Der Klimawandel führt zu Extremen bei Niederschlägen. Einmal kommt zu viel Regen auf einmal, dann wieder lange Zeit nichts. Wasser zu speichern hilft in beiden Fällen.
Von Sonja Bettel
Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf halten – sieben Prozent mehr pro Grad. Das ist der Grund, warum Extremniederschläge im Zuge der Klimaerwärmung häufiger werden. Eine Auswertung weltweiter Niederschlagsdaten durch das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung hat gezeigt, dass die Zahl der Tagesrekorde zwischen den Jahren 1980 und 2013 statistisch signifikant zugenommen hat, nämlich je nach Region um 25 bis 37 Prozent. Und das schon bei einem Grad Erwärmung. Gleichzeitig wird die globale Erwärmung für trockene Regionen der Erde längere heiße und trockene Perioden bewirken. Das bedeutet: Die räumliche und zeitliche Verteilung von Wasser auf der Erde ist noch ungleicher, als sie es bisher schon war.
Wie können Kommunen und Planerinnen und Planer Siedlungen auf das Zuviel und das Zuwenig an Wasser vorbereiten? Tania Berger, Leiterin des Fachbereichs Sozialraum und Migration am Department für Migration und Globalisierung der Donau-Universität Krems, hat auf diese Frage mit einem internationalen Forschungsprojekt reagiert: Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Twente in den Niederlanden und mehreren Instituten in Indien hat sie das Forschungsprojekt Building Resilient Urban Communities (BReUCom) gestartet, das im EU-Programm Erasmus+ gefördert wird. Es geht dabei um postgraduale Ausbildung mit sozialer Komponente für berufstätige und in Ausbildung befindliche Architektinnen und Stadtplaner. „Die Studierenden kommen großteils aus Mittelklasse-Familien und haben oft wenig Bewusstsein für die Situation der Bevölkerung in den Armensiedlungen“, sagt Tania Berger. Sie hat sich viel mit energieeffizientem und ökologischem Bauen und dem Bauen in Elendsvierteln des globalen Südens beschäftigt. Im Projekt BReUCom gehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer deshalb in ausgewählten Regionen in Indien in Siedlungen und interviewen die Bewohnerinnen und Bewohner zu ihrem Umgang mit Wasser. Rama Pandey, Dozentin an der School of Planning and Architecture in Bhopal, hat mit ihrer Gruppe eine Fallstudie in Jodhpur im Bundesstaat Radjasthan gemacht. Dort beträgt der Jahresniederschlag rund 314 mm, davon der Großteil im Juli und August. Zum Vergleich: In Wien betrug im Jahr 2018 der Jahresniederschlag 715 mm, in Salzburg 1.346 mm.
In Jodhpur war Wasser immer kostbar, deshalb wurden schon vor hunderten von Jahren große, kunstvoll gestaltete Wasserspeicher mit Stufen errichtet, über die man das Wasser auch bei niedrigem Pegel erreichen kann. Bevor der Monsun begann, wurden Zuläufe zu diesen Speichern gereinigt, damit das Wasser möglichst sauber bleibt. Auch von den Dächern ihrer Häuser sammelt die Bevölkerung traditionell Wasser. Dafür lässt man den Schmutz mit dem ersten Regenguss vom Dach abwaschen und leitet das Wasser dann in Haushaltstanks ein.
Seit dem Bau des Indira-Gandhi-Kanals in den 1950er-Jahren erhält Jodhpur sein Trinkwasser jedoch von Flüssen aus dem wasserreichen Punjab. Die historischen Stufenspeicher wurden nicht mehr für die Wasserversorgung genützt und verkamen zu Mülldeponien. Die Wasserversorgung aus der Ferne hat noch eine zweite Veränderung gebracht: Das nicht mehr genützte Regenwasser sickert in den Boden bis auf eine undurchlässige Schicht und lässt den Grundwasserspiegel steigen, der mittlerweile schon Häuser bedroht. Die Stadtverwaltung muss deshalb Grundwasser abpumpen. Das Grundwasser kann aber nicht als Trinkwasser verwendet werden, weil es durch illegal eingeleitete Abwässer von Textilfabriken und kleinen Färbereien kontaminiert ist.
Die Verwaltung bestrafe die Unternehmen nicht dafür und die Bevölkerung sage, das haben wir schon immer so gemacht, sagt Rama Pandey: „Es gibt einen sozialen Zusammenhalt in diesen Siedlungen, aber es fehlt am Antrieb, etwas an ihrer Situation zu verändern“, bedauert die Forscherin. Sie setzt nun auf die Motivation durch lokale NGOs, die der Bevölkerung bewusst machen können, wie wichtig ein schonender Umgang mit Wasser ist – im eigenen Interesse.
