„Die Demokratie ist darauf angewiesen, dass sich möglichst viele Personen und Gruppen an der Gestaltung der Gesellschaft beteiligen.“
Statistisches Amt Kanton Zürich – Koordinationsstelle Teilhabe (2024)
Demokratie erfüllt keinen Selbstzweck und ist angewiesen auf Menschen, die sie für wichtig halten. Die Bedeutung der Demokratie kann einem nur sehr bedingt durch Wissen übermittelt werden. Vielmehr muss man sie erfahren. Man muss ganzheitlich wahrnehmen, was es etwa bedeutet, freie und liberale Positionen gefahrlos äußern oder wählen zu können, wessen Politik man für angemessen hält. Und doch sind es gerade diese Aspekte, die in den meisten Angeboten der politischen Bildung unterrepräsentiert scheinen. Entsprechend soll hier die Frage behandelt werden, wie eine Kultur der Einmischung durch politische Bildung etabliert werden könnte. Das Beispiel Schweiz soll in dieser Hinsicht als Quelle der Inspiration dienen.
Politische Bildung als konkrete Erfahrung
Unter dem Eindruck zahlreicher Wahlen der letzten Jahre, die ein Erstarken rechtspopulistischer und die Demokratie unterminierender Kräfte in ganz Europa zeigen, sowie der Entwicklung relevanter Indices zum Stand der Demokratie (siehe etwa Nord et al. 2024: 6f.), könnte man meinen, dass diese in Gefahr gerät. Entsprechend scheint politische und Demokratiebildung dringend nötig. Diese genießt jedoch ein Schattendasein und wird entweder in den Geschichteunterricht der Sekundarstufen integriert oder im Rahmen spezialisierter Institutionen – wie Fachhochschulen, Universitäten oder politischen Vorfeld- und einschlägigen Weiterbildungsorganisationen – angeboten (vgl. etwa Filla 2016, Bundesrat 2018). Die breite Masse wird dadurch nicht erreicht, insbesondere diejenigen, die sich ohnehin nicht für Politik interessieren oder angeben, davon verdrossen zu sein.
Gleichzeitig müsste Politik eigentlich alle interessieren, weil sie fundamentale Fragen betrifft – so etwa jene, wie wir unser soziales Zusammenleben organisieren wollen. Jede Gemeinschaft, jede Gesellschaft braucht Politik. Und doch wirkt sie so weit weg von den „normalen Menschen“. Wollen wir die Politik – und damit auch die Demokratie – nicht jenen überlassen, die vermeintlich einfache Erklärungen anbieten während sie Demokratieabbau begehen, dann müssen wir nahbare Erklärungen anbieten, die aufzeigen, wie wichtig nicht der Abbau, sondern der Ausbau von Demokratie ist. Einzig – wie geht das?
Die Antwort ist (vermeintlich) einfach: durch Erfahrungen. Das Wissen über bestimmte Zusammenhänge und auch die modellhafte Erprobung im Zuge methodisch geleiteter Übungen – so wie in Workshops praktiziert – helfen. Es sind aber Erfahrungen, die einen holistisch, „am eigenen Leib“ erleben und erkennen lassen – durch die Bewältigung konkreter Situationen und Aufgabenstellungen, eingebettet in spezifische zeitliche, kulturelle und örtliche Gegebenheiten, im Zusammenspiel oder auch im Gegenspiel mit anderen Menschen (siehe dazu das erfahrungsorientierte Lernen nach Kolb 1984). Politik, die in den Alltag integrierbar umgesetzt wird, ist weder „abgehoben“ noch intellektuell oder abstrakt, sondern lebensnah, voller Emotion und auch Kontroverse. Solange politische Mitbewerber_innen als Kontrahent_innen und nicht als Feinde gesehen werden, sind Emotionen und Kontroverse kein Problem. Das Gegenteil ist der Fall, sie repräsentieren demokratische Notwendigkeiten, weil sie Fortschritt provozieren (vgl. auch das Konzept „agonistischer Politik“ nach Chantal Mouffe 2012: Kap.1).
Folgerichtig sei auch politische Bildung an die konkrete Erfahrung demokratischer Prozesshaftigkeiten zu binden und im Alltag zu verorten. Nur durch ein (biografisch gesehen) frühes Gewahrwerden politischer Zusammenhänge und das faktische Trainieren realer demokratischer Ausverhandlungs-, Entscheidungs- und Werdungsprozesse kann eine Natürlichkeit im Umgang damit erworben werden. Anders ausgedrückt: Hat man die Möglichkeit, Demokratie von Kindesalter, dauerhaft und in unterschiedlichen Rollen zu erfahren, stellt sich Sicherheit und Souveränität im Umgang damit ein. Dann kann „das Volk“ tatsächlich zum „Souverän“ werden.
