Einer rezenten Studie zufolge antwortet ein Viertel der Bevölkerung auf die Covid-19-Pandemie mit Angst und Depression. Wie begegnet die Psyche komplexen Herausforderungen einer globalen Krise? Und wie lässt sich diese bewältigen?
Von Sabine Fisch
Seit Beginn der Corona-Pandemie untersuchen ForscherInnen unter Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh vom Department für Psychotherapie und Psychosoziale Gesundheit die Auswirkungen der krisenhaften Situation in Österreich. In bisher vier Wellen wurde abgefragt, wie es um die Themen depressive Symptome, Angst- und Schlafstörungen bestellt ist. Nun wurden die Ergebnisse der vierten Befragungswelle, die zwischen Weihnachten und Neujahr durchgeführt und für die 1.500 Personen befragt wurden, präsentiert. Und sie sind nicht erfreulich: „Seit der letzten Erhebung im September 2020 kam es zu einer neuerlichen, deutlichen Verschlechterung der psychischen Gesundheit“, fasst Studienautor Pieh die Ergebnisse zusammen. „Inzwischen sind rund die Hälfte der Bevölkerung, vor allem die Jüngeren von depressiven Symptomen, Angst- und/oder Schlafstörungen betroffen.“
Während, so die Studienergebnisse, ältere Personen verhältnismäßig gut mit der Krise leben, sind die 18- bis 24-Jährigen besonders betroffen. „Seit September sehen wir hier in dieser Gruppe einen Anstieg psychischer Erkrankungen von 30 auf 50 Prozent“, warnt Pieh. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen die ResilienzforscherInnen Mag. Anneliese Aschauer-Pischlöger und Dr. Peter Hofer, die das Institut für Gesundheit und Entwicklung für Menschen und Organisationen (IGEMO) in Linz leiten und seit Beginn der Corona-Krise ebenfalls eine breit angelegte Online-Befragung zum Thema „Corona, Resilienz und psychisches Befinden“ durchführen. „Wir vermuten, dass gerade jüngere Menschen mit anhaltender Dauer der Krise, vermehrt das Gefühl haben, das Leben gehe seit Beginn der Krise an ihnen vorbei.“ Die Einschränkungen, mit denen Jugendliche seit März 2020 leben müssen, stehen einer gesunden Entwicklung und dem Finden der eigenen Identität diametral entgegen. „In der Zeit von der Pubertät bis zum Erwachsenwerden geht es um das Finden der eigenen Identität, um Ausprobieren und das Entdecken von Möglichkeiten und Grenzen“, erklärt Aschauer-Pischlöger. „Wenn das wegfällt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich psychische Folgen dieser Einschränkungen zeigen.“
Besonders betroffen: Junge und Erwachsene im Erwerbsleben
Dies zeigen auch die Ergebnisse der aktuellen Studie „Mental Health during a COVID-19 Lockdown Over the Christmas Period in Austria“ der Forschungsgruppe rund um Christoph Pieh. „Jugendliche und Erwachsene im Erwerbsleben sind diejenigen, die besonders vulnerabel auf die Corona-Krise reagieren.“ Ältere Menschen dagegen, auch dies konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden, scheinen mit der krisenhaften Situation mit weniger psychischen Problemen zu reagieren. Das hat unterschiedliche Gründe: „Menschen im Erwerbsleben sind in dieser Pandemie mit ganz realen Problemen, wie etwa Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit, finanziellen Schwierigkeiten und der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Kinderbetreuung konfrontiert“, erläutert Pieh. „Das alles hat natürlich Auswirkungen auf die Psyche, wie sie sich auch in unserer Studie gezeigt haben.“
Ältere Menschen dagegen, vor allem jene, die bereits im Ruhestand sind, tun sich offenbar leichter damit, die Pandemie zu bewältigen. „Zum einen lebt diese Gruppe mit einem gewissen Maß an finanzieller Sicherheit“, erklärt Pieh. „Wir denken aber auch, dass ein gewisses Maß an Lebenserfahrung, an erfolgreich bewältigten Krisen dieser Personengruppe die Zuversicht schenkt, auch mit der Corona-Krise fertig zu werden.“ Auch Anneliese Aschauer-Pischlöger und Peter Hofer konnten das in ihrer Studie bestätigt sehen: „Ältere Menschen scheinen in diesem Fall von ihrer Lebenserfahrung zu profitieren, sie müssen sich nicht mehr beweisen, nicht mehr Karriere machen, sie haben nicht das Gefühl, etwas zu versäumen, und sie blicken auf viele bereits bewältigte Krisenerfahrungen zurück. Das macht resilienter und die Bewältigung der Krise einfacher.“
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„Ältere Menschen profitieren von ihrer Lebenserfahrung, sie haben schon viele Krisen bewältigt, das macht resilienter.“
Anneliese Aschauer-Pischlöger
Stichwort Resilienz
Resilienz bedeutet, krisenhafte Erfahrungen gut bewältigen und aus ihnen gestärkt hervorgehen zu können. Ursprünglich stammt der Begriff „Resilienz“ aus der Materialforschung und bezeichnet die Eigenschaft eines Stoffes, nach einer Verformung wieder in seine ursprüngliche Gestalt zurückkehren zu können. Resiliente Menschen können auch krisenhaften Situationen positive Aspekte abgewinnen und daraus Erkenntnisse für die Zukunft ziehen. Dabei gibt es nicht die EINE Resilienz, sondern mehrere Resilienzfaktoren, die bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Resilienz ist keine angeborene Eigenschaft, sondern sie wird im Zusammenhang mit der positiven Bewältigung von Herausforderungen und kritischen Lebenssituationen erworben und kann über gezielt angelegte Reflexionsprozesse (z. B. Beratungs- und Therapiesequenzen) gefördert werden.
Die Covid-19-Resilienz-Studie von Aschauer & Hofer zeigt, dass es vier besonders wirksame Resilienzfaktoren gibt, die hoch signifikant mit einem besseren psychischen Befinden in der Pandemie in Zusammenhang stehen.
CHRISTOPH PIEH
Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh ist Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie für Psychiatrie und Psychotherapie. An der Donau-Universität Krems ist er als Universitätsprofessor für Differenzielle Psychotherapie- und Beratungsforschung tätig sowie Leiter des Zentrums für Psychosomatische Medizin und Supervision.
ANNELIESE ASCHAUER-PISCHLÖGER
Mag. Anneliese Aschauer-Pischlöger ist Klinische sowie Gesundheits- und Arbeitspsychologin und Organisationsberaterin und leitet, gemeinsam mit Dr. Peter Hofer (Psychotherapiewissenschafter, Psychotherapeut, Organisationsberater und Autor) das Institut für Gesundheit und Entwicklung für Menschen und Organisationen (IGEMO) in Linz.
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