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Soll höhere Bildung nach ihren Möglichkeiten oder nach ihren Grenzen definiert werden? Sollen die Probleme oder die Chancen im Vordergrund stehen? Das zu entscheiden, bleibe den Institutionen selbst überlassen, sagt Susan Grajek gleich zu Beginn ihres Vortrages. Wobei schnell klar wird, wofür sie selbst plädiert: nämlich dafür, die Möglichkeiten zu sehen. Grajek ist Vizepräsidentin für Partnerschaften und Forschung bei Educause, einer Non-Profit Vereinigung aus den USA, deren Mission es ist, die Hochschulbildung durch den Einsatz von Informationstechnologien voranzutreiben. In ihrem Vortrag ging sie darauf ein, was es alles braucht, damit echte digitale Transformation gelingen kann. 

 

Wie sie aufzeigt, hat die Pandemie dazu geführt, dass die Bemühungen im Bereich der Online-Lehre steigen. 2019 gaben in einer Umfrage von Educause nur 13 Prozent der Institutionen an, die digitale Transformation voranzutreiben. 2021 stieg dieser Anteil auf 44 Prozent. Grajek sieht in dieser Entwicklung so einige Vorteile für die höhere Bildung. Zunächst könne digitale Transformation neue, kreative Pädagogik fördern. Durch sie könnten mehr Studierende erreicht werden und eine diversere Studierendenschaft. Auch die Forschungsmethoden könnten verbessert werden, vor allem jene, bei denen Big Data von Nutzen ist. Es könne außerdem ein sicheres Umfeld für die internationale Forschungszusammenarbeit geschaffen werden. Die digitale Transformation biete zudem wirtschaftliche Chancen: Die größere Flexibilität ermögliche es Institutionen, schneller und agiler auf aufkommende Technologien zu reagieren. Sie könne ihnen auch bei der Diversifizierung der Einnahmen helfen, indem sie neue akademische Programme und Business Ventures schaffen und neue Märkte erreichen und Partnerschaften bilden. Schließlich könne stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden eingegangen werden, ihre Lernerfahrung verbessere sich.

 

Wie die Expertin betont, könne es bei der digitalen Transformation jedoch nicht einfach darum gehen, Kurse zu digitalisieren. Es gehe auch nicht nur um digitale Infrastruktur. Echte digitale Transformation sei viel mehr als das. Es handle sich dabei  um eine grundlegende Veränderung etwa im Geschäftsmodell und der Strategie. Grajek versteht die digitale Transformation als den “Prozess des Optimierens und Transformierens der Operationen der Institution, deren strategischer Ausrichtung und deren Leistungsversprechen”. Das gelinge über tiefgreifende und koordinierte Veränderungen in der Kultur, der Belegschaft und der Technologie.

Strategische Planung solle nicht auf Ebene von Abteilungen oder Departments stattfinden – sondern auf Ebene der Institution. “Das braucht natürlich viel Zusammenarbeit und Anpassung, über die unterschiedlichen Bereiche hinweg.” Es gehe zudem darum, Entscheidungsfindungen zu vereinfachen, um flexibler auf neue Optionen, Risiken und Herausforderungen reagieren zu können. Außerdem müssten Institutionen lernen, wie sie Daten und Analysen nutzen können, um Entscheidungen zu treffen, Erfolg zu messen und ihre Strategie zu adaptieren. „Institutionen gehen in Daten unter. Viele wissen, dass diese Daten wertvoll sind, aber nicht so richtig, wie sie sie auch nutzen können“, sagt Grajek. Wichtig wäre ihrzufolge, diese Daten gewinnbringend zu gebrauchen – nicht als Machtinstrument, sondern dafür, dazuzulernen und gegebenenfalls den Kurs zu ändern.

Weil es Menschen sind, die solche Veränderungen überhaupt möglich machen, spricht Grajek auch über die Belegschaft – und wo Führungskräfte dort ansetzen müssen. “Unsere Arbeit verändert sich so schnell wie noch nie zuvor. Menschen brauchen neue Fertigkeiten. Es braucht neue Rollen, neue Jobs müssen geschaffen werden”, sagt sie. Institutionen müssten sich im Talentemanagement verbessern. Anstatt einfach die Belegschaft auszutauschen, wenn neue Kenntnisse gebraucht werden, appelliert Grajek “mit den Menschen, die man hat, zu arbeiten”. Sie sollten in den nötigen Kenntnissen geschult werden – unter anderem für den Umgang mit Daten. “Jeder und jede muss lernen, Daten zu interpretieren und sie für seine Arbeit zu nutzen.” Außerdem müssten Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion zu wichtigen institutionellen Werten werden. Selbstredend bräuchten Institutionen auch die notwendigen technischen Tools für die digitale Transformation. 

Educause bietet ein Self Assessment an, bei dem Führungskräfte herausfinden können, ob ihre Institution für den Prozess bereit ist. Dadurch werde sichtbar, auf welche Bereiche man sich stärker konzentrieren müsse. Auch potenzielle Hürden würden sich zeigen. Educase habe beispielsweise ermittelt, dass bei rund der Hälfte der Institutionen eine ausreichende institutsübergreifende Planung oder Koordination fehle. Die Kosten seien für rund 40 Prozent ein Problem. 

 

Susan Grajek definiert die digitale Transformation als einen sechsstufigen Prozess, beginnend mit der Frage nach dem Zweck: Wieso möchte man sich überhaupt darum bemühen? Was ist das strategische Ziel dahinter? Danach stellt sich unter anderem die Frage nach den gesellschaftlichen Entwicklungen, die relevant sein könnten, nach dem Impact, den kurz- und langfristigen Outcomes und den Outputs. Der sechste und letzte Schritt wäre zu fragen, was es dafür alles braucht, um die digitale Transformation umzusetzen. 


Manche Institutionen müssen weitere Wege zurücklegen als andere. Manche würden vielleicht einige große Veränderungen bevorzugen, andere viele kleine. Jedenfalls sei die Entscheidung der einzelnen Institutionen, die digitale Transformation als Chance zu erkennen, wichtig – nicht nur für ihre eigene Zukunft, sondern auch für die der höheren Bildung insgesamt. 

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