Mit der Verbreitung künstlicher Intelligenz ist das Urheberrecht herausgefordert. Die Grenzen des schöpferischen Aktes beginnen zu erodieren. Welcher Akt menschlichen Schaffens unter das Urheberrecht fällt, wird immer öfter zum Streitfall.

Von Fabian Schmid

Eine Justizministerin, die sich als Kaiserin Sisi der Justiz malen lässt, Frank Sinatra, der aktuelle Charthits swoont oder Schauspieler Will Smith, der Spaghetti in sich reinschaufelt: Wer in sozialen Medien unterwegs ist, entkommt KI-generierten Inhalten nur mehr selten.

Zumindest derzeit ist künstliche Intelligenz im Kreativbereich noch recht klar erkennbar. Primär wird sie zum Amüsement verwendet. Als „gaga” bezeichnete Philosoph Hannes Bajohr in einem auf NDR veröffentlichten Interview beispielsweise die Handlung eines Romans, den er von KI schreiben ließ. Doch Qualität und Erkennbarkeit von KI-generierten Inhalten könnten sich angesichts der rasanten technologischen Weiterentwicklung rasch ändern. Das wirft heikle Fragen auf, etwa im Bereich des Urheberrechts – und zwar in doppelter Art und Weise: Zunächst beim „Training“ der KI, danach bei ihrem Output.

KI agiert nicht im luftleeren Raum. Um Ergebnisse zu liefern, muss sie mit Daten gefüttert und trainiert werden. Diese Daten sind womöglich urheberrechtlich geschützte Werke: Zeitungsartikel, Songs, Filme oder Bücher. „Wahrscheinlich ist schon der gesamte musikalische Bestand der Menschheit für das Training von KI benutzt worden“, meint etwa Paul Fischer, Leiter der Rechtsabteilungen der österreichischen Musikverwertungsgesellschaften Austro-Mechana und AKM.

Urheber_innen könnten theoretisch gegen dieses Text und Data Mining widersprechen, am besten in maschinenlesbarer Form. Die Austro Mechana habe einen solchen Widerspruch auch veröffentlicht, damit Urheber fair entlohnt werden. Um eine Lizenz angesucht habe aber noch kein Hersteller von KI-Anwendungen, sagt Fischer.

Problem Drittdaten

Dass beim Training auf Drittdaten zugegriffen werde, sei zwar ein großes Problem, sagt der Urheberrechtsexperte Clemens Appl von der Universität für Weiterbildung Krems. Allerdings müsse man darauf achten, dass sich bei zu strengen Regeln in der EU „Innovationen womöglich in andere Jurisdiktionen verlagern“, gibt Appl zu bedenken. Andererseits stellt sich naturgemäß die Frage, wer das Urheberrecht am Output der KI besitzt. Wo endet die menschliche Schöpfung, wo beginnt die maschinelle?

Paul Fischer

„Solange KI nicht lieben kann, kann sie keine großen Werke schaffen“

Paul Fischer

Berufsgruppen unter Druck

Unbestritten ist, dass KI-Anwendungen rasant „klüger” werden. Das könnte bald zu großen sozialen Verwerfungen in der Kreativbranche führen. Wer braucht denn noch Drehbuchschreiber_innen oder sogar Schauspieler_innen, wenn Künstliche Intelligenz auf Knopfdruck ebenbürtige Resultate generieren kann? Diese Sorge trieb vergangenes Jahr auch die verschiedenen Gewerkschaften um, die in Hollywood zum Streik aufgerufen hatten. Vier Monate lang kämpften etwa die Mitglieder der Writers Guild of America (WGA) um ihre Rechte. Neben der heiklen Frage der Vergütung aus Streamingplattformen war vor allem KI ein Thema. Drehbuchschreiber_innen befürchteten, die großen Filmstudios würden in Zukunft mittels KI ein Skript erstellen lassen, das Menschen dann nur mehr verfeinern sollten. Das würde große Einkommensverluste für Drehbuchautor_innen bedeuten. Nach mehrmonatigen Verhandlungen stimmten die Studios deshalb zu, einige Barrieren rund um die Nutzung von KI-generiertem Material hochzuziehen.

Ähnliche Kämpfe drohen auch der Musikbranche. Ein per Software erstelltes Duett zwischen den beiden Superstars Drake und The Weeknd erreichte vergangenes Frühjahr Millionen an Streams, bevor Plattformen wie Spotify und Youtube den Stecker zogen. Universal Music hatte Urheberrechtsverletzungen angemeldet. Zwar nutze man selbst vermehrt KI, allerdings achte man dabei auf Urheberrecht und andere vertraglich abgesicherte Rechte, so der Plattenkonzern. Es ginge um nicht weniger als um die Frage, auf welcher Seite Fans stünden: Auf der von Künstler_innen oder auf der von Deepfakes und Betrüger_innen, warnte Universal damals.

