09.03.2021

Zwei Jahre arbeiteten WissenschafterInnen und PraktikerInnen im Rahmen des Forschungsprojekts DiDaT an den unerwünschten Folgen bei der Nutzung digitaler Daten („Unseens“). Mit ihrer Erfahrung setzte die Donau-Universität Krems den transdisziplinären Prozess auf, in dem Erkenntnisse aus Theorie und Praxis zu einem Weißbuch führten, das Sozial Robuste Orientierungen im Umgang mit digitalen Daten bietet.

Fast alle Informationen werden heute als Daten digital gespeichert. Ihre Bewahrung, Weitergabe und Verarbeitung ermöglichen mit der globalen Vernetzung von Maschinen und Menschen die Schaffung „Digitaler Zwillinge“. Diese sind mehr als nur Kopie oder Simulation des Vorbilds. Im schlimmsten Fall kann dieser Zwilling zur Überwachung, Diagnose unerwünschten Verhaltens sowie zu Verhaltenssteuerung und -vorhersage genutzt werden. Das betrifft Maschinen wie Menschen gleichermaßen. Suchmaschinen, Cloud-Speicherung, Social Media, Webbrowser und Datenverschlüsselungsdienste werden von wenigen, weltweit agierenden Oligopolen kontrolliert. Vor diesem Hintergrund und einer an Dynamik gewinnenden Digitalisierung wird der Umgang mit digitalen Daten zu einer Schlüsselfrage der modernen Gesellschaft. Wie kann gegenüber den genannten supranationalen Akteuren eine Public Governance durchgesetzt werden?

Nachhaltige Ergebnisse durch transdisziplinären Zugang

Das Projekt „Forming a Responsible Use of Digital Data in Transdisciplinary Process“ (DiDaT), an dem mehr als 150 WissenschafterInnen und PraktikerInnen beteiligt waren, untersuchte 24 unerwünschte Folgen der Nutzung digitaler Daten, sogenannter „Unseens“, in fünf Kernbereichen: Mobilität, Gesundheit, Landwirtschaft, die Zukunft von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie die Nutzung Sozialer Medien. Diese Bereiche wurden ausgewählt, weil sie Kernfunktionen darstellen, die für die Zielerreichung gesellschaftlicher Entwicklung wesentlich sind. Zum Umgang mit den identifizierten „Unseens“ wurden Sozial Robuste Orientierungen entwickelt. An diesem Punkt setzt die Expertise des Transdisziplinären Laboratoriums Sustainable Digital Environments (SDE TdLab) an der Donau-Universität Krems an. Durch die Mitarbeit des wissenschaftlichen Co-Leaders des Td-Labs, em. Univ.-Prof. Dr. Roland Scholz, wurde für diese Science-Society-Collaboration ein transdisziplinärer Prozess gewählt. Die Besonderheit dieses Prozesses liegt in der gleichberechtigten Partnerschaft von Wissenschaft und Praxis, wo beide Seiten von Beginn an auf Augenhöhe Projektziele definieren und zusammenarbeiten. Im Organigramm findet diese Partnerschaft ihre Entsprechung, indem für die fünf Kernbereiche und im Lenkungsausschuss jeweils einer Gruppe Forschender spiegelbildlich PraktikerInnen gegenüberstehen. Dieser transdisziplinäre Ansatz gewährleistet durch die vielen eingebrachten Perspektiven das Ziel, Orientierungen zu bieten, die eine gemeinwohlorientierte und reibungslose Nutzung digitaler Technologien ermöglichen.

Allgemeine Schlussfolgerungen

Auch wenn das Projekt DiDaT auf die Situation in Deutschland Bezug nimmt, sind viele Ergebnisse auf andere europäische Länder übertragbar. So zeigte sich, dass die Bundesrepublik dringend eine gesetzliche und soziale Rahmung für die Nutzung digitaler Daten vornehmen sollte, da die digitale Technologie-Innovation überwiegend privatwirtschaftlich gestaltet ist. In diesem Bereich wirkte auch Ass.-Prof. Dr. Gabriel M. Lentner, stellvertretender Leiter des Departments für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen, als Senior Legal Experte an DiDaT mit. Es gelte zum einen Maßnahmen am rechtlichen Rahmen zu setzen, etwa zusätzliche Verordnungen wie die eprivacy-Verordnung der EU. Zum anderen seien Datenstrategien auf nationaler, europäischer und globaler Ebene erforderlich. Um sich von Abhängigkeiten zu lösen, seien auch technologische Projekte notwendig, wie beispielsweise GAIA-X, das eine wettbewerbsfähige und gleichzeitig vertrauenswürdige, sichere Dateninfrastruktur für Europa bieten soll. Die Neuverhandlung der Spielregeln, die für die digitale Infrastruktur kommen sollen, werde zu Abwägungskonflikten führen, so steht etwa der Schutz personenbezogener Daten oftmals Wirtschaftsinteressen entgegen. Der Schutz dieser Daten könnte auch mit einem öffentlichen Interesse, etwa im Bereich des Gesundheitsschutzes, in Konflikt geraten. Transdisziplinäre Prozesse wie jene in DiDaT bieten sich bei diesen Fragestellungen an. 

Konkrete Herausforderungen

Einige konkrete Erkenntnisse aus den Untersuchungen der fünf Kernbereiche: Die wirtschaftlichen Potenziale digitaler Mobilität ermöglichen diskriminierungs­freie und räumlich nachhaltige Mobilitätsmodelle. Rebound-Effekten, bei denen durch Mehrverkehr die Effizienzeinsparungen geschmälert werden, könne bereits im Vorfeld wirksam begegnet werden. Im Bereich Gesundheit steht die Datensouveränität des Individuums verbunden mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Zentrum. Um dieses Recht wahrnehmen zu können, müsse die Selbstwirksamkeit der NutzerInnen verbessert werden. Bei der Landwirtschaft ist eine Beschleunigung des Strukturwandels beobachtbar, wodurch neue Geschäftsmodelle mit veränderten Wertschöpfungen und Abhängigkeiten entstehen. Für die Zukunft der KMU geht es um den Umgang mit der Janusköpfigkeit digitaler Plattformen, die zwar Zugang zu neuen Kundensegmenten bieten, aber gleichzeitig kartellrechtlich problematischen Zugriff auf Geschäftsdaten erlangen. Im Bereich Social Media wären neue Schnittstellen denkbar, die Transparenz in die oftmals nicht nachvollziehbaren Vorgänge der Plattformen bringen könnten. Das Thema Fake News könnte mit vertrauensbildenden Einrichtungen angegangen werden. 

Neben dem Weißbuch zum Umgang mit den „Unseens“ der digitalen Transformation wurde im Rahmen von DiDaT auch der Band „Supplementarische Informationen DiDaT Weißbuch“ publiziert, der exemplarisch 24 „Unseens“ mit ihren Ursachen, Maßnahmen und Zielkonflikten beschreibt, die der Konstruktion der Sozial Robusten Orientierungen unterliegen.

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