Nachbericht

Wie wirkt sich das digitale Zeitalter auf die Kunst aus und welche Rolle spielen NFTs dabei? Mit dieser Fragestellung, sowie weiteren daraus abgeleiteten Gedanken beschäftigten sich Clemens Appl, Ruth Schnell, Christina Steinbrecher-Pfandt, und Marlies Wirth unter der Moderation von Anja Grebe, Kunst- und Kulturhistorikerin und Professorin für Kulturgeschichte und Museale Sammlungswissenschaften an der Universität für Weiterbildung Krems. Austragungsort der Blue Hour-Diskussionsveranstaltung war der Vortragssaal des Museums für angewandte Kunst (MAK) Wien. Keine zufällige Wahl - hatte das MAK Wien es doch ursprünglich als erstes Museum weltweit gewagt, über die Währung Bitcoin ein digitales Objekt zu kaufen. 

 

Die Auseinandersetzung mit "Digitaler Kunst"

Bevor wir uns gegenwärtigen Disruptionen und deren Konsequenzen für die Kunst widmeten, bot uns Univ.-Prof Mag.Art. Ruth Schnell, Medienkünstlerin sowie Leiterin der Abteilung "Digitale Kunst" an der Universität für angewandte Kunst Wien, einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungsschritte und Positionen aus den letzten Jahrzehnten. Medienkunst sei nicht nur das Arbeiten am Computer, sondern die Auseinandersetzung mit dem Digitalen, betonte sie im Zuge dessen. Ihr Verständnis geht somit über jenes von Internetsuchmaschinen hinaus, welche für den Begriff "digitale Kunst" vorwiegend Photoshop-Arbeiten, flache, grafische Werke oder Fotografien heranziehen. Auch in ihrer eigenen Kunst bekräftigte Schnell, sei ihr wichtig, digitale Technologien zu verschieden intendierten Zwecken zu verwenden. Gerade in den letzten beiden Jahrzehnten wäre dies zunehmend einfacher geworden, da die Zugänglichkeit zu Computertechnologien immer mehr gegeben, und die Notwendigkeit von Programmierkenntnissen nicht mehr zwingend erforderlich geworden sei. 
 

Die rechtlichen Herausforderungen

Diese neue Zugänglichkeit werfe allerdings auch neue rechtliche Fragestellungen auf, die Univ.-Prof. Ing. Dr. Clemens Appl, LL.M., Leiter des Zentrums für Geistiges Eigentum, Medien- und Innovationsrecht und Inhaber des Lehrstuhls für Internationales, Europäisches und Österreichisches Urheberrecht an der Universität für Weiterbildung Krems, in weiterer Folge aufzeigte. So gab er zu bedenken, dass im Jahr 2022 erstmals Werke urheberrechtsfrei geworden sind, deren Künstler_innen 1952 verstarben. Man stehe also vor der Herausforderung, gegenwärtige, digitale Kunst über diese sehr lange Schutzdauer (Lebenszeit des_der Kunstschaffenden + 70 Jahre) weitgehend zu erhalten, selbst wenn die Technologie, derer sie sich ursprünglich bediente, möglicherweise dann bereits längst überholt wurde. Auch in Bezug auf NFTs sei nicht garantiert, so Appl, dass die Technologie die nächsten Jahrzehnte oder Jahrhunderte überdauern würde. Umso wichtiger sei es, sowohl rechtliche als auch technische Rahmenbedingungen sicherzustellen, um den Erhalt digitaler Kunstwerke zu gewährleisten. 
 