Auf dem Weg dorthin sind einige Fragen zu beantworten.
Erstens: Demokratie muss man lernen – aber was eigentlich, und wie?
Zunächst ist zu klären, was es denn eigentlich ist, das man lernen soll oder muss, um souverän (oder: Souverän) zu werden. Politisches Wissen (also etwa zu Staats- und Regierungsformen, verfassungsrechtlichen Grundlagen, demokratischen Prinzipien, Strukturen und Abläufen, etc.) ist grundlegend. Darüber hinaus werden vor allem spezifische Kompetenzen1 benötigt, unter anderem folgende (vgl. auch Reinhardt 2004, Veith 2010, May 2022):
- Recherchekompetenz – dh, die Fähigkeit (und das Werkzeug), zwischen validierten, wissenschaftlich abgesicherten Informationen und Fake News zu unterscheiden;
- Beteiligungskompetenz – dh ein Bewusstsein dafür zu haben, wo man sich wann wie einbringen kann, soll und muss;
- Interventionskompetenz – dh, sich einmischen zu können und dies auch faktisch zu tun, an der Entwicklung von Lösungen für existente oder künftige Herausforderungen mitzuwirken und Verantwortung für das gemeinschaftliche Zusammenleben zu übernehmen;
- kommunikative Kompetenz – dh, in der Lage zu sein, komplexe Themen und Lösungen einfach, anschaulich und lebensnah zu transportieren.
Das ist viel verlangt, ohne Zweifel. Aber was ist die Alternative? Es gibt keine. Nicht nur aufgrund des Gefährdungspotenzials (Wir können es uns schlicht nicht leisten, auf die Demokratie zu verzichten); oder des staatsbürgerlichen Rechts (Jede_r hat das Recht, sich einzumischen); sowie der staatsbürgerlichen Pflicht (Jede_r muss sich einmischen, weil dies das Wesen der Demokratie ausmacht); sondern auch, weil es lohnend ist. Demokratie, lebensnah und im Alltag umgesetzt, kommt einer Gestaltung von potenziell ermächtigenden Situationen gleich. Gelebte Demokratie ist also nicht Bürde, sondern lustvolle Arbeit am Gemeinsamen (zumindest manchmal).
Wie kann das funktionieren? Fortlaufend, im Alltag, im sozialen Raum – dort, wo man den Großteil seines Lebens verbringt. Dies bedeutet, dass Demokratiebildung mit einer alltagsnahen und prozessualen Perspektive versehen werden muss und – konsequent gedacht – lebenslanges und transgenerationales Lernen bedeutet. Die Vision einer politischen Bildungsarbeit, die im sozialen Raum stattfindet und nicht nur von Politikwissenschaftler_innen und sonstigen Fachexpert_innen betrieben wird, sondern von „normalen“ Menschen jeden Alters, die sich engagieren wollen, weil es ihnen wichtig ist, mag idealistisch anmuten – und ist gerade deswegen zu fordern (vgl. EKKJ 2024: 21)! Politik – und Demokratie als eine ihrer Formen – würde in so einem Fall, und gemäß ihrer Definition, als ein organischer, notwendiger und ontologischer Teil zwischenmenschlichen Zusammenlebens verstanden werden (vgl. bpb 2017).
Zweitens: Welche politischen Strukturen scheinen sinnvoll, um Demokratie zu lernen?
Eine dauerhafte Beschäftigung mit „dem Politischen“ kann eigentlich nur auf zwei Arten sichergestellt werden: Entweder sie erfolgt im Kontext von kleinteiligen Gemeinschaften, wie sie teilweise noch in sogenannten indigenen Kulturen, nicht jedoch im „Westen“ zu finden sind. Oder es existieren staatlich definierte Strukturen und Abläufe, die eine konsequente politische Partizipation der Bürger:innen nicht nur ermöglichen, sondern geradezu erfordern. Im Kern geht es dabei um Beteiligung (vgl. auch Rothenbühler/Ehrler/Kissau 2012: 3)2. Als praktisches Beispiel für eine diesbezügliche Analyse bietet sich die Schweiz an (siehe BK 2024a; für kompakte und zielgruppenorientierte Erklärungen siehe etwa SRF 2017, LV FG Basel 2018).
