreich 1998 zur Entwurfs-Konferenz nach Wien ein und finanzierte daraufhin für die Tätigkeit bei der UNESCO über das Haager Abkommen einen österreichischen Experten. Die damalige starke Position Österreichs im Bereich des militärischen Kulturgüterschutzes (Dank der engen Kooperation zwischen Verteidigungs- und Kulturministerium und mit der NGO „Österreichische Gesellschaft für Kulturgüterschutz“) führte schließlich zu internationaler Anerkennung: Als 2007 das zwischenstaatliche Komitee seine Tätigkeit aufnahm, wurde der Jurist im österreichischen Kulturministerium, Dr. Christoph Bazil (heute Präsident des Bundesdenkmalamtes), von der Staatengemeinschaft zum Vorsitzenden des Komitees gewählt.
Das JTZ kann in Anspruch nehmen, dass (ehemalige) Mitarbeiter des Zentrums am Zustandekommen des Protokolls mitgewirkt haben: Jiří Toman’s umfangreicher Kommentar zur 1954 Haager Konvention diente in der Vorbereitungsphase als wesentliche Stütze bei der Erfassung der Schwachstellen des bisherigen Abkommens. Der Verfasser dieses Beitrages – als Vertreter des UNESCO-Welterbezentrums bei den Entwurfs-Konferenzen 1997 und 1998 vor Ort – vermittelte den Experten Erfahrungen aus dem Bereich des Welterbes (das Welterbe diente als Vorbild und wurde daher im Protokoll umfassend berücksichtigt), er stimmte sich dabei ständig mit dem damaligen Direktor des Welterbezentrums, Bernd von Droste, in dieser wichtigen Angelegenheit ab. Und auch Jiří Toman blieb mit dem zweiten Protokoll eng verbunden: 2009 veröffentlichte er bei der UNESCO seinen umfangreichen Kommentar zum Protokoll (892 Seiten), der auch heute noch als Standardwerk gilt.
Peter Strasser
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Weiterführende Literatur
Jiří Toman: Cultural Property in War : Commentary on the 1999 Second Protocol to the Hague Convention of 1954 for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict. Paris: UNESCO Publishing 2009 (ISBN 978-92-3-104142-6) (Englisch, überarbeitete Version auch auf Französisch erschienen: Les biens culturels en en temps de guerre : Quel progrès en faveur de leur protection ? Commentaire article-par-article du deuxième protocole de 1999 relatif à la Convention des biens culturels en cas de conflit armé. Paris: Éditions UNESCO 2015 (ISBN 978-92-3-200066-8))
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