12.11.2021

Im Rahmen eines Researcher-in-Residence-Programms, das in Partnerschaft zwischen der Universität Cardiff und dem Aneurin Bevan University Health Board eingerichtet wurde, wird mit Hilfe mathematischer Modellierung die Bereitstellung von Dienstleistungen im Gesundheitssystem verbessert. Bislang hat dies zu einer Kosteneinsparung von mindestens 12,1 Millionen Pfund sowie zu einer Verbesserung der Versorgung für Patient_innen geführt.

Im Gesundheitswesen leiden sowohl Versorgungsqualität wie auch Patient_innenzufriedenheit und Arbeitsmoral des klinischen Personals unter der stetig steigenden Nachfrage nach medizinischen Dienstleistungen bei gleichzeitig stagnierender Kapazität. Dies trifft im Besonderen auf den Britischen Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) zu.

Seit 2014 arbeitet ein Teil der Gruppe für Operational Research (OR) der Universität Cardiff im Rahmen eines einzigartigen Kooperationsprogramms eng mit dem Aneurin Bevan University Health Board (ABUHB) zusammen. Das Herzstück ist die Etablierung eines anfangs vierköpfigen Teams von Post-Doc-Mathematiker_innen (mit einer Spezialisierung in OR) innerhalb des ABUHB Continuous Improvement Departments. Dieses Researcher-in-Residence-Programm ermöglicht den Mathematiker_innen uneingeschränkten Datenzugang und den ständigen Dialog mit Gesundheitspersonal, Ärzten und Ärztinnen, leitenden Manager_innen und Finanzplaner_innen. In enger Zusammenarbeit mit diesen Mitarbeiter_innen des NHS entwickeln die Mathematiker_innen OR-Tools für die tägliche Praxis, schulen Mitarbeiter_innen des NHS im Umgang mit diesen Behelfen, erstellen Simulationsmodelle, leisten modellbasierte Entscheidungsunterstützung für die strategische und operative Planung und helfen Maßnahmen in der Praxis umzusetzen.

Nun wurde das Health-Modelling-Team am 11. November 2021 mit der Lyn-Thomas-Impact-Medaille ausgezeichnet. „Wir freuen uns unglaublich über die Auszeichnung. Wie man an den Ergebnissen sieht, hat sich die Anwendung von Methoden der Operational Research bewährt. Sie tragen dazu bei Kosten zu reduzieren und die Arbeit effektiver zu gestalten. Ich denke, dass wir mit diesen Methoden auch in Österreich große Erfolge erzielen können“, so Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Doris Behrens, Leiterin des Departments Wirtschaft und Gesundheit sowie langjähriger Teil des walisischen Teams von Mathematiker_innen.

Das Gesundheitswesen verändern

Das Ziel war es die Pflegequalität sowie die Gesundheitsversorgung jener rund 650.000 Menschen zu verbessern, für die ABUHB verantwortlich ist. Effizienz, Effektivität und Verteilungsgerechtigkeit der Gesundheitsversorgung sowie Terminvergabe und Patient_innensicherheit wurden durch mehr als 150 Projekte positiv verändert. Sechs dieser Projekte wurden für die Lyn-Thomas-Impact-Medaille herausgegriffen, im Rahmen derer bislang mehr als 12,1 Millionen Pfund eingespart wurden. Dazu gehören die erfolgreiche modellbasierte Adaption von Struktur und Ausstattung der Notfallversorgung zwischen 18:00 und 6:00 Uhr, die optimierte Ablaufplanung und Terminisierung aller ABUHB Operationssäle und die proaktive Personalplanung während der ersten und zweiten COVID-Welle.

„Der Einsatz von Modellierungstechniken ist innerhalb von ABUHB zu einem festen Bestandteil der Planung und Bereitstellung von Gesundheitsdiensten geworden. Mittlerweile profitieren auch Gesundheitsdienstleister_innen in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs und in Ländern wie Deutschland davon, da sie von unserem Team entwickelte Tools übernommen haben“, so die Expertin für Operational-Research-Methoden, Doris Behrens.

Schulungen für Mitarbeiter_innen

Das Modellierungsteam hat auch eine Reihe von praxisnahen Schulungskursen entwickelt, die auf die Bedürfnisse von NHS-Mitarbeiter_innen zugeschnitten sind. Praktische Fähigkeiten in Microsoft Excel erlauben z.B. einen niederschwelligen Zugang dazu, die eigenen Daten besser zu verstehen (und damit bessere Entscheidungen zu treffen), einfache statistische Tests durchzuführen und statistische Prozesskontrolle verwenden zu können. Bislang haben mehr als 350 Mitarbeiter_innen des NHS Wales an diesen Schulungen teilgenommen.

2017 hat das OR-Team darüber hinaus das Analytics-and-Modelling-Academy (AMA) Programm ins Leben gerufen. Im Zuge dieses zehnmonatigen Weiterbildungsprogramms werden NHS Mitarbeiter_innen mit einer Reihe von OR-Fähigkeiten und -Techniken und deren Anwendbarkeit vertraut gemacht, sodass sie zu „Botschafter_innen der Möglichkeiten mathematischer Modellierung innerhalb des NHS“ werden. Die erfreuliche Begleiterscheinung ist, dass die bisher drei Kohorten von AMA-Absolvent_innen (sowohl Manager_innen als auch klinisches Personal) gelernt haben, unter Anleitung ihre eigenen Modellierungsprojekte durchzuführen und die Handlungsempfehlungen in der Praxis umzusetzen. Dazu gehörten in der Vergangenheit u.a. die potenziellen Auswirkungen von zusätzlichem Apotheken- und Therapiepersonal in der Notaufnahme auf Patient_innensicherheit, die Vorhersage des geplanten Pflegebedarfs für die Bevölkerung über 65 Jahren (nach Region) und die Entwicklung eines Entscheidungshilfe-Tools zur Unterstützung bei der Planung von geplanten orthopädischen Eingriffen.

Lyn-Thomas-Impact-Medaille

Die Lyn-Thomas-Impact-Medaille wird im Vereinigten Königreichs jährlich für jene wissenschaftliche Operational-Research-Forschung verliehen, die sowohl ihre Neuartigkeit als auch ihre positiven Auswirkungen auf die reale Welt am besten unter Beweis gestellt hat.

 

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