Kommentar von Klement Tockner
Bäche, Flüsse, Seen und Feuchtgebiete zählen zu den weltweit artenreichsten Lebensräumen, vergleichbar tropischen Regenwäldern und Korallenriffen. So leben ein Drittel aller Wirbeltierarten oder 40 Prozent der Fische in Binnengewässern; der Amazonas allein beheimatet mehr als 5.000 Fischarten. Zugleich ist der Rückgang dieser Vielfalt um ein Vielfaches stärker als am Land und im Meer. Unsere Gewässer sind bedrohter denn je: durch Verbauung, Fragmentierung, Überdüngung, Verschmutzung und zunehmend durch die Klimaerwärmung. Zugleich ist Wasser als Ressource für uns Menschen unverzichtbar. Um genügend sauberes Trinkwasser sicherzustellen, setzen wir jedoch auf technische Lösungen wie Wasseraufbereitungen und Entsalzungsanlagen – zu Lasten der Gewässer. Dabei bedeutet Gewässerschutz auch stets Ressourcensicherung.
Im Jahre 2000 wurde mit der Wasserrahmenrichtlinie ein positiver Meilenstein in der europäischen Wasserpolitik gesetzt. Einerseits gilt das Verschlechterungsverbot, andererseits das Verbesserungsgebot zur Erreichung eines guten ökologischen Zustandes der Gewässer. Bis spätestens 2027 müssen alle Gewässer einen guten ökologischen Zustand oder ein gutes ökologisches Potenzial aufweisen. Die Zwischenbilanz zeigt, dass dieses Ziel weit verfehlt wird. Viel zu zögerlich und kleinräumig sind die gesetzten Maßnahmen. Zielkonflikte bleiben vorerst ungelöst, etwa zwischen dem Energie- und dem Landwirtschaftssektor, der Gewässerschutz hat hier keine Priorität.
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„Denn einmal verloren heißt für immer verloren. Zudem wissen wir nicht, was der dramatische Rückgang dieser Vielfalt langfristig für die Natur und schlussendlich uns Menschen bedeutet. “
Klement Tockner
Das zeigt sich besonders deutlich beim ungebremsten Ausbau von Kleinkraftwerken, die sehr wenig zur Energiesicherung beitragen, jedoch überproportional viele natürliche Ressourcen in Form frei fließender Gewässer verbrauchen. Wasserkraft ist eine erneuerbare, aber keinesfalls eine umwelt- und klimaneutrale Energiequelle. Wenngleich die ökologischen Auswirkungen eines einzelnen Kleinkraftwerkes gering sein können, so führen mehrere Anlagen in einem Gewässereinzugsgebiet zu negativen kumulativen Effekten. Trotz Wasserrahmenrichtlinie verschwinden gerade die letzten naturnahen Bach- und Flussabschnitte in Österreich und in Europa. Und damit deren einzigartige Vielfalt. Wir müssen ausgehend von der Wasserrahmenrichtlinie weitere Schritte setzen und nachhaltige Lösungen für unsere Gewässer finden. Dazu müssen der Naturschutz, der Wassersektor und die Landwirtschaft eng kooperieren, um fundiert Prioritäten in der Planung von Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen setzen zu können und die biologische Vielfalt zu sichern. Denn einmal verloren heißt für immer verloren. Zudem wissen wir nicht, was der dramatische Rückgang dieser Vielfalt langfristig für die Natur und schlussendlich uns Menschen bedeutet. Die Kosten und Lasten für unverantwortliches Handeln tragen in allen Fällen unsere Kinder und Enkel.
KLEMENT TOCKNER
Prof. Dr. Klement Tockner ist Professor für aquatische Ökologie an der Freien Universität Berlin (derzeit beurlaubt) und ehemaliger Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Seit 2016 ist er Präsident des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (OeAWI).
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