In seiner Antrittsvorlesung am 18. Oktober 2022 widmete sich Daniel Varro der „Nachhaltigkeit im Steuerrecht“ und ging damit auf den besonderen Fokus seiner Professur ein. Mit 1. März 2022 wurde er als Universitätsprofessor nach § 99 UG 2002 auf fünf Jahre befristet an die Universität für Weiterbildung Krems berufen, wo er am Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung tätig ist.
In der Begrüßung zur Antrittsvorlesung verwies Rektor Mag. Friedrich Faulhammer darauf, dass die Beschäftigung mit aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen eine Stärke der Universität für Weiterbildung Krems ist, wie sie aktuell der Klimawandel und die Energiekrise darstellen. Univ.-Prof. Dr. Gerald Steiner, Dekan der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung, ging in seiner Vorstellung nicht nur auf die große fachliche Expertise von Univ.-Prof. MMag. Dr. Daniel Varro, LL.M. ein, sondern betonte auch die Bedeutung der Professur für die transdisziplinäre Ausrichtung der Fakultät.
CO2-Emissionen rekontextualisiert
Am Beispiel der Treibhausgasemissionen stellte Steuerrechtsexperte Daniel Varro, untermauert von aktuellem Zahlenmaterial, dar, aus welchen Bereichen insgesamt die Emissionen in Österreich kommen – wobei Energie und Industrie, gefolgt von Verkehr, den größten Anteil haben. Die Richtung geben schon die EU-Klimaschutzziele vor: Bis zum Jahr 2030 müssen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 verringert werden. Seit 2005 lässt sich an den Statistiken ein klarer Trend zur CO2-Reduktion in allen Bereichen erkennen. Was oftmals bei Rankings in diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleibt, ist der Bevölkerungszuwachs in Österreich von 7,678 Millionen Einwohner_innen auf 8,228 Millionen 2005 und 8,917 Millionen 2020. Länder werden üblicherweise nach ihrer Emissionsreduktion – in Prozenten ausgedrückt – gereiht, wo sich Österreich im Mittelfeld befindet und Deutschland besser abschneidet. Wird der CO2-Ausstoß in Relation zur Bevölkerung gesetzt, ergibt sich ein anderes Bild: Hier liegt Österreich mit 8,3 Tonnen CO2 pro Kopf deutlich besser als Deutschland mit 8,8, der EU-Schnitt liegt bei 7,4 Tonnen/Kopf. Eine andere Betrachtungsweise zielt auf den erwirtschafteten Wohlstand ab: Wie viel Kohlendioxid benötigt ein Land, um eine Million Euro seines Bruttoinlandsprodukts zu erwirtschaften? Während hier der EU-Schnitt bei 263 Tonnen CO2 pro 1 Million Euro BIP liegt, benötigt Deutschland für diese Wirtschaftsleistung nur 235 Tonnen CO2 und Österreich bloß 211 Tonnen CO2.
Rechtliche und wirtschaftliche Vorgaben
Der EU-Emissionshandel (ETS, für Emissions Trading System) ist auf europäischer Ebene das zentrale Klimaschutzinstrument im Bereich der Treibhausgase (insbesondere für den Bereich Industrie). Nicht erfasst davon wurden 2020 in Österreich 46,6 Millionen Tonnen CO2e, also Kohlendioxidäquivalente, von 73,6 Millionen Tonnen Gesamtemissionen. Hier verpflichtet die EU zu Einsparungen von aktuell 36 Prozent, künftig 48 Prozent. Deutlich länger als es die unionsrechtlichen Einsparungsvorgaben in diesem Bereich gibt, werden in Österreich CO2-relevante Abgaben eingehoben: Vom Bund beispielsweise die Mineralölsteuer, die Kohle-, Erdgas- und Elektrizitätsabgabe sowie die motorbezogene Versicherungssteuer. Hinzu kommen Landes- und weitere Abgaben. In Summe machen diese ökorelevanten Abgaben mit etwa 14 Milliarden Euro 13 Prozent des gesamten Abgabenaufkommens aus. Durch Mineralöl- und Umsatzsteuer wird Benzin mit rund 245 Euro pro Tonne CO2 besteuert, bei Diesel liegt der Wert bei 180 Euro und bei Heizöl bei 36 Euro.