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„Die Studierenden kommen großteils aus Mittelklasse-Familien und haben oft wenig Bewusstsein für die Situation der Bevölkerung in den Armensiedlungen.“
Tania Berger
Wasser speichern statt Kanal erweitern
Ein Bewusstsein für einen neuen Umgang mit Wasser in Zeiten des Klimawandels möchte auch Daniel Zimmermann von der Firma 3:0 Landschaftsarchitektur in Wien schaffen. Gemeinsam mit Erwin Murer von der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft Petzenkirchen und Stefan Schmidt von der HBLFA für Gartenbau Wien-Schönbrunn entwickelt er das Konzept „Schwammstadt“ für Österreich. Das Prinzip ist so einfach wie bestechend: Stadtbäume sollen nicht in viel zu kleinen Baumscheiben vegetieren und laufend bewässert werden müssen, um zu überleben, sondern in großen Kies- und Substrat-Schichten, die unter dem Straßenbelag angelegt werden. In diesen Schichten wird Regenwasser gespeichert, was bei Starkniederschlag außerdem Kanal und Kläranlage entlastet. Gut versorgte und dadurch größer wachsende Bäume kühlen wiederum die Stadt bei Hitze und Trockenheit. Eine Win-win-win-Situation also. Die Idee stammt aus Stockholm und wird dort schon seit einigen Jahrzehnten angewendet. In Österreich gibt es bereits in Graz, Mödling, Innsbruck und anderen Städten Straßen und Plätze mit diesem System, im Quartier „Am Seebogen“ in der Seestadt Aspern in Wien wird es ab nächstem Jahr verwendet.
Ein Straßenunterbau aus großen Steinen mit Zwischenraum sei früher üblich gewesen, sagt Daniel Zimmermann, in den vergangenen Jahrzehnten sei der Untergrund aber immer mehr verdichtet worden, was nicht notwendig ist. Auch die Kosten seien überschaubar: „Wenn man bereits Tiefbau macht, zum Beispiel für den Kanal oder die U-Bahn, ist das System kostenneutral. Wenn man neu baut, wie in der Seestadt, kann es sogar billiger sein.“ Eventuell höhere Baukosten bei Sanierungen amortisieren sich durch weniger Pflegeaufwand für die Bäume, weniger Belastung für Straße, Kanal und Kläranlage und die Kühlung, die wichtig für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Stadtbewohner ist. Die Stadt Graz hätte sich den rund 84 Millionen Euro teuren zentralen Sammelkanal wahrscheinlich sparen können, wenn sie nicht nur in der Eggenberger Allee, sondern großflächig auf das Schwammstadtprinzip gesetzt hätte.
Gartenstadt trotzt Klimawandel
Wie man dem Klimawandel mit ökologischen Maßnahmen begegnen kann, daran arbeitet derzeit die Stadt Tulln. Im örtlichen Entwicklungskonzept werden die Bereiche Stadtplanung, Mobilität, Umwelt und Grünraum eng vernetzt, um möglichst viele wertvolle Grünflächen und Wasserspeicherräume schaffen zu können. Die ARGE Stadtgrün, bestehend aus der Landschaftsarchitektin Agnes Feigl aus Tulln und den Raumplanern von im-plan-tat aus Krems, hat ein Konzept erstellt, wie die Infrastruktur ausgebaut werden kann. Das sei gar nicht so einfach, sagt Agnes Feigl, weil sich die verschiedenen Abteilungen von Stadt und Land bei Sanierungen und Neubauten in Zukunft frühzeitig abstimmen und das Thema mitdenken sollten. Auch Private, also Firmen und Hausbesitzer, sollen einbezogen und motiviert werden, mehr Platz für Regenwasserrückhalt und Bepflanzung zu schaffen. Die Stadt Tulln möchte dazu weiter Know-how aufbauen und sich als Tagungsort für nachhaltiges Stadtgrün etablieren.
In Indien seien Zisternen zur Speicherung von Niederschlagswasser üblich, in Österreich sei das bisher maximal bei Berghütten oder zur privaten Gartenbewässerung ein Thema gewesen, sagt Paul Seitz vom Gebietsbauamt Krems. Doch das dürfte sich ändern. Im Waldviertel, wo die Lufttemperatur in den vergangenen 15 Jahren deutlich gestiegen ist und einige Sommer ungewöhnlich trocken waren, legen Bauern bereits Speicherteiche zur Bewässerung von Feldern an.
So kunstvolle Bauten wie in Jodhpur werden es wohl nicht sein, doch es zeigt, dass die Frage nach dem nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser uns alle betrifft, weltweit.
AGNES FEIGL
DI Agnes Feigl ist selbstständige Landschaftsarchitektin in Tulln. Sie studierte an der Universität für Bodenkultur in Wien, der TU Wien sowie an der Manchester Metropolitan University und schloss an der Universidade Técnica de Lisboa ab.
TANIA BERGER
DI Dr. Tania Berger hat an der TU Wien und an der École d’architecture La Villette in Paris Architektur studiert. Sie hat in Architekturbüros, bei Global 2000 und journalistisch gearbeitet und leitet jetzt den Fachbereich Sozialraum und Migration am Department für Migration und Globalisierung der Donau-Universität Krems.
RAMA UMESH PANDEY
Dr. Rama Umesh Pandey ist Assistenzprofessorin und Leiterin des Masterprogramms für urbanes und regionales Planen an der School of Planning and Architecture in Bhopal in Indien. Sie studierte Architektur sowie Planung und ist Partnerin im Forschungsprogramm BReUCom.
DANIEL ZIMMERMANN
DI Daniel Zimmermann ist Ko-Gründer von 3:0 Landschaftsarchitektur und Gründungsmitglied im Arbeitskreis Schwammstadt und hat Lehraufträge an der TU und an der BOKU in Wien. Er studierte an der Universität für Bodenkultur in Wien, der TU Wien, der Universität Hannover und der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik Wien.
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