12.09.2023

Der Weg ins HR-Management war für Hermann Höllhubner, MSc nicht vorgezeichnet. Er begann seinen Karriereweg als Lehrling zum chemischen Verfahrenstechniker und entwickelte sich sukzessive weiter. Nach 20 Jahren Schichtarbeit in der Produktion bekam er die Chance, ins Personalmanagement zu wechseln. Heute arbeitet er als Recruiting Experte bei der Lenzing AG und ist für die Personalführung der Arbeiter und Arbeiterinnen verantwortlich.

Vom Lehrling über den Werkmeister zum Personalmanager eines internationalen Konzerns“ war meine Conclusio, nachdem ich Ihren Lebenslauf gelesen hatte. Ich finde, Sie haben einen sehr interessanten Werdegang. Und noch etwas ist mir aufgefallen: Sie müssen eine große Liebe zum Lernen haben.

Ja, das könnte man so verstehen, wenn man meinen Lebenslauf liest. Ich nehme an, Sie meinen, dass ich im fortgeschrittenen Alter den Entschluss gefasst haben, zu studieren.

Eher, dass Sie bereits in sehr jungen Jahren begonnen haben, konsequent an Ihrer beruflichen Weiterbildung dranzubleiben.

Das stimmt schon. Aus meiner Sicht war das auch unbedingt nötig, um voranzukommen.

Ganz am Anfang habe ich mich entschieden, den Beruf des Chemieverfahrenstechnikers zu erlernen. Chemie hat mich immer interessiert. Da war es naheliegend, die Lehrausbildung bei der Lenzing AG zu absolvieren, um in diesem Beruf zu arbeiten. Das hieß damals Schichtarbeit und als junger Mann hat mich das nicht gestört. Ich wollte unter den Rahmenbedingungen der Schichtarbeit weiterkommen und war selber lange - über 20 Jahre - auf Schicht. Schichtmeister war damals eine sehr angesehene Position mit immerhin 60 bis 65 MitarbeiterInnen.

War das Ihre erste größere Führungsposition?

Genau. Mein Aufstieg erfolgte stufenweise über den Vorarbeiter, Schichtführer und dann den Schichtmeister.  Das Spannende dabei ist, dass man noch selbst auf der Schicht ist und die eigentliche Arbeit mit den sozialen Aspekten der Führung verbinden muss. Als Schichtarbeiter kennt man wenig soziale Regelmäßigkeit.

„Ich wollte unter den Rahmenbedingungen der Schicht weiterkommen. Schichtmeister war damals eine sehr angesehene Position.“

Hermann Höllhubner, MSc

Absolvent - Leadership & Management

Ich habe damals zum Beispiel meine Tätigkeit als Vereinsfußballer aufgegeben. Ich hätte meinen ganzen Urlaub in mein Hobby stecken müssen. Aus diesem Grund habe ich dann auch Hobbies ergriffen, wie Fahrradfahren oder Berggehen, wo ich zeitlich unabhängig war. Meine Ambition war: Wenn schon Schicht, dann möchte ich etwas daraus machen und diese Tätigkeit als Sprungbrett nützen, um irgendwann in die Tagschicht mit besseren Arbeitszeiten wechseln. Das war definitiv eine Motivation, die mit den Jahren natürlich stärker geworden ist.

Schichtarbeit ist Schwerarbeit.

Definitiv. Anfangs habe ich teilweise das Tageslicht nicht gesehen, weil ich so gut geschlafen habe. Ich bin im Winter um 6:30 in der Früh nach Hause gekommen, hab mich niedergelegt und bin im Dunkeln wieder aufgewacht und arbeiten gegangen. Nach 15 – 20 Jahren spürt man die körperliche und psychische Belastung. Wenn du nicht ausgeschlafen bist, bist Du nicht leistungsfähig.

