Wie Hochschulbildung neu gedacht und umgesetzt werden kann, darüber sprach George Iwama, President und Vice-Chancellor der Quest University Canada. In seinem Vortrag erklärte er, wie Studien an der innovativen Quest University aufgebaut und gestaltet sind. Die Universität ist Kanadas erste private, säkulare und nicht profitorientierte Universität für freie Künste und Wissenschaften, gegründet wurde sie 2007.
Der erste große Unterschied zu herkömmlichen Studienprogrammen sei, dass Studien an der Quest University in einem Blocksystem organisiert sind. Anstatt auf mehrere Kurse, die parallel laufen, fokussieren sich Studierende immer ausschließlich auf einen Kurs. Die Kurse, die in Kleingruppen stattfinden, dauern jeweils zweieinhalb Wochen. Nach jedem Kurs haben die Studierenden vier Tage frei – bevor der nächste Block startet. Drei Stunden pro Tag verbringen die Studierenden durchschnittlich im Unterricht, fünf bis sechs Stunden erarbeiten sie sich den Stoff alleine zu Hause, erklärt Iwama. “Das ist natürlich intensiv und eine Herausforderung”, gibt er zu. Nichts desto trotz habe die Konzentration auf nur einen Kurs so einige Vorteile. Zum Beispiel könnten Exkursionen unternommen werden, ohne dass Studierende währenddessen andere Kurse verpassen. Das Blocksystem ermögliche auch Persönlichkeiten wie Sportlerinnen, Sportlern oder Models, neben ihrer Karriere ein Studium zu absolvieren.
Laut Iwama erwerben junge Menschen in allen Studien der kanadischen Universität sogenannte “transferable skills” – Fähigkeiten, die sie in einer Vielzahl von Berufen brauchen können. Zu diesen Fähigkeiten, die an der Quest University vermittelt werden, gehörten kritisches Denken, interdisziplinäre Problemlösung oder Analysefähigkeit, aber auch Eigenverantwortung, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, ethisches Verständnis oder globales Denken. Die Studierenden an der Quest University kommen aus der ganzen Welt – und wenn sie ihr Studium beginnen, seien sie daher zunächst sehr unterschiedlich. Verlassen sie die Universität wieder, würden sie sich jedoch in vielen Belangen ähneln: “Sie sind mitfühlend, deutlich und fokussiert in ihrer Kommunikation, ihrem Denken”, erklärt Iwama. Auf ihn wirken die jungen Menschen dann beeindruckend reif.
In seinem Vortrag ging George Iwama auch noch genauer darauf ein, wie das Studium gegliedert ist. Es beginnt mit einem sogenannten “Fundierungsprogramm” in den ersten beiden Jahren, worauf ein “Konzentrationsprogramm” in den beiden letzten Jahren folgt. Am Ende des ersten Teils müssen die Studierenden eine persönliche Forschungsfrage entwickeln, der sie im zweiten Teil des Studiums näher auf den Grund gehen. Die Kurse in der zweiten Studienhälfte können sie ganz nach Interesse auswählen und zusammenstellen. Es gibt jedoch Kurse, die jeder und jede belegen muss, darunter etwa Rhetorik. Den Abschluss des Studiums bildet ein sogenanntes “Keystone-Projekt”, ähnlich einer Abschlussarbeit.
Die Forschungsfrage müsse eine sein, die jemanden wirklich beschäftigt, sagt Iwama. Er nennt Beispiele für Fragen, die Studierende bereits gewählt haben: Was verraten uns Gene? Wie passiert Identitätsbildung und welchen Einfluss hat die Gesellschaft? Was bedeutet nachhaltiger Tourismus für indigene Gemeinschaften? Wie beeinflusst Musik die mentale Gesundheit und das Gehirn? Die Fragen seien aber nicht immer so komplex. Eine Studentin habe sich beispielsweise mit einer auf den ersten Blick simpleren Frage, nämlich der Herkunft des Olivenöls beschäftigt. Sie erklärte, dass ihre Familie seit jeher Olivenöl verwendet habe, dass sie das Öl immer schon fasziniert habe und sie sich schon lange näher damit auseinandersetzen wollte. Um dieser Frage im Rahmen ihres Studiums nachzugehen, habe sie sich mit Handelswissenschaften, mit Soziologie, mit Ernährungswissenschaften, Biochemie, Finanzen und Wirtschaft beschäftigt. Der interdisziplinäre Zugang ist etwas, das die Quest University besonders auszeichnet. Er spiegelt sich auch in der Organisationskultur wider, die ohne klassische Departments auskommt.
Absolventinnen und Absolventen der Quest University seien erfolgreich in ihren Berufen, etwa im Journalismus oder in der Medizin, erklärt Iwama. Mehrere Universitäten hätten das Blockystem der kanadischen Universität bereits übernommen, zum Beispiel die Victoria University in Melbourne.