Die Schweiz ist eine (halb-) direkte Demokratie. Das bedeutet, es existiert ein Parlament (die Bundesversammlung) – bestehend aus dem Nationalrat, der gewählte Volksvertreter_innen umfasst, und dem Ständerat, der die Kantone repräsentiert. Beide wählen den Bundesrat, die vom Parlament gewählte Regierung. Die sieben Mitglieder der Regierung sind jeweils für ein „Departement“ (analog zu Ministerien) zuständig und im Sinne der sogenannten Kollegialregierung gleichgestellt. Der oder die Bundespräsident_in vertritt die Regierung nach außen und wird jedes Jahr neu von der Bundesversammlung gewählt. Ebenfalls durch die Bundesversammlung gewählt wird der oder die Bundeskanzlerin. Diese_r ist nicht (wie etwa in Österreich oder Deutschland) Regierungschef_in, auch kein Teil der Regierung, sondern hat eine Stabstellenfunktion inne und berät den Bundesrat.
Gesetze können – per Initiative – vom Parlament, dem Bundesrat und dem Volk eingeleitet werden. Parlament und Bundesrat können dies im Zuge ihrer regulären Tätigkeit tun; das Volk durch die Sammlung ausreichend vieler Unterschriften: Werden 100.000 Unterschriften zu einer bestimmten Fragestellung gesammelt, so muss diese zum Entscheid im Rahmen eines Referendums dem Volk vorgelegt werden. Für eine Gesetzeswerdung bedarf es sowohl „Volks-„ als auch „Ständemehr“, also Mehrheiten im Referendum und im Ständerat.
Gesetzgebendes Organ ist das Parlament. Sind die beiden Kammern – Nationalrat und Ständerat – einig, dann wird der Gesetzesentwurf durch den Bundesrat und eine Expert_innenkommissionen aufbereitet. Im Anschluss daran können im Zuge des „Vernehmlassungsverfahrens“ das Parlament und andere Interessierte ihre Meinung zum Entwurf abgeben. Ist die „Referendumsfrist“ abgelaufen, tritt das Gesetz in Kraft.
Will das Parlament ein Gesetz beschließen, mit dem das Volk nicht einverstanden ist, muss nochmals darüber abgestimmt werden. Dies ist im „Fakultätives Referendumsrecht“ beschrieben: Um ein Gesetzesvorhaben zu beeinspruchen, müssen mindestens 50.000 Unterschriften gesammelt werden. In diesem Fall muss ein Referendum abgehalten werden, in dem über die Annahme oder Ablehnung des Gesetzes votiert wird. Wird es mehrheitlich akzeptiert, tritt es in Kraft; wird es abgelehnt, wird es nicht implementiert.
Verfassungsrechtliche Vorhaben, der Beitritt zu supranationalen Organisationen sowie die Verabschiedung eines dringlichen Bundesgesetzes ohne Verfassungsgrundlage bedürfen ohne Ausnahme der Zustimmung des Volkes und der Kantone. Dies ist im „obligatorischen Referendumsrecht“ festgehalten.
Drittens: Politische Bildung von klein auf?
Zusammenfassend bedeutet dies, dass Bürger_innen der Schweiz nicht nur vom aktiven und passiven Wahlrecht Gebrauch machen und ihre Vertreter_innen für das Parlament wählen können (wie dies auch in repräsentativen Demokratien der Fall ist) bzw. Verfassungsgesetze per Votum besiegeln oder ablehnen können, sondern auch indirekt in die Gesetzgebung eingreifen können, wenn sie den Plänen des Parlaments nicht zustimmen. Zusätzlich existieren noch andere Formen der pro-aktiven Bürger_innenbeteiligung – wie zB Bittschrift und Petition, Mitarbeit in Bewegungen, politischen Organisationen und/oder Parteien sowie das Eintreten für subjektiv wichtige Themen im Rahmen von Demonstrationen bzw. im Sinne des Lobbyismus (siehe auch DSJ 2024a).
Das Wahlrecht ist Staatsbürger_innen über 18 Jahren vorbehalten.3 Jugendliche (und junge Erwachsene) können sich in Jugendparlamente (Jupas) involvieren: „Jupas sind keine Parlamente im klassischen Sinne, sondern Partizipationsgefässe für Jugendliche und junge Erwachsene. Es sind Organisationen, in denen junge, politisch interessierte Menschen zusammenkommen, sich austauschen und gemeinsam Projekte umsetzen.“ Die Jugendparlamente agieren eigenständig, sind kommunal, regional oder kantonal organisiert, und werden von einem Dachverband unterstützt. Aktuell gibt es in der Schweiz (und in Liechtenstein) um die 80 Jupas, mit ca. 1500 aktiven Mitgliedern. (DSJ 2024b).
