22.01.2025

Stadtgemeinde Baden (Hrsg.), Alexandra Harrer / Klaus Lorenz / Hans Hornyik (Red.): Badespaß & Kurstadtkipferl : Welterbe in Baden bei Wien entdecken. (Illustrationen: Julia Stern). Berndorf: Kral, 2024 (ISBN: 978-3-99103-207-6)

Baden bei Wien veröffentlichte als erste der zwölf Welterbestätten in Österreich im Herbst 2024 ein Kinderbuch über ihre Welterbestätte. Der Adressat_innenkreis wurde bewusst weit gefasst: Laut Presseaussendung soll sich die Publikation nicht nur an Kinder (insbes. Altersgruppe 8 Jahre), sondern auch an „junggebliebene Erwachsene“ richten.

Mit dem Buch „Badespaß & Kurstadtkipferl“ besitzt nun Baden bei Wien eine Publikation, die unterhaltsam den besonderen Wert der Stadt als Teil der Welterbestätte „Europäische Heilbäder“ vermittelt. Die Herausgeberin ließen sich dabei vom umfangreichen Dossier, das in jahrelanger Arbeit über die elf Kurstädte in sieben Staaten Europas zusammengetragen wurde (und das die Grundlage der Eintragung in die Welterbeliste bot), inspirieren. Jenen Abschnitt mit dem Beitrag Badens zum „außergewöhnlich universellen Wert“ (outstanding universal value - OUV) dieser Staaten-verbindenden Welterbestätte hat das Redaktionskomitee kindergerecht (wie eben auch für „junggebliebene Erwachsenen“) unter tatkräftiger Mitwirkung der Grafikerin Julia Stern in neue Worte und inspirierende Zeichnungen verwandelt. Der OUV – auch jener von Baden bei Wien – stellt an sich einen schwer fassbaren Begriff mit vorgegebenen Kriterien, Echtheits- und „Ganzheitlichkeits“-Bedingungen dar, zu dem auch noch gesetzliche Standards und Vorkehrungen für ein Schutzmanagement zählen. Bei diesem Buch jedoch gelang es den Autor_innen mit einer bewundernswerten Leichtigkeit den OUV in seine Kernbotschaften aufzugliedern: In sieben Abschnitten präsentieren sie die sogenannten „Attribute“, die die Besonderheiten dieser Kurstadt als Welterbe charakterisieren und damit auch zur Stadt-eigenen Identität gegenüber den übrigen zehn Kurorten bei diesem Welterbe beitragen.

Die Leser und Leserinnen tauchen in die Geschichte und in die Besonderheiten der Stadt ein: Zunächst wird die Grundlage der besonderen Bedeutung von Baden bei Wien, die 14 Schwefelquellen (samt ihrem intensiven Geruch), beschrieben. Sie stellen für die Stadt und für ihre Bewohner und Bewohnerinnen – bereits seit der Römerzeitzeit nun für rund 2000 Jahre – das „gelbe Gold“ dar. Allerdings brauchte es für den besonderen Wert Badens aber nicht nur die heißen Quellen, sondern auch die Kurgäste, die dem Ort das besondere Flair verleihen: Das folgende Kapitel „Niemals langweilig“ vermittelt das Leben in der Stadt, das von den Kurgästen bestimmend geprägt wurde und auch zu sozialen Innovationen führte: So stellt zum Beispiel der Marienkindergarten einen der ersten Kindergärten Österreichs dar. Die ständige Präsenz von Mitgliedern des Kaiserhauses garantierte aber auch höchste Standards bei der gebauten Infrastruktur: Villen, Parks, Theater und Kurhäuser, die von bekannten Architekten gestaltet wurden, haben sich bis in die Gegenwart erhalten. Sie stellen heute das „architektonische Rückgrat“ der Stadt und somit des Welterbes dar. Das Buch weist außerdem auf eine weitere Besonderheit der Stadt hin: In Baden setzten sich Innovationen der Technik, wie Straßenbahn, elektrische Beleuchtung, Telefon und auch eine Art „Cabriodach“ beim Freilufttheater schneller durch als anderswo. Zum Kuraufenthalt zählt auch die Bewegungstherapie, der im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet ist: Neben einer Vielzahl von Parks wurden viele Spazierwege angelegt, die – mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden – in den Wienerwald führen und auch schon alpine Gefühle aufkommen lassen.

