21.06.2024

Das transdisziplinäre Forschungsprojekt „United by Crisis?“ sucht nach Hinweisen zum Hintergrund einer gewalttätigen Auseinandersetzung auf der archäologischen Fundstelle Asparn/Schletz vor über 7000 Jahren. Geleitet wird es vom Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems. Über drei Jahre waren auch Schüler_innen der Neuen Mittelschule Asparn/Zaya eingebunden und lernten, wie mit naturwissen­schaftlichen Methoden Forschungsfragen beantwortet werden.

Die jungsteinzeitliche Siedlung von Asparn/Schletz (Bez. Mistelbach) zählt zu den international bekanntesten Ausgrabungsstätten dieser Zeit. Die große Anzahl an Funden menschlicher Überreste legt nahe, dass die Bewohner_innen in der Zeit der späten Bandkeramik, vor etwa 7.000 Jahren, einem feindlichen Angriff zum Opfer fielen. Die Größe und die Befestigungsanlage der Siedlung führten zur Annahme, dass Schletz ein zentraler Siedlungsplatz inmitten eines Clusters kleinerer Siedlungen war. Durch die Erforschung dieser umgebenden Siedlungen sollen unter anderem neue Hinweise zu den Hintergründen des Angriffs und zur Herkunft der in Schletz verstorbenen Personen gefunden werden.

Learning by doing

Das Projektdesign war von Beginn an auf eine hohe Mitwirkung durch Citizen Scientist ausgelegt. Schüler_innen zweier Schulklassen der Neuen Mittelschule Asparn an der Zaya waren über drei Schulstufen hinweg am transdisziplinären Forschungsprojekt beteiligt. Zu Beginn des Projekts wurden von der Universität für Weiterbildung Krems Exkursionen ins Museum (Restaurierwerkstätte, Depot, Freigelände) sowie zur berühmten Fundstelle organisiert, um die Kinder mit dem großen Kontext und den Fragestellungen vertraut zu machen. In einem Workshop zur Ernährung in der Jungsteinzeit lernten die jungen Citizen Scientists, wie sich die Aufnahme von Nahrung und Wasser einer bestimmten geologischen Region im Zahnschmelz mittels chemischen Fingerabdrucks nachweisen lässt.

Naturwissenschaften praxisnah

Die Montanuniversität Leoben vermittelte die notwendigen wissenschaftlichen Methoden. Dabei wurde die Funktionsweise des Massenspektrometers vermittelt und erklärt, was Isotope sind. Die Schüler_innen lernten auch, wie Bodenproben fachgerecht entnommen werden. Dieses Wissen setzten sie eigenständig in ihren Heimatgemeinden um und entnahmen dort Bodenproben, sorgfältig dokumentiert mit Herkunft, einem Probenprotokoll und GPS-Koordinaten. So kamen mehr als 100 Bodenproben aus dem Umfeld von Asparn/Schletz zusammen, die an der Schule eingesammelt und getrocknet wurden.

Weiterbehandelt wurden die Proben im Labor des Instituts für Bodenforschung der Universität für Bodenkultur in Tulln: Hier wurden die Trocknung, die Aufteilung und das Sieben der Bodenproben im Groblabor vorgenommen, gefolgt von einer Probenanalyse im Feinlabor in Schutzkleidung. Dabei wurden die Proben – teils durch die Schüler_innen selbst – in Ammoniumnitrat extrahiert, pipettiert, filtriert und in weiterer Folge in einem Massenspektrometer analysiert. Auf ihrer Basis wird eine sogenannte „Isoscape“ erstellt, eine chemische Landkarte der Region, die Aussagen zur möglichen Herkunft der in Schletz verstorbenen Personen erlaubt.

„Die Zusammenarbeit mit den beiden Schulklassen hat in beide Richtungen großartig funktioniert. Einerseits sind die von den Kindern entnommenen Proben grundlegend für die Beantwortung unserer Forschungsfragen. Andererseits konnten die Schüler_innen alle Projektschritte von der Theorieentwicklung bis zur Interpretation der Analyseergebnisse miterleben – es war toll zu sehen, wie aktiv und begeistert viele von ihnen mitgearbeitet haben“, so Projektleiter Mag. Jakob Maurer von der Universität für Weiterbildung Krems.

Peer-Learning mit „Steinzeitstream“

Begleitend zum Forschungsprojekt entstand über die Universität für Weiterbildung Krems das Videoprojekt „Steinzeitstream“, finanziert über die Förderschiene Science Class Forschungsprojekte. Die am Projekt „United by Crisis?“ mitwirkenden Schüler_innen bereiteten Wissenswertes zu den im Projekt angewandten Methoden wie Isotopenchemie, Anthropologie, Feldbegehung und 3D-Dokumentation auf. Die von ihnen selbst gefilmten und geschnittenen Erklärvideos richten sich an Gleichaltrige und bringen den Schüler_innen einen Zusatznutzen. Wissen zu vermitteln, sorgt für ein tiefergehendes Verständnis bei einem selbst.

Erfolgreiche Bilanz

Das Kooperationsprojekt mit der Schule ist vor allem hinsichtlich des Umfangs und der Dauer der Zusammenarbeit über insgesamt drei Schulstufen hinweg außergewöhnlich. Neben der erfolgreichen Wissensvermittlung ist es auch geglückt, laut schulinterner Evaluierung das Interesse der Kinder am Projekt mit jeder Interaktion zu steigern. „Ich konnte beobachten, dass das Interesse meiner Schülerinnen und Schüler kontinuierlich noch stärker wurde. Dies führe ich vor allem auch darauf zurück, dass es sich um ein echtes wissenschaftliches Projekt handelt. Dies weckte Begeisterung für Naturwissenschaften, vor allem auch bei Mädchen. Das ist mir besonders wichtig, gerade in Anbetracht der vorherrschenden Genderstereotype gegenüber den MINT-Berufen und Fächern“, erzählt Johann Keintzel BEd, MA, Direktor des Schulzentrums Asparn an der Zaya. Die Projektergebnisse der Schüler_innen sowie die „Steinzeitstream“-Videos wurden am 20. Juni 2024 im Rahmen eines Abschlussfests im MAMUZ Asparn/Zaya vorgestellt.

Neben der Universität für Weiterbildung Krems wirken am Projekt „United by Crisis?“ die Landessammlungen Niederösterreich, die Montanuniversität Leoben, das Institut für Bodenforschung der BOKU in Tulln und das Naturhistorische Museum Wien mit, Fördergeber ist die Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich (GFF NÖ).

Zum Anfang der Seite