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Welche Rolle kann Bildung in Zeiten zunehmender Unsicherheit spielen? Diese Frage war Thema in der Keynote von Helga Nowotny bei der vierten Veranstaltung von CACE („Crossroads in Academic Continuing Education“). Nowotny ist eine international anerkannte Wissenschaftsforscherin und emeritierte Professorin der ETH Zürich. Sie hat den European Research Council mitbegründet und war zwischen 2010 und 2013 dessen Präsidentin.  

Wir befänden uns gerade in einer Situation, in der es immer mehr Sicherheiten, für die wir ausgebildet wurden, nicht mehr gibt, beschrieb die Expertin die aktuelle Lage. Das habe unterschiedliche Ursachen wie außenpolitische Spannungen oder das Aufkommen neuer Technologien wie der künstlichen Intelligenz (KI). Wir seien heutzutage zunehmend mit verschwimmenden Realitäten konfrontiert, so Nowotny. Denn die KI kann ganz unkompliziert aus Bildern oder Texten neue generieren – und viele von ihnen seien nicht eindeutig als künstlich erstellt erkennbar.  

Es sei wichtiger als je zuvor, noch stärker für Unsicherheit auszubilden, sagte die Rednerin. Sie grenzte Unsicherheit als eine Situation, in der die Wahrscheinlichkeiten des Auftretens verschiedener Phänomene oder Prozesse kaum abschätzbar seien, vom Begriff des Risikos ab. Hier sei es möglich, die Folgen abzuschätzen. Als Beispiel brachte Nowotny die Pandemie, vor der Epidemiolog_innen vor Jahren bereits gewarnt hätten. Es war nur nicht klar, wann es passieren würde. 

Diese Sehnsucht danach, die Zukunft besser abschätzen zu können, sei in uns Menschen tief verankert. Die Mittel dafür hätten sich über die Zeiten geändert, heute würden Studien und Reports erstellt. Ein sehr mächtiges Tool seien dabei sogenannte „predictive algorithms“, also Vorhersagealgorithmen. Das Vertrauen in diese Technologie berge jedoch Risiken, wie die Expertin aufzeigte. 

Beispielsweise müsse berücksichtigt werden, dass Vorhersagealgorithmen nur anhand von Daten aus der Vergangenheit Wahrscheinlichkeiten berechnen. Überraschende Entwicklungen könnten Algorithmen nicht vorhersagen, zudem lieferten sie bloß Wahrscheinlichkeiten und keine absolut sicheren Aussagen.  

Eine Gefahr sei zudem, dass die Prognosen wie selbsterfüllende Prophezeiungen wirkten. Als prominentes Beispiel für so eine selbsterfüllende Prophezeiung nannte Nowotny den Schwarzen Montag der USA im letzten Jahrhundert. Wenn KI-Tools eine Gewissheit über künftige Entwicklungen suggerierten, büßten wir damit Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit ein. Und dies führt erst recht zur Verwirklichung der Vorhersagen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten sei das Konzept von der Zukunft heutzutage sehr angstbehaftet, erklärte Nowotny. Speziell in der jüngeren Generation herrsche Angst vor, beispielsweise aufgrund des Klimawandels.  

Im universitären Kontext brauche es Wege, künstliche Intelligenz in Forschung und Lehre zu integrieren. Für das Lebensbegleitende Lernen bedeute das aus Sicht Nowotnys, dass Weiterbildung eine Co-Evolution von Mensch und digitalen Maschinen unterstützen müsse.  

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