Der Technologietransfer in einem so kompetitiven Feld wie dem Kurwesen umfasst ein eigenes Kapitel. In diesem Zusammenhang hielt auch die Spionage in Baden Einzug: Beim sog. „Spion im Badehöschen“ handelte es sich offenbar um keinen geringeren als Zar Peter den Großen: Jedenfalls ließ er sich bei seinem Besuch 1698 im Herzogsbad inspirieren, auch in Russland nach Thermalquellen suchen zu lassen. Freilich kamen die meisten Gäste nicht wegen Spionagetätigkeiten nach Baden, sondern genossen das gesellschaftliche Treiben, wie dem Kapitel „Zentrum der Welt“ entnommen werden kann. Die Anwesenheit des österreichischen Kaiserhauses, des weiteren Hochadels und führender Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ließen sich auch Künstler und Künstlerinnen nicht entgehen, wobei Baden gerade im Bereich der Musik zu einiger Bedeutung aufstieg (z.B. residierten Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Josef Lanner und Johann Strauss in der Stadt.) Beethoven schrieb in Baden seine neunte Sinfonie, wodurch ein Konnex zwischen Baden und der Europahymne hergestellt ist. Und selbst während des Ersten Weltkrieges behauptete Baden seine hervorragende Stellung in der Weltgeschichte, als Österreichs letzter Kaiser, Karl I, dort den Sitz des Armeekommandos einrichten ließ.

Das letzte Kapitel „Die Kurstadt als UNESCO-Welterbe“ stellte eine Herausforderung dar, diente es doch der Vermittlung der normativen Grundlagen und der global ablaufenden Prozesse, was denn das Welterbe der UNESCO eigentlich bedeutet, wie ein Ort zu diesen weltweit anerkannten Ehren gelangt und welche Aufgaben der Welterbestätte samt seiner „Welterbe-Community“ nach der Eintragung in die Welterbeliste obliegen. Dieses Kapitel verdeutlicht die seit Jahren erfolgreiche Zusammenarbeit, elf Welterbe-Komponenten (Teile einer gesamten Welterbestätte) in sieben Staaten unter der strengen Aufsicht der UNESCO „zusammenzuhalten“. Allerdings wurde hier der UNESCO wohl „zu schöngetan“, wenn auf Seite 64 die Rolle der UNESCO hervorgehoben wird: Aber weder hat „[die UNESCO] … die Stadt [Baden] zum Weltkulturerbe gemacht“, noch „[waren] die Mitglieder der UNESCO […] sich dann sofort einig.“: Auch bei diesem Welterbe hat natürlich das zwischenstaatliche „Welterbekomitee“ (das stets darauf hinweist, dass es eine von der UNESCO unabhängige Einrichtung darstellt und die UNESCO ihr als Sekretariat zu dienen hat) die Eintragung in die Welterbeliste vorgenommen. Zudem dauerte es Jahre, das Komitee (und nicht die UNESCO) von der Welterbe-Qualität der Heilbäder zu überzeugen, hatte das Komitee noch 2008 den Antrag der Tschechischen Republik, das Heilbad von Luhačovice auf die Liste zu setzen, mit dem Auftrag zurückgestellt, „dass der Vertragsstaat eine eingehendere Untersuchung, insbesondere eine globale Studie über das Bäderkurwesen, vornimmt.“ (Entscheidung 32 COM 8B.30, https://whc.unesco.org/en/decisions/1491/ )

Aber diese Mühen, die mit der regionalen Ausweitung der Kandidatur und mit der globalen Betrachtung einhergingen, haben sich gelohnt – seit 2021 sind nun die elf Heilbäder in sieben Staaten eben Welterbe. Zwar repräsentieren diese Orte, wie im Buch dargestellt wird, verschiedene Schwerpunktsetzungen, aber sie verdeutlichen eindrucksvoll – im Sinne des Mottos der EU „United in Diversity“ die europäische Ausformung des Heilbäderwesens.

Was ist nun aber das „Kurstadtkipferl“, das dem Buch den Titel gab? Kritsch wird im Buch über diese Badener Spezialität ausgeführt, dass diese durchaus in der Lage war, den Diätplan der Kurgäste durcheinanderzubringen! Dies wird allzu verständlich und nachvollziehbar für den Rezensenten, der im Oktober 2024 die Möglichkeit hatte, der Buchpräsentation in Baden beizuwohnen, wo diese Köstlichkeit dem Publikum angeboten wurde!

Mit der Publikation „Badespaß & Kurstadtkipferl“ haben die Welterbe-Verantwortlichen der Stadt Baden bei der kindergerechten Vermittlung des Welterbes einen neuen Standard gesetzt, der die Intentionen der Welterbe-Idee umfassend unterstützt. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch nicht nur genügend begeisterte Leser und Leserinnen findet, sondern auch die anderen Welterbestätten inspiriert und dort als Vorbild dient.

Peter Strasser

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