Alumni-Club der Donau-Universität Krems diskutierte die Anforderungen an die Regerationsmedizin.
Die natürliche Wiederherstellung des Körpers durch Regenerationsmedizin führt weg von der Massenmedizin zur individuellen Zelltherapie. Diese Therapien sind administrativ und logistisch sehr aufwendig und erfordern einen hohen Sicherheitsstandard. Wie die Zukunft der regenerativen Medizin aussieht, diskutierten Medizinexperten bei der 27. Blue Hour des Alumni-Clubs der Donau-Universität Krems am 20. April im Leopold Museum in Wien. Fazit: Forschung, Industrie und Gesetzgeber müssten zum Wohl von PatientInnen an einem Strang ziehen.
180.000 Hornhäute von Augen würden jedes Jahr weltweit transplantiert, der Bedarf liege jedoch beim zehnfachen Wert. Diese starke Nachfrage, so Univ.-Prof. Dr. Heinz Redl, Boltzmann-Institut, beeinflusse die Entwicklungsrichtung der Medizin hin zu Regeneration durch Zelltherapie und Gewebe-Engineering. Die Entwicklung der regenerativen Medizin, darüber waren sich die Experten am Podium einig, schreite rasant voran. Schon heute seien Zellen aus 3D-Druckern herstellbar, so Univ.-Prof. Dott. Ing. Emanuele Gatti, Professor an der Donau-Universität Krems und spezialisiert auf die Translation von Forschung zu Nieren- und Leberkrankheiten in die unternehmerische Verwertung. Bioinformatics, also der Einsatz von Informationstechnologie, sowie Nanowissenschaften werden die regenerative Medizin stark beeinflussen.
Derzeit bekomme man beim Transplantieren die entwickelten eigenen Körperzellen zurück, interessant, so Redl, werde es mit allgemein einsetzbaren Stammzellen, derzeit lassen sich diese bereits aus dem Harn gewinnen. Ein riesiges Einsatzgebiet, so der Sportorthopäde Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer, werde der Kampf gegen Arthrose (Gelenksabnützung), hier könnten Stammzellen die Gewebebildung modulieren. Das wäre ein für die Industrie interessanter Markt. Denn, so das Podium, es brauche in der regenerativen Medizin die Unterstützung der Industrie. Forschung, die nicht beim Patienten ankomme, so Nehrer sterbe ab und verwies auf das Beispiel Zelltransplantation, die erfolgreich bei eingegrenzten Knorpelschäden unter 40-jähriger PatientInnen angewandt werde. Vergangenes Jahr gab es in Österreich 216 solcher Operationen. Dass dies heute Routine sei, so Nehrer, gehe auf die Kommerzialisierung der Methode ursprünglich in den USA zurück, erst dann kamen Knorpelgewebe-Transplantationen nach Europa. Pro OP betragen die Kosten für das Knorpelzellenimplantat bis zu 6000 Euro, derzeit funktioniere die Abgeltung der Operationskosten in Österreich gut.
Damit Österreich in der Entwicklung der regenerativen Medizin mithalten könne, brauche es mehr Gelder für die Grundlagenforschung, so Redls Forderung. Neben höheren Förderungen monierte Gatti aber mehr unternehmerisches Denken in Österreichs Forschung. Derzeit, so Gatti, gebe es weltweit 672 in der regenerativen Medizin forschende Unternehmen mit einem Investitionsvolumen von rund 10 Mrd. Euro. Das Geld komme dabei sowohl von der Börse als auch durch direkte Investitionen aus Unternehmen und gehe in klinische Studien. Der Mittelbedarf sei dabei enorm, die Übersetzung von Forschung in unternehmerischen Erfolg wichtig. Stefan Nehrer bestätigte den hohen Mitteleinsatz, eine Zulassungsstudie nach Pharmarecht koste 10-18 Mio. Euro. Es brauche daher starkes unternehmerisches Engagement.
Wichtiges weiteres Thema: Der regulative Rahmen. Nehrer sprach hier die Probleme der Tissue Engineering Direktive der EU an –sie regelt die Zellentnahme. Sie zeige, dass sich Forschung, Medizin und Gesetzgeber besser austauschen müssten. Bernhard Fattinger, als Jurist im Gesundheitsressort zuständig für Organtransplantation, verwies auf die Notwendigkeit, Interessen der Forschung zu formulieren und die Möglichkeiten der Legistik auszuschöpfen. Österreich sei gut unterwegs in der regenerativen Medizin, brauche aber mehr Geld und Lobbying für Forschungsthemen. Ein Erfolgsbeispiel, so Fattinger, sei die Blutplasmaproduktion in Österreich. Da sei die Gesetzgebung vorne dabei gewesen und biete einen sicheren Rechtsrahmen, was in guten Arbeitsplätzen und der Weltspitze resultiere. Für den Einbezug nicht nur der Forschung, sondern auch von PatientInnen in den Prozess der Gesetzgebung plädierte Emanuele Gatti. Nur so ließe sich sicherstellen, dass die enorm teuren klinischen-Studien der Phase 3 auch zur Erforschung seltener Krankheiten, von denen nur kleinere PatientInnengruppen betroffen sind, durchgeführt werden. Andrea Lehky, MA, Die Presse, moderierte die Veranstaltung