07.11.2023

Eine Kooperation der Plattform für Nachhaltige Entwicklung (SDGs), des Departments für Kunst- und Kulturwissenschaften der Universität für Weiterbildung Krems und des Verbandes der österreichischen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker (VöKK).

Die „Ökologie und Nachhaltigkeit in Wissenschaft und Praxis“ wurden dabei in zwei Vorträgen von Dr. Christina Hainzl (Leiterin Plattform für Nachhaltige Entwicklung/SDGs) und MMag. Klaus Moser (operativer Geschäftsführer bei NÖ Festival und Kino GmbH und Nachhaltigkeitsbeauftragter), sowie in einer Podiumsdiskussion ausführlich besprochen und debattiert.

Dr. Christina Hainzl diskutierte Venedig als Biennale-Stadt, die sinnbildlich für Chancen und Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit stehe. Als Ort und Katalysator für neue Ideen und gleichzeitig Inbegriff für Zerstörung und Fragilität wird Venedig für Künstler_innen, die zum Thema Nachhaltigkeit Stellung beziehen, ein fruchtbarer Boden. Dabei verwies die Vortragende darauf, dass der Begriff Nachhaltigkeit in aktuellen Debatten zu häufig ausschließlich auf den ökologischen Aspekt reduziert wird und die Sustainable Development Goals (SDGs) vernachlässigt werden. Es brauche eine triple transformation: green, digital, social. Das Mitte der 80er Jahre begonnene und unvollendete Projekt Venezia muore vom venezianischen Künstler Emilio Vedóva, das unter anderem von der Natur und Verschmutzung verweste Bootsteile aus der Lagune Venedigs aufnahm, diente als künstlerisches Exempel. Einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit in all ihren Dimensionen könnten auch die auf Biennalen präsenten privaten Sammler_innen leisten, denn ihnen komme eine bedeutende Rolle zu Bedingungen zu stellen. Die UBS & Art Basel Studie 2022 zeigte, dass Sammler_innen zunehmend die Wichtigkeit eines nachhaltig funktionierenden Kunstmarkts begreifen und nachhaltigere Optionen für ihren Kunstkauf zumindest in Erwägung ziehen.

MMag. Klaus Moser stellte im zweiten Vortrag die Nachhaltigkeitsstrategie der rund 40 Marken in 15 Veranstaltungs- und Museumsbetrieben Niederösterreichs, die zur NÖKU-Gruppe zählen, vor. Der 2020 eingeführte NÖKU-Nachhaltigkeitsstandard gelte als Leitfaden für die jeweiligen Betriebe und ist an die 17 SDGs angelehnt. Dabei gehe es um die nachhaltige Gestaltung der wesentlichen Aktivitätsbereiche von Veranstaltungen und Ausstellungen: Veranstaltungsort, Technik, Kommunikation, Soziales, Mobilität, Gastronomie/Catering, Unterkunft und Beschaffung/Abfallwirtschaft. Der Nachhaltigkeitsstandard beinhalte außerdem die nachhaltige Führung der Betriebsstandorte und auf Holdingebene die gemeinsamen Beschaffungsprozesse, Mitarbeiter_innenpolitik, Steuerung und Evaluierung, sowie Öffentlichkeitsarbeit. Jeder Betrieb habe zudem einen Nachhaltigkeitsbeauftragten ernannt. Als Beispiel für die Umsetzung der Nachhaltigkeit führte der Vortragende den Klangraum Krems in der Minoritenkirche an. Hier wurde beispielsweise auf ein nachhaltigeres und effizienteres Heizsystem und LED-Beleuchtung umgestellt.

In der anschließenden Podiumsdiskussion leitete Dr. Christina Hainzl als Moderatorin einen angeregten Austausch zwischen Botschafter DDr. Christoph Thun-Hohenstein (Sektionsleiter Internationale Kulturangelegenheiten, BMEIA), Mag. Gabriele Spindler (Leiterin Kunst- und Kulturwissenschaften der OÖ Landes-Kultur GmbH), Mag. Jochen Höller (freischaffender Künstler), Univ.-Prof. Dr. Anja Grebe (Professorin für Kulturgeschichte und museale Sammlungswissenschaften, UWK) und dem Publikum.