Digitales als "Material"

Konservierung sei auf jeden Fall ein Thema, bei welchem die Museen gefordert seien, so Marlies Wirth, Kuratorin für Digitale Kultur im MAK Wien. Auch analoge Objekte seien der Gefahr des Verfalls ausgesetzt und müssten entsprechend erhalten werden, betonte sie. Digitales sollte dabei gar nicht so anders betrachtet werden wie Glas, Holz, oder beispielsweise Kunststoffe - es sei nur eine neue Herausforderung, welcher man sich eben stellen müsse. 
In der Zwischenzeit werde den Künstler_innen der Raum gegeben, die Technologie anhand ihrer Werke ausgiebig zu erforschen und ihr Potential auszuloten, wie sowohl Wirth als auch Schnell anhand einiger Beispiele gegenwärtiger Kunstschaffender nachwiesen. Die Vielfalt hingebungsvoller, künstlerischer Auseinandersetzungen und Experimente steht dabei der problematischen Geräuschkulisse schwindelerregender Verkaufspreise gegenüber, waren sich die Gesprächspartner_innen des Abends weitgehend einig. 

 

Umbrüche im Kunsthandel 

Gerade seit dem Medienboom zum Thema NFTs, welcher durch die Versteigerung eines digitalen Kunstwerks um ca. 70 Millionen US Dollar bei Christie's losgetreten wurde, habe sich die Einstellung zum Kunsthandel im digitalen Raum stark geändert, bestätigte Christina Steinbrecher-Pfandt, Kuratorin sowie CEO und Co-Gründerin der Blockchain.art, einer digitalen Plattform für Künstler_innen und Sammler_innen. Der professionelle Kunstmarkt gehe darauf aber dennoch erst mit großer Vorsicht ein, auch Museen setzten sich derzeit eher nur mit den für sie interessanten Projekten auseinander. Künstlerinnen und Künstler seien auch laut Steinbrecher-Pfandt die Partei, die sich hier am meisten in unbekanntes Terrain wagt, Versuche startet, technische Möglichkeiten ausschöpft. 
Zurecht sollte man im Handel vorsichtig sein, bemerkte Clemens Appl, der Steinbrecher-Pfandts Definition von NFTs als "digitale Zertifikate" zustimmte, aber auch zu bedenken gab, dass die Annahme, mit einem solchen Zertifikat sei mit Sicherheit immer das originale Werk und keine beliebige Kopie verknüpft, durchaus zu hinterfragen sei. Der Erwerb über ein dezentrales System wie die Blockchain würde den Inhalt des erworbenen Produkts nicht automatisch vertrauenswürdig machen. 

 

Öko-Steuer oder Vertrauensperson?  

Auch die Frage der Nachhaltigkeit der zunehmenden Digitalisierung des Kunstmarktes und Kunsthandels wurde thematisiert. Hier sei noch einiges an Auseinandersetzung erforderlich – und auch diesem Thema verzeichnen sich neben Museen auch einige Künstler_innen und Künstler, wie Marlies Wirth und Ruth Schnell anhand einiger Beispiele auszuführen vermochten. 
Dennoch wäre, neben einer dringenden zusätzlichen Aufklärungsarbeit im Arbeitsumfeld der Informatiker_innen und Ingenieur_innen der bereitgestellten Technologien, auch eine Ökosteuer ein Ansatz, der laut Steinbrecher-Pfandt etwas bewegen würde. Clemens Appl bezeichnete eine solche Steuer allerdings nur als zweitbesten Weg – die beste Lösung wäre seiner Meinung nach, die Sinnhaftigkeit der Verwendung eines dezentralen Systems für den Kunstbereich noch einmal grundlegend zu hinterfragen und letzten Endes doch eine Vertrauensperson in der realen Welt mit Abwicklungen für den Kunstmarkt zu vertrauen. Kein realistischer Ansatz laut Wirth, sei doch das Vertrauen in der Kunstbranche für solche Zwecke eindeutig nicht umfassend genug. 


Der anregende Diskurs, der auch abschließend einen Blick in immersive Mixed Reality-Zukunftswelten wagte, hätte wohl noch einige Zeit fortgeführt werden können, was auch die vielen interessierten Fragen aus dem online-Publikum bewiesen. Wir bedanken uns daher sowohl bei den Zuschauer_innen, als auch bei den Diskussionsteilnehmer_innen für den äußerst kurzweiligen, spannenden Abend!

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