Tausende Migrant_innen entscheiden sich jedes Jahr dafür. Die Rückkehrberatung und Reintegrationsprogramme versuchen sie dabei zu unterstützen. Eine Dissertation leuchtet jetzt Erfolg, Gründe und Verlauf der freiwilligen Rückkehr aus.

Von Eva Maria Bachinger

"Ein Sprichwort sagt, dass eine Enttäuschung auch ein Segen sein kann“, so Samuel O. aus Nigeria. Er kam nach Österreich, erhielt negative Asylbescheide und die Aufforderung zurückzukehren. Er entschied sich für eine freiwillige Rückkehr. „Es war nicht einfach zurückzukehren, aber ich kann nun zumindest für meine Familie sorgen und habe Arbeit.“ Mit Hilfe des Reintegrationsprogrammes der Caritas konnte er ein kleines Geschäft in Nigeria gründen.

Jährlich kehren laut Innenministerium 5.000 bis 6.000 Personen freiwillig aus Österreich in ihre Herkunftsländer zurück. 2020 waren es rund 4.500, 2021 Pandemie-bedingt nur etwa 2.500. 2015, als die Flüchtlingskrise am Höhepunkt war, haben laut Statistik des Innenministeriums 88.340 Personen um Asyl in Österreich angesucht, 2020 waren es 14.775. Grundsätzlich ist es so: Wenn ein Asylverfahren rechtskräftig negativ entschieden ist, ist man zur Ausreise verpflichtet, ansonsten droht die Abschiebung. Die Rückkehrberatung wurde früher von der Caritas und dem Verein Menschenrechte Österreich geleistet, seit einem Jahr ist sie verstaatlicht und bei der BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen angesiedelt. Die BBU informiert über eine freiwillige Rückkehr und allfällige Unterstützungsleistungen bzw. über die Konsequenzen, sollte der Rückkehr nicht nachgekommen werden. Beratung kann aber nicht nur in dieser Lage in Anspruch genommen werden, sie steht jederzeit interessierten Fremden offen, die legal in Österreich aufhältig oder in einem aufrechten Asylverfahren sind.

„Die meisten der rund 65 Mitarbeiter_innen kommen aus den beiden NGOs. Wir mussten somit als neu entstandene Organisation nicht bei null starten, es ist viel Expertise vorhanden“, so BBU-Leiter Michael Hajek. Insofern seien die Herausforderungen derzeit nicht so sehr inhaltlicher Art, sondern man habe in Zeiten der Coronapandemie operative Probleme zu meistern: Flüge werden storniert, Einreise- und Quarantänebestimmungen ändern sich ständig, der organisatorische Aufwand einer Ausreise ist insgesamt um ein Vielfaches höher als früher.

Keine Abschiebungen

Mit der Durchführung von Abschiebungen hat die Rückkehrberatung der BBU nichts zu tun. Klient_innen, die sich für eine freiwillige Ausreise entscheiden, werden bei Bedarf organisatorisch unterstützt, reisen jedoch selbstständig aus. Für Klient_innen kann, neben der Beratung und organisatorischen Unterstützung, auch finanzielle Starthilfe von bis zu 900 Euro pro Person beantragt werden. Dieser Betrag wird vor der Ausreise, in Österreich, ausgezahlt. „Es ist wichtig, zu betonen, dass jeder Klient sich zu jedem Zeitpunkt wieder gegen die freiwillige Ausreise entscheiden kann. Die Klienten werden in diesem Fall auch über mögliche Konsequenzen informiert und der Ausreiseprozess wird abgebrochen“, erklärt Hajek.

Ihm ist wichtig, Vorurteile auszuräumen und falsche Annahmen klarzustellen: „Ich möchte die Rückkehrberatung als das positionieren, was sie ist. Es geht darum, Personen, die zur Ausreise verpflichtet sind, umfassend zu beraten und zu unterstützen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist natürlich eine schwierige Situation für viele Klienten. Wir müssen Verständnis dafür haben, in welcher Lage die Betroffenen sind, aber wir können behördliche Entscheidungen nicht ungeschehen machen. Wir wollen jedenfalls niemanden in eine bestimmte Richtung drängen“, betont Hajek. Die Erfahrung sei, dass sich viele Klient_innen lange Zeit nicht mit der Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr auseinandergesetzt haben und sich damit erst vertraut machen müssen, wenn die Verpflichtung einer Ausreise konkreter wird.

Unterstützung im Herkunftsland

Zusätzlich gibt es ein individuelles Reintegrationsangebot: Wenn sich eine Person dazu entschließt, zurückzukehren, wird sie von der Caritas im Rahmen des Reintegrationsprogrammes, das es seit 2016 gibt, unterstützt. „Wir arbeiten nur mit Personen, die freiwillig zurückkehren. Wir unterstützen vor allem vulnerable Gruppen wie Menschen mit Behinderung oder Frauen mit Kindern“, schildert Leiterin Zsuzsanna Réka Fodor. Die Gründe für eine Rückkehr sind vielfältig: Todesfall in der Familie im Herkunftsland, wodurch sich die familiären Strukturen verändern, Veränderung der politischen Situation oder einfach die Aufgabe des Lebens in Österreich, die Sehnsucht nach der alten Heimat. Mitunter kehren deshalb auch Personen zurück, die mehr als 20 Jahre in Österreich verbracht haben. Dementsprechend schwierig kann der Neubeginn im alten Zuhause ein.