Ich habe dieses Thema in einigen Arbeiten während meines Studiums in Krems aufgenommen, auch in meiner Masterarbeit. Mir ist dieses Thema bis heute wichtig, weil mir die Arbeiter wichtig sind. Und ich bin froh, dass ich heute als Personalchef der Arbeiter und Arbeiterinnen tätig bin, weil ich mich gut hineinversetzen kann in ihre Arbeitsrealität und nachfühlen kann, wo es zwickt.

Im Jahr 2012 wurde Ihnen angeboten, die Produktionsleitung für die neue Lyocell-Anlage, die damals errichtet wurde, zu übernehmen.

Ja. Nach über 20 Jahren Schichtarbeit, 11 davon als Schichtmeister, bekam ich die Chance, neue Führungsaufgaben zu übernehmen. Neben der Verantwortung für die Produktion war ich als Produktionsleiter auch für die Führung der Produktionsmannschaft verantwortlich. Das waren rund 125 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. In dieser Zeit ist das Thema Führung immer wichtiger für mich geworden und ich wollte mehr darüber wissen. Teilweise war ich mit sehr komplexen Führungsthemen konfrontiert, die auch psychologische Aspekte berührten. In dieser Phase habe ich begonnen, mich nach Weiterbildungsmöglichkeiten umzuschauen.

„Die Entscheidung studieren zu gehen, war kein leichter Schritt. Für mich war das Neuland.“

Hermann Höllhubner, MSc

Absolvent - Leadership & Management

Wie sind Sie auf den Masterlehrgang „Leadership & Management“ gekommen?

Auf den Masterlehrgang „Leadership & Management“ der Universität für Weiterbildung Krems bin ich zufällig gestoßen, denn in meinem Kopf war verankert, dass ich als Werkmeister nicht die Voraussetzungen für eine universitäre Weiterbildung habe. Mir hat extrem gut gefallen, dass für den Masterlehrgang auch meine jahrzehntelange berufliche Praxis anerkannt wurde. Die Entscheidung studieren zu gehen, war kein leichter Schritt. Für mich war das Neuland und ein Studium ist – auf gut Deutsch - kein Kindergeburtstag, vor allem nicht neben Beruf und Familie. Ich habe das auch mit meiner Frau diskutiert und habe dann den Entschluss gefasst: „Wenn die Uni mich nimmt, mache ich das“. Und die Entscheidung war absolut richtig.

Wie ist es Ihnen im Studium gegangen?

Als ich gemerkt habe, dass in der Klasse mehrere wie ich – mit ähnlichen Voraussetzungen - sitzen, habe ich begonnen, mich wohler zu fühlen. Mit manchen Mitstudierenden haben sich sogar Freundschaften entwickelt, die bis heute halten. Das ist wirklich schön! Auch die Themen, die behandelt wurden, waren für mich absolut relevant. Natürlich ist nicht jedes Thema für jeden gleich wichtig. Mir sind zum Beispiel die Module mit Mag. Rumpler zum Thema Führung noch stark in Erinnerung. Das war genau mein Thema.

„Nach über 20 Jahren Schichtarbeit bekam ich die Chance, neue Führungsaufgaben zu übernehmen. “

Hermann Höllhubner

Absolvent - Leadership & Management

Mir ist auch klar geworden, dass vieles, was ich in den letzten Jahren in der Praxis gemacht hatte, richtig war. Ich habe im Studium dazu den theoretischen Hintergrund kennengelernt. Besonders das Thema der emotionalen Intelligenz in der Führung hat mich sehr interessiert, weil es für mich immer wichtig war, sich zu fragen, was mein Führungsverhalten bei einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin auslöst. Das ist für mich zum Leitbild beim Führen geworden.

In Ihrer Masterarbeit haben Sie sich mit der Zufriedenheit der Arbeiterinnen und Arbeiter in der 5-Schicht bei der Lenzing AG befasst.

