Im Christian-Doppler-Labor für innovative Therapieansätze in der Sepsis hat die PhD-Studentin Birgit Fendl extrazelluläre Vesikel ins Visier genommen. Sie überbringen Botschaften zwischen den Zellen und beeinflussen so das im Falle einer Sepsis aus dem Ruder laufende Immungeschehen.

Von Astrid Kuffner

Für eine Sepsis, landläufig verkürzt als Blutvergiftung bezeichnet, sind häufig Infektionen durch Keime verantwortlich. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Auslöser einer Sepsis kann eine Infektion sein, aber auch eine große Wunde nach einem Unfall oder einer Operation. Beides löst ähnliche Reaktionen im Körper aus. „Beteiligt sind aber nie nur die Erreger und deren Toxine, sondern massiv der Körper, dessen Immunreaktionen völlig aus dem Lot geraten“, erklärt Birgit Fendl. Wenn die Regulation versagt, schaukelt sich die Immunabwehr lebensbedrohlich hoch. Seit ihrem Bachelorabschluss in Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur hat sich die 27-jährige Pielachtalerin hartnäckig auf die Spuren der „stillen Gefahr“ geheftet. In ihrer Doktorarbeit hat sie sich auf die Suche nach möglichen Sepsis-Markern gemacht und dafür das Blutplasma gesunder Menschen mit septischen Patientinnen und Patienten verglichen. Als gute Detektivin versuchte sie die Botschaften extrazellulärer Vesikel im Blutplasma abzuhören.

Schwer zu erkennen und zu benennen

Aktuelle Zahlen aus der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ weisen weltweit 48,9 Millionen Sepsisfälle pro Jahr aus. Ein gutes Fünftel der Patientinnen und Patienten stirbt daran. Selbst wer die Krise auf der Intensivstation übersteht, hat auch Jahre danach noch ein anfälliges Immunsystem. Die Zahl der gemeldeten Sepsisfälle nimmt seit Jahren zu, was auch damit zusammenhängt, dass das Krankheitsbild immer öfter als solches benannt werden kann. Denn obwohl die Sepsis so viele Menschen betrifft, ist es immer noch schwer, sie (rechtzeitig) zu erkennen und zu behandeln. Je früher aber die Ursache und das entgleisende Immunsystem erkannt werden, desto schneller kann eine gezielte Behandlung beginnen.

Vesikel als Botschafter zwischen Zellen

2015 begab sich Birgit Fendl noch während ihrer Masterarbeit auf die Suche nach zuverlässigen Markern als Voraussetzung innovativer Therapieansätze bei Sepsis: „Es gibt vermutlich mehrere Marker, die gemeinsam eine zuverlässige Bestimmung der Sepsis ermöglichen.“ Im Visier der Biotechnologin standen dabei extrazelluläre Vesikel. Die kleinen membranumschlossenen Bläschen (zwischen 50 und 1.000 Nanometer im Durchmesser) werden von einer Absender-Zelle in den Blutstrom entlassen. In der Hülle und im Inneren sind Teile aus dem Zellinneren oder der Zelloberfläche verpackt und deshalb können Vesikel auch als Botschafter zwischen Zellen verstanden werden. Birgit Fendl konzentrierte sich bei ihrer Arbeit also auf Vesikel, die in den Signalketten der Immunabwehr eine Rolle spielen und Einfluss auf Entzündungsreaktionen nehmen könnten. Stand in ihrer Bachelorarbeit noch die Literaturrecherche im Vordergrund, klinkte sich die junge Niederösterreicherin ab der Masterarbeit an der Donau-Universität Krems in die klinisch-praktische Analytik ein. Mittels Durchflusszytometer, das Zellen ab 200 Nanometer detektiert, suchte sie nach Auffälligkeiten. Sie verglich die Vesikelmuster im Blutplasma von gesunden Menschen mit solchen unter Sepsis. Um die transportierten Botschaften abzuhören und die Absenderzellen zu bestimmen, färbte sie ihre Proben pipettentropfenweise mit spezifischen Antikörpern ein. Im Plasma von Sepsis-Betroffenen ist Fendl auf diese Weise an Vesikel gebundenes „C-reaktives Protein“ als möglicher Marker aufgefallen. Es findet sich in Akutfällen, wie etwa einem Herzinfarkt, frei schwimmend im Blut. Dieser mögliche Marker soll noch weiter untersucht werden.

Mit Vesikeln um die Welt

Mit ihrer Arbeit konnte sie sich gut in den seit 2010 anschwellenden „Vesikelboom“ einbringen. In den vergangenen fünf Jahren hat sie ihre Ergebnisse und Forschungen auf rund 20 Konferenzen präsentiert: „Es ist eine spannende Zeit, weil sich die Definitionen und Methoden erst entwickeln.“ Die wichtigste Eigenschaft für ihre Arbeit ist Neugierde. Vielleicht ein wichtiges Puzzlestück zur Aufklärung einer Krankheit zu finden, an der so viele Menschen sterben, motiviert sie. Birgit Fendl hat die abschließenden Publikationen eingereicht und überlegt sich nun den nächsten Schritt.

„Es ist eine spannende Zeit in der Vesikelforschung, weil sich die Definitionen und Methoden erst entwickeln.“

Birgit Fendl

Eine andere Forschungsgruppe wäre eine Möglichkeit oder der Umstieg in die Industrie. Laborarbeit interessiert sie nach wie vor. Dabei durchzuhalten und sich zu organisieren, lernt man im PhD-Studium. Genug Zeit zum Nachdenken, aber auch zum Lesen findet sie aktuell noch beim Pendeln mit dem Zug von Wien nach Krems und retour. Inzwischen hat die Arbeit im Labor auch auf ein neues Spezialgebiet der leidenschaftlichen Brotbäckerin und Köchin abgefärbt. Zum Entspannen geht sie nicht nur Schi fahren, wandern und laufen, sondern wägt in der Küche grammgenau die Zutaten für Pralinen ab.


DI Birgit Fendl, BSc. studierte Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. Für ihre Doktorarbeit mit dem Titel „Influence of Anticoagulation on Release and Detection of Microvesicles in Whole Blood“ forschte sie im Christian-Doppler-Labor für Innovative Therapieansätze in der Sepsis an der Donau-Universität Krems im Bereich extrazelluläre Vesikel. 2017 erhielt sie für ihre Masterarbeit den Wissen schaf[f]t Zukunft Preis der NÖ Forschungs- und Bildungsges.m.b.H.

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