06.10.2020

WissenschafterInnen aus den Bereichen Evidenzbasierte Medizin, Modellierung und Simulation sowie Rechtswissenschaften der Donau-Universität Krems wurden ausgezeichnet. Barbara Nußbaumer-Streit erhielt den Preis für ihre Forschungsarbeit über COVID-19-Quarantänemaßnahmen. Markus Gusenbauer forscht an der Schnittstelle zwischen Technik und Medizin und Gabriel M. Lentner wurde für eine völkerrechtliche Monografie gewürdigt.

Im Rahmen der niederösterreichischen Wissenschaftsgala 2020 wurden durch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner am 30. September die Anerkennungspreise verliehen. Dr. Barbara Nußbaumer-Streit, MSc BSc, erhielt die Auszeichnung für den im April 2020 publizierten Cochrane Rapid Review über Quarantänemaßnahmen. Die Erstautorin des Reviews analysierte dabei im Auftrag der WHO gemeinsam mit einem Team unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Gerald Gartlehner, MPH Studien zur Wirksamkeit von Quarantäne bei COVID-19.

Dipl.-Ing.(FH) Dr. Markus Leopold Gusenbauer, Zentrum für Modellierung und Simulation am Department für Integrierte Sensorsysteme, arbeitet am Thema „Computational Materials Design“ und befasst sich mit mathematischer Modellbildung und computernumerischen Simulationen sowie den Möglichkeiten sogenannte „seltene Erden“ in Permanentmagneten zu ersetzen.

Ass. Prof. Dr. Gabriel M. Lentner, Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Donau-Universität Krems, setzte sich besonders intensiv mit völkerrechtlichen Fragestellungen, etwa aus den Bereichen internationale Streitbeilegung und Strafgerichtsbarkeit, auseinander. Für seine Monografie über den Überweisungsmechanismus an den Internationalen Strafgerichtshof wurde er ausgezeichnet.

Quarantänemaßnahmen gegen Ausbreitung

In der prämierten Arbeit wurden 29 Studien zu diesem Thema analysiert. Mittlerweile wurde am 14. September 2020 ein Update des Reviews veröffentlicht, in dem 22 neue Studien, überwiegend mathematische Modellierungen, berücksichtigt wurden. Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass Quarantäne von Personen, die Kontakt mit Infizierten oder Verdachtsfällen hatten, eine wichtige Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus-Ausbruchs ist. Die Ergebnisse der Modellierungen schätzen, dass dadurch 44 bis 96 Prozent der Fälle und 31 bis 76 Prozent der Todesfälle vermieden werden könnten, je nach verwendeten Modellparametern. Zudem zeigt die Evidenz, dass Quarantäne effektiver war, je früher sie startete. Quarantäne von Personen, die Kontakt mit Infizierten hatten, als einzige Maßnahme würde aber wahrscheinlich nicht ausreichen, um den Ausbruch von COVID-19 einzudämmen. Die Kombination mit anderen Maßnahmen wie soziale Distanzierung zeigte größere Effekte als Quarantäne alleine. Der Review wurde von 123 Medien weltweit zitiert.

„Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist es wichtig, die beste verfügbare Evidenz rasch aufzuarbeiten, um besser einschätzen zu können welche Maßnahmen das Infektionsrisiko minimieren. Denn gerade jetzt benötigen wir die Wissenschaft, die uns fundierte und unabhängige Informationen liefert, damit wir das Virus eindämmen können. Daher freut es mich sehr, dass unsere Arbeit nun mit diesem Preis gewürdigt wird“, so die Leiterin des Zentrums Cochrane Österreich, Barbara Nußbaumer-Streit.

Zur Person

Barbara Nußbaumer-Streit ist seit 2016 stellvertretende Direktorin von Cochrane Österreich und leitet seit 2018 das Zentrum Cochrane Österreich am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation. Zuvor studierte sie an der Medizinischen Universität Graz Gesundheits- und Pflegewissenschaft. Anschließend absolvierte Nußbaumer-Streit das Doktoratsstudium der angewandten medizinischen Wissenschaft mit Schwerpunkt Public Health an der Medizinischen Universität Wien und promovierte im Jahr 2018.

 

An der Schnittstelle von Technik und Biomedizin

Markus Gusenbauer forscht am Department für Integrierte Sensorsysteme der Donau-Universität Krems insbesondere an der Schnittstelle zwischen Technik und Biomedizin. Bei seiner Arbeit bedient er sich Methoden mathematischer Modellbildung und computernumerischer Simulation von medizinisch-biologisch inspirierten, mikrofluidischen Systemen. Die Mikrofluidik ist die Lehre vom Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen auf kleinstem Raum. Auch „Computational Materials Design“ kommt zum Einsatz, wenn er etwa neuartige magnetische Materialen computergestützt analysiert und entwickelt. Seine Forschungsprojekte führen beispielsweise zum Design eines Mikrofluidik-Chips für Tumorzellen im Blut und zur Entwicklung einer zellschonenden Pumpe.