Ansonsten gestaltet sich die politische Bildung im Kindes- und Jugendalter durchaus ähnlich wie etwa in Österreich: Es wird allgemein betont, wie wichtig politische Bildung sei. Zudem existiert ein Rahmenlehrplan mit definierten Bildungszielen im Bereich Politik. Ein eigenes Unterrichtsfach „Politik“, „Demokratiebildung“ oÄ gibt es in den Primar- und Sekundarstufen aber nicht (mit Ausnahme der Kantone Aargau, Basel Stadt und Tessin). In der Tertiärstufe schließlich werden weniger politische Grundlagen an die allgemeine Studierendenschaft übermittelt, sondern Lehrkräfte und Expert_innen der Politikwissenschaften ausgebildet. Außerschulische Angebote sind oftmals auf den Bereich der (offenen) Kinder- und Jugendarbeit bzw. auf NGOs konzentriert. (EKKJ 2023: 10-13; vgl. auch Bundesrat 2018) Die bestehenden Formate zielen vor allem auf Wissensvermittlung ab; „bildungsferne Schichten“ werden davon weniger erreicht; aktivierende Zugänge würden sich zwar gut eignen, werden aber vergleichsweise selten durchgeführt (Zamora/Schafroth/Röder 2020: 27f.).
Dies legt den Schluss nahe, dass – abgesehen von dem relativ dichten Netzwerk an Jugendparlamenten – der wesentliche Unterschied der politischen Partizipation nicht in den formalen und non-formalen Bildungsangeboten begründet zu sein scheint, sondern in der fortlaufenden Sozialisation in „das Politische“, also durch die verfassungsrechtlich abgesicherten Instrumente der Beteiligung.
Viertens: Information, die Grundlinie
„Gerade im direktdemokratischen System der Schweiz ist es angesichts der Vielfalt der Abstimmungsvorlagen wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger informiert und fähig sind, sich eine eigene Meinung zu bilden, um aktiv am politischen Leben teilnehmen zu können, sei es in institutionellen wie in nicht institutionellen Formen.“ (EKKJ 2023: 5) Nur wenn ausreichend und differenzierte Information zur Verfügung stehen, kann man sich eine qualifizierte Meinung bilden und diese argumentativ auseinandersetzen oder per Abstimmung einbringen. Nur dann können wohlüberlegte Entscheidungen getroffen und bewusst Verantwortung übernommen werden. Information, in diesem Sinne, stellt die erste und essenziellste Stufe der Beteiligung dar.
Folgerichtig existieren in der Schweiz verschiedene und sehr umfassende politische Informationssysteme. Um ein paar Beispiele zu nennen: Die Bundeskanzlei (2024a) stellt allgemeines Wissen zu den politischen Rechten, ua zu Volksinitiativen, Referenden, Volksabstimmungen, Petitionen, Wahlen, etc., bereit. Der Bundesrat (2024) macht inhaltliche Details, Hintergrundinformationen und Abstimmungsergebnisse von Bundesrat, Parlament und Expert_innenkommittees für bevorstehende Volksabstimmungen auf transparente Weise zugänglich. Und ch.ch, eine Dienstleistung des Bundes, der Kantone und Gemeinden, mit der Bundeskanzlei als rechtlichem Träger, bietet in fünf Sprachen „Einfache Antworten zum Leben in der Schweiz“ (BK 2024b).
Fünftens: Das souveräne Volk
Direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild scheint zu funktionieren. Der letzte bewaffnete Konflikt auf dem Bundesgebiet der neutralen Schweiz war der Sonderbundskrieg im Jahr 1847. Das BIP pro Kopf beträgt € 92.000 US-Dollar, die Arbeitslosenquote 2,4% (bei Jugendlichen 2,1%). Sie bietet umfänglich und auf vielfältige Weise Möglichkeiten der politischen Partizipation – und rangiert in den wichtigsten Demokratieindices auf den vordersten Plätzen. (Steiner-Hämmerle 2024)
Es gibt aber auch kritische Aspekte: Stimmenstärkste Partei ist seit mehr als 20 Jahren eine einzige Partei, die rechtskonservative bis rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) (BfS 2024a). Die Beteiligung an eidgenössischen Wahlen ist mit im Durchschnitt um die 50% ausbaufähig (BfS 2024b). Eine der größten Banken, die Credit Suisse, geriet über Jahre hinweg in immer ärgere Turbulenzen, war in diverse Skandale verwickelt und musste schließlich von der UBS übernommen werden – eine Entwicklung, die nur schwer in völlig unabhängiger Parallelität zu den Staatsgeschäften vorstellbar ist (für eine Chronologie der Misere siehe Schoop/Müller 2023). Und die geopolitische Positionierung bzw. die (Nicht-) Involvierung in supranationale Angelegenheiten wirkt mitunter kontrovers bzw. stark auf Eigeninteressen bedacht, insbesondere wenn es um Finanzverkehr, Migrationsfragen oder internationale Zusammenarbeit und Sicherheit geht.