Einkommenslücken und Chancen

Fischer verweist auf eine Studie, die im Februar 2024 veröffentlicht wurde. GEMA und SACEM, die deutsche respektive französische Verwertungsgesellschaft, ließen darin erheben, wie sich KI auf die Musikbranche auswirken könnte. Prognostiziert wird eine „Einkommenslücke“ von bis zu 27 Prozent. Das Marktvolumen generativer KI könnte sich im Musikbereich bis 2028 verzehnfachen. Fischer hat dennoch Optimismus: Zwar seien große Verwerfungen auch in der Musikbranche nur eine „Frage der Zeit“, sollte das Thema der angemessenen Entlohnung für Musikschaffende nicht gelöst werden. Doch womöglich tun sich auch neue Geschäftsfelder auf und hilft KI Künstler_innen, die Qualität ihrer Werke leichter zu heben.

Auch Appl ist davon überzeugt, dass menschliche Leistung weiterhin ihren Wert haben wird und effektiv zu schützen ist. KI werde aber bestimmte Routineaufgaben übernehmen, etwa im Bereich der geschäftlicher Übersetzungen oder musikalisch womöglich den „Alltagsklangteppich generieren“, so Appl. Ersetzen könne KI den Menschen als Schöpfer ohnehin nie, denkt Fischer. „Solange KI nicht lieben kann, kann sie keine großen Werke schaffen“.

Fabian Schmid ist Redakteur bei der Tageszeitung Der Standard

Clemen Appl

„Es ist ein Unterschied zwischen Anschaffen und Schaffen.“

Clemens Appl

Philipp Homar forscht dazu an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der Johannes Kepler Universität Linz. Er sieht drei mögliche Einfallstore, wie das Urheberrecht Menschen zugeordnet werden könnte: Zunächst beim Programmierer der Künstlichen Intelligenz; dann bei jenen, die die Anwendung trainieren und mit Daten füttern – und zuletzt beim Nutzenden, der mit der KI-Anwendung interagiert und ein „Werk” in Auftrag gibt.

„Das Problem an dieser Fragestellung ist, dass diese Systeme so komplex sind, dass man keine der genannten Gruppen so einfach als menschliche Schöpfer des Ergebnisses qualifizieren kann”, sagt Homar. Nähme man beispielsweise einen KI-generierten Text, wären die bloße Idee und die darin enthaltenen Informationen nicht urheberrechtlich geschützt, sondern nur die konkrete sprachliche Ausformung. „Es geht darum, wie Sätze gebildet werden, wie Form und Struktur gestaltet sind“, erklärt Homar. Fischer betont ebenso, dass nicht nur Konzeption und Nachbearbeitung, sondern auch das „Aktive Tun“ im Schaffensprozess für urheberrechtliche Ansprüche zentral sei.

Prompting erschafft nicht

Dasselbe gilt für visuelle Kunst, die mit KI erstellt wird. Das Gemälde „Théâtre D’opéra Spatial“ ist dafür ein gutes – und wild umstrittenes – Beispiel. Der US-amerikanische Künstler Matthew Allen fertigte das Bild über das KI-Programm Midjourney an und gewann damit auch Preise. Doch das US Copyright Office weigerte sich, Allen ein Urheberrecht an dem Werk zuzusprechen.

Allen hatte insgesamt mehr als 600 Anweisungen an Midjourney gegeben, um das Bild zu erstellen. Daher sei er klar Schöpfer, argumentierte er – bislang erfolglos. Einen ähnlichen Rechtsstreit führt der Erfinder Stephan Thaler, auch bei ihm geht es um ein KI-generiertes Bild. Er nutzte die Anwendung Dabus, um „A Recent Entrance to Paradise“ zu erstellen und kämpft ebenfalls erfolglos um das Urheberrecht an dem Werk. „Es ist ein Unterschied zwischen Anschaffen und Schaffen“, sagt Appl dazu. In der Vergangenheit wäre niemand auf die Idee gekommen, denjenigen, der ein Werk wenn auch detailliert in Auftrag gibt, als Schöpfer zu werten. Noch dazu führt derselbe Input an typische generative KIs zu unterschiedlichen, nicht vorhersehbaren Ergebnissen.


PAUL FISCHER
Dr. Paul Fischer, LL.M.oec. ist Leiter der Rechtsabteilungen der österreichischen Musikverwertungsgesellschaften Austro-Mechana und AKM. Davor war der Jurist bei mehreren Rechtsanwaltskanzleien tätig.

CLEMENS APPL
Univ.-Prof. Ing. Dr. Clemens Appl, LL.M. leitet das Zentrum für Geistiges Eigentum, Medien- und Innovationsrecht am Department für Rechtswissenschaften und Internationale Beziehungen der Universität für Weiterbildung Krems. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Internationales, Europäisches und Österreichisches Urheberrecht.

PHILIPP HOMAR
Univ.-Prof. Dr. Philipp Homar ist Inhaber des Lehrstuhls für Intellectual Property am Institut für Unternehmensrecht der Johannes Kepler Universität Linz und hält eine Teilzeit-Professur für Immaterialgüterrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Seine Forschungsinteressen liegen im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht sowie in angrenzenden Rechtsbereichen.

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