Ökologische und soziale Notwendigkeiten
Mit der ökosozialen Steuerreform 2022, bei deren Ausgestaltung Daniel Varro Mitglied der Arbeitsgruppe im Finanzministerium war, soll durch die steigende Besteuerung klimaschädlicher Aktivitäten ein nachhaltiger Lenkungseffekt unter Berücksichtigung sozialer Verträglichkeit erzielt werden. Das Emissionszertifikatehandelsgesetz 2022 belastet energetische Treibhausgasemissionen der sogenannten Non-ETS Sektoren, das sind die Bereiche Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und kleine Industrieanlagen. Dabei wird das Inverkehrbringen der Energieträger (Benzin, Gasöl [Diesel], Heizöl, Erdgas, Flüssiggas, Kohle und Kerosin) besteuert, bis 2025 wird eine Fixpreisphase mit gesetzlich bestimmten Preisen gehen, von € 30 pro Tonne 2022 bis € 55 im Jahr 2025.
Diese Besteuerung wirkt sich unterschiedlich stark auf die fossilen Energieträger aus, da der bestehende „Steuersockelbetrag“ variiert: Während sich die Besteuerung von 1 Liter Benzin nur um 13 Prozent erhöht (weil bereits jetzt eine höhere Besteuerung vorliegt), verdoppelt sich fast die Besteuerung von 1 m3 Erdgas, bei Heizöl steigt die Besteuerung ebenfalls um etwa 82 Prozent. Um die Abwanderung von besonders stark betroffenen Unternehmen zu verhindern, sind Entlastungen vorgesehen, die grundsätzlich in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren sind.
Wen trifft die Steuerlast besonders?
Die Verteuerung von Treibstoff trifft tendenziell die Bevölkerung in den Flächenbundesländern wie Nieder- und Oberösterreich stärker als in Wien. Es besteht auch eine Korrelation zwischen Gemeindegröße und den Auswirkungen: Wer in einer kleinen Gemeinde mit weniger als 10.000 Einwohner_innen lebt, ist stärker betroffen als Menschen, die in Städten wohnen. Insbesondere trifft das auf Wien zu, wo viele Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.
Untersucht nach Heizstoffen trifft die neue Besteuerung Personen mit Heizöl-Heizungen am stärksten, gefolgt von Gas. Bei den Mehrkosten nach Wohnungsgröße werden Kleinwohnungen wenig überraschend geringer finanziell belastet. Dafür ist der Sprung bei den Mehrkosten zwischen mittelgroßen Wohnungen und größeren Wohnungen signifikant. Paare mit Kind werden die Höherbesteuerung von Treib- und Heizstoffen am stärksten spüren, aber nur geringfügig stärker als Paare ohne Kind.
Diesen unterschiedlichen Belastungen wird mit dem regionalen Klimabonus, Förderungen für Kesseltausch und thermische Sanierung, einer Einkommenssteuersenkung sowie mit einem erhöhten Familienbonus begegnet.
Weitere Entwicklungen
Die meisten der derzeit umgesetzten Maßnahmen belasten klimaschädliches Verhalten. Durch die Entlastung von Alternativen können weitere Anreize geschaffen werden. Da derzeit die Alternativen bei Mobilität und Heizung primär strombasiert sind, ist die Reduktion der Elektrizitätsabgabe durch die erhöhten Marktpreise kaum spürbar. Daneben sollten in Zukunft auch biogene Kraftstoffe (E-Fuels) ohne CO2-Belastung in Betracht gezogen werden, um die Ziele erreichen zu können. Um die Bodenversiegelung in Österreich zu bremsen und Immobilienspekulationen weniger attraktiv zu machen, sind Leerstandsabgaben ein Weg, den bereits Tirol, die Steiermark und Salzburg in unterschiedlicher Form eingeschlagen haben. Durch die Umstellung auf klimafreundliche Elektrofahrzeuge stellt sich die Frage, wie die sinkenden Staatseinnahmen etwa durch den Wegfall der Normverbrauchsabgabe und der motorbezogenen Versicherungssteuer kompensiert werden können und auch, ob Hybrid-Fahrzeuge, die ebenfalls einen großen Beitrag leisten können, nicht steuerlich stärker berücksichtigt werden sollten.
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