Die Erderwärmung hat weitreichende Folgen für die globale Wasserversorgung und Nahrungsmittelqualität. Der Limnologe Martin Kainz sieht Karpfen als den Fisch der Zukunft.
Interview: Tanja Traxler
upgrade: Wie kann Wassersicherheit trotz wachsender Bevölkerung und Klimawandels auch in Zukunft sichergestellt werden?
Martin Kainz: Derzeit leben rund 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde. Im Jahr 2050 erwarten wir eine Weltbevölkerung von zehn Milliarden. Es wird also in dreißig Jahren viel mehr Menschen geben als heute, wir werden aber nicht mehr Wasser haben. Durch die Erderwärmung schmelzen die Gletscher und Pole ab und die Atmosphäre kann mehr Wasser halten. Doch das Verhältnis von Weltbevölkerung und verfügbarem Wasser wird 2050 schlechter sein als heute. Zudem gibt es noch eine weitere Herausforderung: Die Bevölkerung wird vor allem dort wachsen, wo die Wasserreserven schon heute begrenzt sind.
Wie lassen sich diese Probleme lösen?
Kainz: Es bedarf einerseits politischer und andererseits gesellschaftlicher Lösungen. Wasser ist das Grundnahrungsmittel Nummer eins, weil Pflanzen und Tiere davon abhängen. Wenn es dort kein Wasser gibt, wo die Menschen leben, wird es zu Migrationsbewegungen kommen. Da können wir uns in Österreich nicht zurücklehnen und sagen: Das geht uns nichts an.
Welche besondere Wassersituation gibt es in Österreich?
Kainz: Wir haben in Österreich den irren Luxus, den sich kaum ein anderes Land in dieser Welt vorstellen kann, dass wir mehr Wasser haben, als wir brauchen. Wir haben in Österreich eine sehr privilegierte Wassersituation – für die wir nichts können. Wir haben jährlich 86 Milliarden Kubikmeter Wasser zur Verfügung, benötigen davon aber nur drei Prozent.
Der weltweit größte Wasserverbraucher ist die Landwirtschaft – welche regionalen Unterschiede gibt es dabei?
Kainz: 70 Prozent des weltweit verbrauchten Wassers wird für die Landwirtschaft genutzt. In Österreich liegt dieser Anteil nur bei zehn Prozent. Im Prinzip ist es gut, dass die Landwirtschaft weltweit so viel Wasser verbraucht, denn es dient ja der Erzeugung von Lebensmitteln. Allerdings muss man auch sagen, dass die Wassernutzung in der Landwirtschaft nicht überall sehr effizient ist.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Kainz: Saudi-Arabien zum Beispiel hat sehr wenig Wasser, aber sehr viel Geld. Dort wird nicht die effizienteste Bewässerungstechnik eingesetzt. Eine ganz einfache und auch effiziente Bewässerungsmethode ist die Tröpfchenbewässerung. Sie funktioniert nach demselben Prinzip wie ein Gartenschlauch, in den man viele kleine Löcher sticht. Als Forscher mit Fokus auf aquatische Nahrungsketten beschäftigen Sie sich mit der Ernährungssituation in Gewässern und auch mit dem Fischkonsum von Menschen.
Wie wird sich dieser durch den Klimawandel verändern?
Kainz: In Österreich werden 95 Prozent der konsumierten Fische importiert. Dabei handelt es sich großteils um Meeresfische. Nur etwa fünf Prozent der Fische, die in Österreich gegessen werden, stammen aus heimischer Aquakultur. Seefischerei wird heutzutage in Österreich fast nicht mehr gewerblich betrieben. In den Weltmeeren beobachten wir einen dramatischen Rückgang der Fischbestände. Doch durch die wachsende Weltbevölkerung wird es auch mehr Nachfrage nach Fischen geben, da sie eine wichtige Proteinquelle sind. In der Zukunft wird es daher verstärkt Aquakulturen geben müssen. Besonders stark wächst die Bevölkerung in den asiatischen Ländern und dort isst man traditionellerweise sehr viel Fisch, vor allem Süßwasserfische und weniger Meeresfische.
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„Wenn wir mehr Karpfen essen, können wir einen Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft leisten.“
Martin Kainz
Welche Fische werden künftig stärker konsumiert werden?
Kainz: In Indien und China werden vor allem karpfenartige Fische gegessen. Insgesamt sind die karpfenartigen Fische schon jetzt die am meisten gegessenen Fische der Welt und das wird in Zukunft noch zunehmen. Das ist sehr positiv für die zukünftige Entwicklung, denn karpfenartige Fische sind sogenannte Friedfische – sie fressen keine anderen Fische. Sie fressen zum Beispiel Plankton, in Österreich wird ihnen auch Getreide zugefüttert. Zudem sind die karpfenartigen Fische auch nicht so temperaturempfindlich wie beispielsweise die in Österreich beliebten Forellen oder Saiblinge. Diese können Wassertemperaturen über 18 Grad Celsius nicht sehr lange aushalten, doch durch die Erderwärmung steigt auch die Temperatur der Gewässer.