Die Caritas vermittelt die Rückkehrer_innen zu Partnerorganisationen vor Ort. Es wird geklärt, welche Unterstützungen nötig sind. Das kann sozialarbeiterische Begleitung sein bei Behördengängen, um alle Dokumente wieder zu bekommen, Vermittlung von Notunterkünften oder Hilfe bei der Suche nach Schulen für die Kinder. 3.000 Euro in Form von Sachleistungen werden jeder Familie gewährt. Damit können medizinische Behandlungen finanziert werden, eine Ausbildung oder der Start eines kleinen Unternehmens.

Die Caritas kann aus einem Pool von NGOs in mehr als 40 Ländern schöpfen, oft handelt es sich dabei auch um Caritas-Einrichtungen. Die meisten Rückkehrer_innen reisen in Staaten wie Russland, Indien, Armenien, Mongolei, Gambia oder Kirgistan zurück. Zur Kritik, dass bei drohender Abschiebung keine Rede von „freiwilliger“ Rückkehr sein kann, meint Fodor: „Natürlich gibt es auch eine Rückkehr aufgrund drohender Abschiebung, aber dann ist es immerhin auch eine Entscheidung, freiwillig zurückzukehren, bevor es zur zwangsweisen Abschiebung kommt. Insbesondere in dieser oft prekären Lebenssituation ist die Unterstützung und Beratung noch von größerer Bedeutung.“

Viele werden es wieder versuchen

Simona Schreier arbeitet derzeit an ihrer Doktorarbeit „From returning back to reintegration? A focus on Nigeria“ im Departement Migration und Globalisierung an der Universität für Weiterbildung Krems. Die meisten Migrant_innen und Flüchtlinge, mit denen sie bisher gesprochen hat, haben Rückkehrberatung erst nach einem negativen Asylbescheid in Anspruch genommen, berichtet die Forscherin. „Die Möglichkeiten, in Österreich zu bleiben, sind nach einem negativen Asylbescheid sehr gering.“ Für bestimmte Fälle wie zum Beispiel langfristig irregulär aufhältige Migrant_innen könnte eine Regularisierung erteilt werden, entweder durch eine Niederlassungsbewilligung oder eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus.

„Der Erfolg einer Rückkehr und von Reintegration hängt auch stark mit der Entwicklung im Land zusammen.“

Simone Schreier

„Viele wollen nicht zurückkehren, weil sie so viel investiert haben. Sie sind nach Österreich gekommen mit der Hoffnung, dass sie sich hier ein besseres Leben aufbauen können. Viele tauchen deshalb auch unter und gehen in ein anderes europäisches Land“, erklärt Schreier. Nigeria hat mit nur etwa drei Prozent eine niedrige Asyl-Anerkennungsquote, gerade für Nigerianer sei es aber sehr schwierig, zurückzukehren, weil sie keine Perspektive in ihrem Herkunftsland sehen. Schreier stellt im Gegensatz zu Hajek fest, der hier keine Unterschiede sieht, dass die Rückkehr und Reintegration mit manchen Ländern besser funktioniere als mit anderen. Georgien sei so ein Beispiel, ein Negativbeispiel hingegen Nigeria.

Schreier plädiert dafür, mehr legale Wege nach Europa zu ermöglichen, um illegale Versuche zu minimieren. „Viele Migranten und Flüchtlinge, die abgeschoben wurden, werden es wieder versuchen, auch wenn die Hürden sehr hoch sind, nach Europa zu kommen, und es ja auch in Österreich schwierig ist, Fuß zu fassen.“ Zudem sei es nötig, Projekte der Entwicklungszusammenarbeit auszubauen. „Denn der Erfolg einer Rückkehr und Reintegration hängt auch stark mit der Entwicklung im Land zusammen.“


MICHAEL HAJEK
Mag. Michael Hajek leitet den Geschäftsbereich „Rückkehrberatung und Services“ in der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistung BBU GmbH, davor die Fachstelle „Integration, Migration und Asyl“ bei der Caritas Österreich. Er hat in Wien und Stockholm Politikwissenschaft studiert.

ZSUZSANNA RÉKA FODOR
Zsuzsanna Réka Fodor, MA hat an der Diplomatischen Akademie Wien studiert. Ihr beruflicher Fokus liegt auf Asylwesen, Integration und internationale Zusammenarbeit. Seit fünf Jahren arbeitet sie bei der Caritas Österreich im Bereich Rückkehr und Reintegration.

SIMONA SCHREIER
Simona Schreier, MLAW hat einen Master in Strafjustiz von der Universität Lausanne. Durch ihre Arbeit für internationale Organisationen hat sie umfangreiche Erfahrungen mit Verbrechensprävention und Menschenrechtsfragen gesammelt, insbesondere im Menschenhandel.

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