14.02.2020

Der Umgang der USA mit Kindern von ImmigrantInnen sorgt seit Langem für Kritik und Rechtsstreitigkeiten. Seit dem Jahr 1985 wird im Fall Flores über die Inhaftierung und die Rechte von Kindern und Jugendlichen in grenznahen Einrichtungen gestritten. Namhafte RechtswissenschaftlerInnen beteiligen sich durch ihre juristische Beurteilung an dem Verfahren, darunter Ass. Prof. Gabriel M. Lentner vom Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen.

Am Bundesberufungsgericht in San Francisco wird aktuell verhandelt, ob es zulässig ist, Kinder getrennt von ihren Eltern unbefristet zu inhaftieren und welche Mindeststandards in der Unterbringung von Kindern an der Grenze erfüllt werden müssen. Bei der Erörterung der Rechtsfragen beteiligen sich am Gerichtsverfahren amici curiae – wörtlich übersetzt: Freunde des Gerichts. Es handelt sich hierbei in der Regel um Personen oder Institutionen, die nicht Streitparteien sind, sondern  das Gericht lediglich mit der Darstellung der Rechtslage und Spezialwissen unterstützen.  

Internationale Rechtsexpertise

Mehr als 125 JuristInnen aus NGOs sowie RechtswissenschaftlerInnen und ExpertInnen mit Spezialwissen in internationalem Recht, in Kinder-, Migrations- und Menschenrechten beteiligten sich an dem Schreiben zur Beratung des Gerichts. Auch internationale RechtsprofessorInnen aus Österreich, Australien, den Niederlanden, Südafrika, Spanien und Großbritannien unterstützen die Rechtsansicht, dass grundlegende Menschenrechte zu berücksichtigen sind. Dazu gehören die Rechte von Kindern, nicht unrechtmäßig inhaftiert zu werden, auf besonderen Schutz und dass bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, ihr Wohl zu berücksichtigen ist. Aus Österreich unterstützen den Schriftsatz Ass. Prof. Dr. Gabriel M. Lentner, Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Donau-Universität Krems, und Univ.-Doz. Dr. Manfred Nowak, LL.M von der Universität Wien und langjähriger Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter.

Kinderrechtsschutz durch völkerrechtliche Verpflichtungen

„Dass bei der Behandlung von Kindern [auch wenn sie an der Grenze aufgegriffen wurden] das Kindeswohl an erster Stelle steht, ist nicht nur eine moralische Pflicht der Regierung. Sie ist ein zwingendes Erfordernis nach internationalem Recht und gilt für jedes Kind in den USA, unabhängig von Nationalität oder Einwanderungsstatus“, fasste Aaron X. Fellmeth, Dennis S. Karjala Professor für Recht, Wissenschaft und Technologie an der Arizona State University in Phoenix, die Rechtsposition der amici curiae zusammen. Sie gehen davon aus, dass die von der Regierung verfügten Verschärfungen im Vollzug gegen verbindliches internationales Recht verstoßen. Ob diese Verschärfungen rechtlich zulässig sind oder nicht, hat das Berufungsgericht nun zu entscheiden.   

Tatsächlich seien die Bedingungen für Kinder an der Grenze erschreckend, so Warren Binford, Rechtsprofessorin der Universität Willamette: „Wir fanden 350 Kinder, darunter Säuglinge und Kleinkinder, die von der US-Regierung tage- und wochenlang in einem Lagerhaus, einer Laderampe und überfüllten Gefängniszellen ohne erwachsene Betreuer und mit unzureichender Nahrung, Bettzeug und Hygiene eingesperrt waren.“

Der Fall Flores und seine Folgen

Die juristische Auseinandersetzung begann 1985, als im Namen unbegleiteter Kinder, die monatelang zusammen mit nicht verwandten Erwachsenen festgehalten, routinemäßigen Leibesvisitationen unterzogen und ohne Zugang zu Bildung, Erholung oder Familienbesuchen festgehalten wurden, eine Klage eingereicht wurde. Dieser Prozess wurde als Flores v. Reno bekannt und endete vorläufig mit der sogenannten „Flores-Vereinbarung“, nach der sich die Regierung 1997 verpflichtete das Kindeswohl besser zu schützen. Der Großteil der unbegleiteten Kinder wurde in staatlich zugelassenen Einrichtungen untergebracht und betreut. Die Vereinbarung stellte auch konkrete Bedingungen an Sicherheit und Hygiene in diesen Einrichtungen. 2015 stimmte die US-Regierung nach einem erneuten Prozess zu, die meisten Kinder in die Obhut von Verwandten in den USA zu entlassen oder sie innerhalb von 20 Tagen in kindgerechten Einrichtungen unterzubringen. Die Einhaltung dieser Flores-Vereinbarung wird auch mit regelmäßigen Überprüfungen durch Gerichte sowie Anwältinnen und Anwälte sichergestellt.

Der Ausgang des Verfahrens hat daher in jedem Fall weitreichende Konsequenzen für das Wohl von Kindern in der Obhut der US-Einwanderungsbehörden.

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