Seine aktuellen Projekte gehen unter anderem den Möglichkeiten nach, sogenannte „seltene Erden“, darunter werden 17 Metalle zusammengefasst, in Permanentmagneten zu ersetzen. Diese finden im Bereich der grünen Energie, zum Beispiel im Bereich des umweltfreundlichen Verkehrs, bei der Wasser- und Windkraft oder der Kühlung Verwendung. Ein Projekt erforscht MnAl-C, ein vielversprechendes magnetisches Material. Obwohl es keine ferromagnetischen Elemente wie Eisen, Nickel oder Kobalt enthält, verhält es sich in der sogenannten tau Phase auch bei hohen Temperaturen ferromagnetisch und zeigt all jene Eigenschaften, die Voraussetzungen für einen hochleistungsfähigen Permanentmagnet sind. Die im Zuge seiner Arbeit entwickelten Software-Tools und -Pakete stellt er der Forschungs-Community uneingeschränkt unter Open-Source-Lizenzen zur Verfügung.

Laufbahn

Markus Gusenbauer schloss sowohl sein Masterstudium an der Fachhochschule St. Pölten als auch sein Doktoratsstudium an der Technischen Universität Wien mit Auszeichnung ab. Seine Arbeit brachte Gusenbauer bereits internationales Ansehen, für seine Forschungsarbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasst er sich mit Zukunftsthemen von hoher gesellschaftlicher Relevanz, besonders im Übergang von Grundlagenforschung auf anwendungs- und produktorientierte Forschung.

 

Forschung an internationaler Strafgerichtsbarkeit

Lentners Buch „UN Security Council and the International Criminal Court: The Referral Mechanism in Theory and Practice“ ist die erste umfassende und detaillierte Analyse des völkerrechtlich vorgesehenen Überweisungsmechanismus, der den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ermächtigt aufgrund eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrates auch in Staaten Strafgerichtsbarkeit auszuüben, die dem Gerichtshof nicht beigetreten sind. Lentner entwirft eine Theorie der Übertragung von Befugnissen, die sich aus dem entsprechenden Überweisungsbeschluss des UN-Sicherheitsrats ergeben. Ein Fokus liegt dabei auf den rechtlichen Konsequenzen, was etwa darin vorgesehene Ausnahmen von der Gerichtsbarkeit, beispielsweise aufgrund der Staatsangehörigkeit betrifft. Auch die rechtliche Auswirkung auf ansonsten bestehende Immunitäten, die Staatsoberhäuptern und Regierungschefs unter Umständen zukommt, wird untersucht.     

„Wichtigstes Ergebnis meiner Arbeit war nachzuweisen, dass die Rechtsnatur dieses Mechanismus als Übertragung von Befugnissen vom UN-Sicherheitsrat auf den IStGH zu qualifizieren ist. Denn damit lassen sich viele wichtige Rechtsfragen erst dogmatisch überzeugend lösen“, so Lentner. Aus dieser rechtlichen Qualifizierung ergibt sich beispielsweise, dass der Sicherheitsrat etwa an das Legalitätsprinzip gebunden ist. Die Untersuchung belegt auch, dass es sich bei der Überweisung um quasi-legislative Maßnahmen im Bereich des Völkerstrafrechts handelt, und damit um eine Kompetenz, die dem UN-Sicherheitsrat nur eingeschränkt zusteht.

Werdegang

Seit dem Jahr 2018 ist Lentner Assistenzprofessor für Internationales Recht und Schiedsgerichtsbarkeit am Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Donau-Universität Krems und seit 2014 Fellow an der Stanford Law School. Von September 2019 bis Juni 2020 war er als Visiting Scholar an der Harvard Law School tätig. 2017 dissertierte er an der Universität Wien in Rechtswissenschaften mit seiner Arbeit „The Legal Nature of UN Security Council Referrals to the International Criminal Court“.

 

Über die Wissenschaftspreise des Landes Niederösterreich

Seit 1964 vergibt das Land Niederösterreich seine Wissenschaftspreise für besondere Leistungen an Forscherinnen und Forscher unterschiedlicher Disziplinen. Im feierlichen Rahmen der Wissenschaftsgala werden die Auszeichnungen alljährlich verliehen.

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