Am Ende aber gilt: Demokratie bedeutet, das Volk als Souverän anzuerkennen. Daraus – dies geht in repräsentativen Demokratien oft unter, und wird von populistischen Kräften meist unterschlagen – ergibt sich die Pflicht des Staates, die Staatsbürger_innen politisch zu sozialisieren, zu bilden und deren Mündigkeit zu fördern. Die Schweiz tut dies – strukturell, prozessual und in Bezug auf Informationssysteme – konsequent. Dies ist zu respektieren und anzuerkennen.
Die Form der politischen Gestaltung, so wie in der Schweiz praktiziert, ermöglicht es und erfordert es, dass sich Bürger_innen fortlaufend mit der Zukunft des eigenen Landes, der Demokratie und ihrer Entwicklung aktiv auseinandersetzen. Anders ausgedrückt: Muss man nur alle vier oder fünf Jahre wählen gehen, kann man sich Zeiten der politischen Inaktivität leisten. Wird man wiederkehrend und regelmäßig zur Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme aufgefordert, stellt sich ein anderer Rhythmus, eine andere politische Kultur und damit à la longue eine andere Haltung ein. Zusätzlich dazu stellt die konsequente Konfrontation der Bevölkerung mit den Vorhaben der Regierung für diese ein Korrektiv dar, nach der sie ihre Politik ausrichten muss. In diesem Sinne kann die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild als eine Form der fortlaufenden, strukturell verankerten politischen Bildung gelten: „Mit politischer Bildung ist auch die Erwartung verbunden, dass die politische Partizipation zunimmt, dass also mehr Menschen ihre Rechte wahrnehmen und sich gesellschaftlich und politisch engagieren. Politische Bildung wird gewissermaßen als Grundvoraussetzung für Partizipation angesehen, wobei aktive Partizipation im Sinne eines Rückkopplungseffektes auch die politische Bildung positiv beeinflusst.“ (EKKJ 2023: 6)
Kurzum: Politische Einmischung muss gelernt sein.
1 Für einen differenzierten Begriff von Kompetenz, die Ebenen des Wissens, des Könnens und der Haltung umfassend, siehe von Spiegel (2021: Kap. 3).
2 Aufbauend auf klassischen Stufenmodellen der Partizipation (z.B. Arnstein 1969, Hart 1992, Arbter et al. 2005: 9) kann in der Essenz nach Information, Konsultation (oder Mitsprache) und Kooperation (oder Mitbestimmung) differenziert werden (siehe MA 18 2012: 11-13, Amt der Oö Landesregierung 2019).
3 Dies gilt für die Bundes- genauso wie für die kantonale Ebene – mit Ausnahme des Kantons Glarus: Hier können 16- und 17-Jährige kantonal und kommunal abstimmen, jedoch nicht für politische Ämter kandidieren (BK 2024c).
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Autor
Roland Urban hat Geistes-, Sozial- und Gesundheitswissenschaften in Wien und Dublin studiert. Er ist Gesundheits-, Klinischer und Notfallpsychologe, Prozessgestalter und Forschender. Seit 30 Jahren arbeitet er in unterschiedlichen Kontexten mit sogenannten marginalisierten Gruppen und zielt darauf ab, diese auf ihrem Weg der Ermächtigung zu begleiten. Die letzten 15 Jahre hatte er die Möglichkeit, in verschiedenen koordinativen und leitenden Funktionen sowie durch diverse Fortbildungsangebote und Lehrgänge die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in Oberösterreich mitzugestalten. Aktuell promoviert er zudem an der Interdisziplinären Doktorschule der Andrássy Universität Budapest. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Beteiligung, Peer Education, Empowerment, Gemeinschafts- und Demokratiebildung
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