Ein Kommentar von Armenak Utudjian
Rechtsanwält_innen treten unabhängig von staatlicher Einflussnahme für die Rechte ihrer Mandant_innen ein. Sie sind nur ihnen und dem Gesetz verpflichtet. Die Nutzung neuer Technologien im intellektuell fordernden Rechtsanwaltsberuf bewirkte in den letzten Jahren einen bedeutenden Wandel und ermöglicht durch optimierte Arbeitsabläufe noch verstärkt die volle Konzentration auf die juristische Arbeit. Das Schreiben der Schriftsätze entwickelte sich vom frühen Stenoblock bis zur heutigen Nutzung KI-unterstützter Plattformen für die Recherche, deren passende juristische Ergebnisse zu maßgeschneiderten juristischen Lösungen weiterverarbeitet werden. Viele dieser Tools sind aus dem beruflichen Alltag von Rechtsanwält_innen nicht mehr wegzudenken. Eingaben bei Gericht werden über den Elektronischen Rechtsverkehr erledigt, Verträge werden heute computergestützt analysiert und angepasst. Rechtsanwält_innen müssen beispielsweise bei Due-Diligence-Prüfungen oder Transaktionen oftmals große Mengen an Verträgen durchsehen, um potenzielle rechtliche Risiken zu identifizieren. KI-basierte Systeme können diese Aufgabe automatisieren. Dadurch können Rechtsanwält_innen Zeit sparen und sich auf strategische Aspekte in der Analyse der erhobenen Daten sowie konzeptive Tätigkeiten der Vertragserstellung und -verhandlung konzentrieren. Sich den Arbeitsalltag erleichtern zu wollen, liegt in der Natur des Menschen. Künstliche Intelligenz bei der Automatisierung von Routineaufgaben einzusetzen, ist ökonomisch und bietet vor allem für kleinere und mittelständische Rechtsanwaltskanzleien zweifelsohne einen Wettbewerbsvorteil.
Die Nutzung neuer Technologien sowie von KI im Rechtsanwaltsberuf eröffnet die Möglichkeit, die Effizienz zu steigern, die Qualität juristischer Dienstleistungen zu erhöhen, der Mandantschaft bestmöglichen Service zu bieten und letztendlich, aufgrund freiwerdender Ressourcen, vielen den Zugang zum Recht zu erleichtern und für die Rechtsanwält_innen selbst eine geeignete Work-Life-Balance im Beruf zu finden.
Natürlich müssen alle technologischen Möglichkeiten datenschutzkonform genützt werden und müssen berufsrechtliche Verpflichtungen in Zusammenhang mit der Verschwiegenheitspflicht und der Frage, wie und wo Daten gespeichert bzw. verarbeitet werden, korrekt eingehalten werden. Beim Einsatz von generativer KI müssen entworfene Textvorschläge einer nachgelagerten menschlichen Kontrolle unterzogen werden, aber auch ein von Berufsanwärter_innen vorbereiteter Schriftsatz kann fehlerhaft sein.
Anwendungen der KI bedürfen eines sorgsamen gesellschaftlichen Umgangs, wenn es z.B. um Persönlichkeitsrechte (predictive justice oder social scoring), Gesichtserkennungssoftware oder Deep Fake-Angriffe geht. Für den Berufsalltag von Rechtsanwält_innen sind KI-basierte Tools jedenfalls hilfreich, können aber Menschen nach meiner tiefsten Überzeugung nicht ersetzen. Ebensowenig werden sie die rechtliche Beratung und Vertretung selbst nicht übernehmen können, die von bestqualifizierten Rechtsanwält_innen erbracht werden, die neben dem nötigen juristischen Rüstzeug auch die Leidenschaft für diesen spannenden Beruf und die freie und unabhängige Vertretung der Interessen ihrer Mandant_innen mitbringen. So trägt die Rechtsanwaltschaft täglich dazu bei, dass der Rechtsstaat mit Leben erfüllt und letztlich durchgesetzt wird.
ARMENAK UTUDJIAN
Dr. Armenak Utudjian ist seit 2022 Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, ÖRAK. Der Rechtsanwalt ist Partner bei GRAF ISOLA Rechtsanwälte GmbH, Wien und fungiert weiters u.a. als Vizepräsident der Bundeskonferenz der Freien Berufe Österreichs.
Artikel dieser Ausgabe
Tags