Botschafter DDr. Thun-Hohenstein plädierte dafür, neue Bezeichnungen und Formulierungen für die SDGs und den Nachhaltigkeitsdiskurs zu finden. Es solle ein neues Narrativ der Regeneration an die Stelle des Nachhaltigkeitsnarrativ treten und der Erde mehr zurückgegeben werden als von ihr extrahiert. Er wünscht sich außerdem eine Programmgestaltung der Kulturinstitutionen, die vermehrt unsere Lebensgrundlagen und neueste technische Entwicklungen, wie die künstliche Intelligenz, ins Zentrum ihres Interesses stellt. Botschafter DDr. Thun-Hohenstein forderte außerdem Kunstschaffende dazu auf, einerseits auf der Höhe ihrer Zeit zu agieren und diese wichtigen Themen zu bearbeiten und andererseits die Zusammenarbeit mit Wissenschaftler_innen zu suchen. Mag. Spindler sprach sich als Verantwortliche für die Sammlungen der Kunst- und Kulturwissenschaften der OÖ Landes-Kultur GmbH dafür aus die Energiemengen für Depoträume zu reduzieren und überflüssige Transportwege zu unterlassen. Als Kuratorin ist Mag. Spindler für den österreichischen Beitrag auf der Biennale 2024 verantwortlich. Für das neu eingeführte Bewerbungsverfahren in Österreich musste sie ein Nachhaltigkeitskonzept vorlegen, das im Falle ihrer Bewerbung zum Beispiel die Anreise mit dem Zug, die Verwendung recyclebarer Materialien und die Zusammenarbeit lokaler Betriebe beinhaltete. Die 2024 ausstellende Künstlerin Anna Jermolaewa beschäftigt sich bei der Biennale mit Sprache und Ausdrucksformen des gewaltfreien Widerstands und setzt sich für Frieden und somit dem SDG 17 (Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen) ein.

Mag. Jochen Höller bemerkte, dass der Nachhaltigkeitsbegriff zunehmend verwässert wird durch Marketing und Halbwahrheiten. Deshalb hält er es für bedeutsam, dass Nachhaltigkeit im künstlerischen Kontext erörtert wird und in der Gesellschaft als handlungsleitendes Prinzip gilt. Kindern müsse schon in der Volksschule beigebracht werden, wie ein nachhaltiges Leben geführt werden kann. In seinem persönlichen Schaffen verwendet er Bücher als Material für seine konzeptuellen Textcollagen und Skulpturen. In Büchern stehe schon alles geschrieben, was wir brauchen, um gesellschaftlich gut zusammenleben zu können. Univ.-Prof. Dr. Grebe benannte die Aufgaben der Universitäten im Nachhaltigkeitsdiskurs. Diese müssten eine klare Datenlage schaffen und Erhebungen durchführen. Nicht zu vernachlässigen sei außerdem der Dialog nach außen mit der Öffentlichkeit und der trans- und interdisziplinäre Austausch innerhalb der Universitätsstrukturen. Wissenschaftliche Äußerungen müssten die Dinge präzise benennen und klare Definitionen vorgeben.

Die anschließende Diskussion mit dem Publikum brachte die Diskrepanz im Umgang mit der Nachhaltigkeitsthematik zwischen dem Westen und dem Globalen Süden einerseits und deren Verflechtungen andererseits auf. Die Debatte verdeutlichte, dass die großen Zusammenhänge wichtig sind. Die Probleme dürfen nicht monokausal und örtlich oder zeitlich begrenzt gesehen werden. Die Umsetzung aller SDGs auf allen Erdteilen muss nach wie vor angestrebt werden. Dabei muss bedacht werden, dass nicht nur der Wille der sehr vielen und unterschiedlichen Akteur_innen, sondern auch die Möglichkeit zur Transformation gegeben sein muss. Die persönliche Verantwortung des einzelnen Menschen wurde ganz am Schluss verhandelt. Die gemeinsame Veranstaltung der Plattform für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und des Verbands österreichischer Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen (VöKK) endete mit dem Appell die eigenen routinemäßigen Handlungen auf ihre Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit hin zu überprüfen.

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