STALAG VXII B Krems-Gneixendorf
Zwangslager für Kriegsgefangene, politisch oder rassisch Verfolgte und ausländische Zwangsarbeiter_innen wurden während der NS-Zeit im gesamten Gebiet der „Ostmark“ errichtet. Das Bundesdenkmalamt hat 2019 allein für Niederösterreich um die 230 NS-Zwangslager erhoben. Die genaue Lage der NS-Lager lässt sich heute jedoch oft nicht mehr rekonstruieren, denn meist sind nur noch wenige sichtbare Spuren erhalten. Holzbaracken wurden abgetragen, das Gelände wurde häufig überbaut. Ehemalige NS-Lager sind heute Brachland oder wurden zu Wohnsiedlungen, Parkplätzen, Sportplätzen oder Freizeitanlagen umgewandelt. Feste Gebäude, die der Unterbringung von Zwangsinternierten dienten, sind längst mit anderen Funktionen belegt.
Die belastete historische Schicht dieser Orte ist also heute in vielen Fällen nicht mehr (oder kaum mehr) erkennbar. Nicht nur materielle Spuren fehlen häufig, auch das Wissen über die Lagerorte ist oft oder nicht mehr oder nur fragmentiert vorhanden. Die Geschichte solcher „Schreckensorte“ und die mögliche Involvierung lokaler Akteure stellen für die lokale Bevölkerung eine Hürde dar, NS-Zwangslager in das regionale Gedächtnis aufzunehmen.
Ein Beispiel ist das ehemalige Kriegsgefangenenlager STALAG XVII B in Krems-Gneixendorf. Es war eines der größten Kriegsgefangenenlager des Dritten Reiches, das größte seiner Art auf österreichischem Staatsgebiet. Zeitweise wurden im STALAG XVII B Krems-Gneixendorf mehr als 60.000 Kriegsgefangene festgehalten, vorwiegend sowjetischer und französischer, aber auch US-amerikanischer, belgischer, italienischer, polnischer, britischer, serbischer, slowakischer, bulgarischer oder griechischer Herkunft. Aufgrund seiner multinationalen Zusammensetzung und Größe kann das STALAG XVII B Krems-Gneixendorf jedoch als bedeutender Ankerpunkt einer transnationalen Erinnerungskultur angesehen werden. Die Geschichte des Lagers ist heute in Krems kaum mehr bekannt. Das ehemalige Lagergelände ist verwachsen und nicht mehr als solches erkennbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Lager abgetragen und Baumaterial anderwärtig verwendet. Das ehemalige Lagergelände wurde aber jahrzehntelang von ehemaligen Insassen aufgesucht. Heute kommen ihre Nachkommen. Der Weg zum Lager ist nicht ausgeschildert. Am Gelände selbst markiert zwar sechs Stahltafeln einer Kunstinstallation großräumig das Areal des Lagers und zwei Informationstafeln geben kurz Auskunft, ansonsten bleibt die historische Dimension des Geländes weitgehend verborgen. Fundamentreste und im Boden halb vergrabene Gegenstände lassen eine historische Dimension erahnen, ermöglichen aber keine klare Bezugnahme. Mit einigen Ausnahmen sind ehemalige NS-Zwangslager heute „unsichtbare“ und vergessene Orte.