Genau. Mir war und ist noch immer wichtig ist, welche Themen unsere Arbeiterinnen und Arbeiter auf der Schicht beschäftigt. Wir haben vor einigen Jahren das Schichtsystem umgestellt. Ich selbst habe noch im 4-Schichtsystem gearbeitet. Da hat man sieben Tage gearbeitet und mit einer Nachtschicht um 6 Uhr aufgehört. Das heißt, man war an diesem Tag damit beschäftigt, sich zu erholen und dann hatte man noch einen Tag frei – mit dem Wissen, dass man an nächsten Tag wieder um 4 Uhr aufstehen muss. Einmal im Monat hatte man ein freies Wochenende. Das war sehr anstrengend und hat mit dem Körper schon etwas gemacht, Außerdem war es sehr schwierig, seine sozialen Kontakte zu pflegen.

Als wir die Lyocell-Anlage errichtet haben, haben wir von Anfang an festgelegt, in einem 5-Schichtsystem zu produzieren.  Das heißt, wir arbeiten sechs Tage, davon zwei Frühschichten von 6 bis 14:00 Uhr, dann zweimal von 14:00 bis 22:00 Uhr und zweimal von 22:00 bis 6:00 Uhr. Dann hat man vier Tage frei. So hat man eine Chance, sich zu erholen. Das wurde durch die Umfrage unter den Schichtarbeitern für meine Masterarbeit auch bestätigt.

Wir haben der Belegschaft damals freigestellt, ob sie im neuen oder im alten Schichtsystem arbeiten möchten. Dabei hat sich das das neue System eindeutig durchgesetzt. Heute würde niemand mehr in das 4-Schicht-System zurückwollen. Das war damals eine Revolution.

„Es ist eine große Herausforderung, Facharbeiter und Facharbeiterinnen zu gewinnen und zu binden, besonders in der Schichtarbeit.“

Hermann Höllhubner, MSc

Absolvent - Leadership & Management

Welche Themen beschäftigen Sie aktuell in Ihrer Tätigkeit?

Das Thema Schichtarbeit und die Zufriedenheit damit beschäftigen mich nach wie vor. Ein anderes sehr wichtiges Thema ist für mich als Personalleiter der aktuelle Facharbeitermangel. Es ist heute eine große Herausforderung, Facharbeiter und Facharbeiterinnen zu gewinnen und zu binden, ganz besonders in der Schichtarbeit.  

Die Maschinen müssen 24 Stunden laufen. Dafür braucht es, hochkompetentes Personal.

Ja, genau. Die Maschinen sind hochkomplex und die Digitalisierung tut ein Übriges dazu. Mit ein paar Wochen Einschulung ist da gar nichts erreicht. Es dauert teilweise Jahre, bis jemand richtig gut ist. Daher ist die Bindung an das Unternehmen so wichtig. Das ist heute das Kernthema und dafür geben wir viel.

Kann Weiterbildung eine Rolle bei der Bindung von Fachkräften spielen?

Ich kann es aus meiner Erfahrung heraus empfehlen. Aber es ist sicherlich nicht für jeden ein Studium erstrebenswert und nicht jeder möchte sich, in einen anderen Bereich entwickeln. Die Produktion ist hochinteressant und hat mich enorm interessiert, sonst wäre ich nicht Produktionsleiter geworden. Aber letztlich waren mir die Menschen, die hinter der Maschine stehen, wichtiger. Das war der Grund, warum ich in die HR gewechselt bin, als sich die Möglichkeit ergab und der damalige Personalchef in Pension ging.

Ich kann mir vorstellen, dass Sie für manche im Unternehmen ein Role Model sind. Ein Beispiel dafür, dass es im Unternehmen viele Möglichkeiten gibt, sich zu entwickeln.

Durchaus. Es hat sicherlich auch damit zu tun, inwiefern jemand bereit ist, neu gewonnenes Wissen umzusetzen. Ich konnte wirklich viel von meiner Erfahrung aus der Schichtarbeit für meine heutige Tätigkeit mitnehmen. Das ist nach wie vor ein Schatz.  

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