Welche Fische darf man überhaupt noch essen, wenn man sich nachhaltig ernähren will?
Kainz: Karpfen! Er kommt nicht aus den überfischten Meeren und seine Zucht ist sehr nachhaltig, weil er ein Plankton- und Insektenfresser ist. Der Karpfen ist als Fettfisch verschrien, aber das stimmt nicht: Er hat einen Fettgehalt von nur fünf Prozent. Seine Muskeln sind schlaffer als bei anderen Fischen, weil er ein Friedfisch ist und nicht in der Strömung lebt, aber er ist kein fetter Fisch. Früher haben die Gräten Probleme gemacht, aber heutzutage werden Karpfen in Österreich geschröpft, da gibt es keine Probleme mehr mit Gräten. Wenn wir mehr Karpfen essen, können wir einen Beitrag für eine nachhaltigere Zukunft leisten.
Wie wird sich der Klimawandel auf die Nahrungsmittelqualität von Fischen auswirken?
Kainz: Durch die steigenden Temperaturen werden wir wahrscheinlich eine Verminderung der Nahrungsmittelqualität erleben. Eine wichtige Rolle dabei spielen langkettige Omega-3-Fettsäuren. Da der menschliche Körper sie nicht selbst herstellen kann, müssen wir sie über die Nahrung aufnehmen. Omega-3-Fettsäuren sind beispielsweise sehr wichtig für die Gehirnentwicklung von Menschen. Fische nehmen Omega-3-Fettsäuren durch das Plankton und die Algen auf, die sie fressen. Je wärmer es wird, desto weniger werden Algen langkettige Omega-3-Fettsäuren synthetisieren, denn sie dienen ihnen auch als Schutz gegen Kälte. Das ist sehr ungünstig für uns Menschen, denn wir brauchen die Omega- 3-Fettsäuren trotzdem. Das ist ein sehr ernstes Problem: Es geht bei der Ernährung nicht nur darum, dass sich die Menschen irgendetwas in den Mund stopfen. Wir brauchen qualitativ hochwertige Nahrungsmittel, um uns gut entwickeln zu können. Studien prognostizieren, dass wir im Jahr 2100 um 58 Prozent weniger an Omega-3-Fettsäuren zu uns nehmen werden. Das wäre dramatisch.
Wie kann es gelingen, die Qualität der Nahrung in Zukunft aufrechtzuerhalten?
Kainz: Wir könnten uns überlegen – teilweise ist das schon passiert – genetisch modifizierte Tiere oder Pflanzen zu erzeugen. So könnten Nahrungsmittel hergestellt werden, die mehr Omega-3-Fettsäuren haben.
Wir haben aber keine Ahnung, welche Risiken wir damit eingehen. Insgesamt ist dieses Problem zu groß, als dass wir mit zwei oder drei simplen Antworten darauf reagieren können. Die Naturveränderungen sind zu enorm, als dass wir die Probleme der Zukunft allein mit Ingenieurskünsten lösen können.
Wie wird sich die Wassersituation in Österreich durch den Klimawandel verändern?
Kainz: Selbst bei einer größeren Erwärmung werden wir am Alpennordrand im Durchschnitt gleich viel Wasser haben. Im Süden und Osten Österreichs wird es etwas weniger Wasser sein. Allerdings werden Extremereignisse zunehmen – sowohl Überflutungen wie auch Trockenheit. Und die sind in den Durchschnittsniederschlägen nicht abgebildet. Wir bräuchten in Österreich aber noch viel mehr Klimadaten und Messstellen, damit wir genauere Aussagen treffen können.
Welche Veränderungen der Wassersituation sind durch den Klimawandel weltweit zu befürchten?
Kainz: Durch das Abschmelzen der Polkappen wird es in Zukunft mehr Meerwasser geben. Dadurch ergibt sich ein selbstverstärkender Prozess: Wenn Sonnenlicht auf Eis trifft, wird mehr reflektiert, als wenn Sonnenlicht auf Wasser trifft. Durch das Abschmelzen der Pole und Gletscher wird es also noch wärmer, als es ohnehin schon ist. Es ist daher sehr wichtig, dass wir unseren CO2-Ausstoß dramatisch reduzieren. Nur so können wir retten, was noch zu retten ist.
MARTIN KAINZ
Priv.-Doz. Dr. Martin Kainz ist Forschungsgruppenleiter am WasserCluster Lunz, einem Forschungszentrum der Donau-Universität Krems, der Universität Wien und der Universität für Bodenkultur Wien. Zu seinen Forschungsbereichen zählen aquatische Ökologie und Nahrungsketten sowie Ökotoxikologie. Nach der Dissertation im Bereich Ökologie an der Université du Québec à Montréal, Kanada, war er an der University of Victoria und am National Water Research Institute in Burlington, Kanada, tätig. Er ist auch Affiliate Professor an der University of Washington, Seattle.
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